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Sollte es ein "Recht auf den Tod" geben?

"Mit der Geburt nähert sich jeder Mensch jede Sekunde unweigerlich dem Tod." Die Zeit bis zu meinem Ableben möchte ich gerne "nutzen". Das ist meine Meinung zum Leben. Darüber bin ich sehr froh.

Mit zunehmenden Alter habe ich meist alte, aber auch junge Menschen kennen gelernt, die das Leben nicht (mehr) so rosig ansehen.

  • Wenn Du 80 bist und (kaum heilbaren) Lungenkrebs hast, was machst Du dann? Dein Mann und zweiter Mann sind gestorben. Deine Kinder lange aus dem Haus. Du hattest immer so viel Energie und hast viel unternommen. Deine Energie ist weg. Deine Ziele auch. Du fragst Dich "wozu"? Mit der Chemo etc. hast Du eine Chance (10%?) auf einige (3?) Jahre weiteren Lebens in unbekannter Güte. Oder die Chemo bringt Dir Deine letzten sechs Monate "leiden". Du hast 17kg abgenommen, wiegst so viel wie mit 14 Jahren. Exit, verhungern oder Chemo und Leben im Krankenhaus? So ging es meiner Mutter vor vier Jahren. Sie ging mit Dignitas (CH). Ich (wir) waren dabei. Es war nicht einfach (obeohl Diginitas uns sehr geholfen hat). Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem der Freitaod möglich ist. Ich denke oft an die letzten Monate meiner Mutter - habe ich das Richtige getan? Wäre sie noch hier? Die Straganzeige wegen "Beihilfe zur Tötung" hat mich weniger gestört. Es war der Wille meiner Mutter. Wenn ich dann an ihren körperlichen (und am Ende auch geistigen) Zustand in den letzten Wochen denke, bin ich der Meinung, das Richtige getan zu haben. Und sehr dankbar an Diginitas.
  • Seitdem ist "Sterben" kein Tabu mehr für mich. Die 30ig jährige Kolligin gibt offen zu, dass sie seit 10 Jahren keine Lust am Leben verspürt. Wenn Du keine Freude hast, wirst Du auch körperlich krank. Körper, Geist und Seele gehören zusammen. Sie ist also 30ig; keine Lust auf Partner, keine Lust auf Job, keine Lust auf Aktitvitäten. Lust auf was? Sie wünscht sich, dass es vorbei ist. "Es" bezeichnet das Leben. Ich bin schockiert. Therapie? Hatte sich schon (einige). Wie weiter?

Wenn ich die Menschen sehe, die sterben wollen. Menschen, die tot-krank, oft schmerzverzerrt in ihren Betten vegetieren. Menschen, die den Sinn des Lebens nicht sehen und keine Träume und Zukunft für sich haben. Dann frage ich mich: Was gibt anderen Menschen das Recht, einem Mensch das Recht an einem menschenwürdigen Tod zu entziehen? Ich meine: Menschen sind selbstbestimmt. Der Mensch hat das Recht auf den Tod. Ich bitte Euch: Geht auf eine Palliativstation oder ein Altenheim und seht Euch die Menschen an.

Bei dem "Recht auf Tod" zuerst den Missbrauch zu sehen und diesen potentiellen Missbrauch als Grund zu nennen, das Recht auf Tod zu verweigern, macht mich traurig. Andere Lebewesen (wie Nutz- oder Haustiere) schläfern wir ein, um ihnen das Leid zu erspraren. Frido der Familienhund mit dem Tumor darf gehen; meine Frau aber nicht? Sie soll durchhalten?

Natürlich muss man Missbrauch mit der Sterbehilfe unterbinden / minimieren (so wie jeden Missbrauch). Aber Missbrauch ist nicht das Haupt-Thema. Kernfrage ist: Darf der Mensch über sein Ableben frei entscheiden. Im Grossteil der Welt erlauben wir den Freitod nicht.
 
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Das höhere Alter steht auch bei EXIT noch nicht ganz fest. Man muss diplomatisch vorgehen, denn es gibt viele Gegner und das Ganze
braucht Zeit - Gewöhnungszeit. Wenn ich mich nicht täusche war mal von 80 die Rede.

Ja, falls diese Sache überhaupt jemals umgesetzt wird, wird es nur schrittweise gehen. 80 als Grenzalter ist aber aus meiner Sicht geradezu zynisch, denn:

Die 30ig jährige Kolligin gibt offen zu, dass sie seit 10 Jahren keine Lust am Leben verspürt. Wenn Du keine Freude hast, wirst Du auch körperlich krank. Körper, Geist und Seele gehören zusammen. Sie ist also 30ig; keine Lust auf Partner, keine Lust auf Job, keine Lust auf Aktitvitäten. Lust auf was? Sie wünscht sich, dass es vorbei ist. "Es" bezeichnet das Leben.

Die Depression gehört inzwischen zu den Top-Volkskrankheiten überhaupt und diese Erkrankung hat nichts mit dem Alter zu tun. Sie kann dich mit 20 treffen oder auch noch früher. Deshalb ist das mit dem Alter generell eine etwas nichtssagende Sache. Wenn aber ein Grenzalter festgelegt werden sollte, würde ich für 40 plädieren. Also mit 40 hat man zum einen genug Lebenserfahrung und zum anderen ist es auch nicht mehr zu erwarten, dass man in der inneren Entwicklung noch revolutionäre Sprünge machen wird (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Dann frage ich mich: Was gibt anderen Menschen das Recht, einem Mensch das Recht an einem menschenwürdigen Tod zu entziehen? Ich meine: Menschen sind selbstbestimmt.

Ich sage dir, was zweifelsfrei der Hauptgrund dafür ist: Die meisten Menschen checken es erst, wenn eine nahestehende Person oder sie selbst in einer Situation sind, wo sie das Recht auf den Tod gebrauchen könnten. Und das passiert nun nicht gerade alle Tage. Es ist wie bei so vielen anderen Themen auch die mangelnde Vorstellungskraft, die die Menschen vor diesem Thema zurückschrecken oder es ignorieren lässt.
 
Ich sage dir, was zweifelsfrei der Hauptgrund dafür ist...

Zweifelsfrei ist nichts, schon gar nicht deine handgestrickte Erklärung. Ich vermute den Hauptgrund in der christlichen Tradition: Mord und Selbstmord sind Todsünden. Diese christlichen Vorstellungen haben sich bis tief in die Gesetzgebung hineingefressen. Gesetze basieren ja immer auch auf Moralvorstellungen. Ein weiterer Faktor dürfte die schlechte Erfahrung sein, die man mit der Euthanasie im Dritten Reich gemacht hat. Da wurde der 'gute Tod' umfunktioniert zum staatlich verordneten Mord.
 
Ich sage dir, was zweifelsfrei der Hauptgrund dafür ist...

Zweifelsfrei ist nichts...

Das stimmt natürlich. Da bin ich wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen.

... schon gar nicht deine handgestrickte Erklärung.

Meine handgestrickte Erklärung beruht einfach auf der eigenen Erfahrung. Die allermeisten Menschen halten das Thema Tod und erst recht das Thema Suizid so weit wie nur irgend möglich von sich fern. Es gibt Leute, die nervös werden und dicht machen, wenn man es nur anspricht und was mehr als das ist: Bei den meisten Menschen würde ich mich gar nicht erst trauen, dieses Thema anzusprechen und das beinhaltet wohlbemerkt sogar Psychotherapeuten. Selbst die (oder sogar: gerade die) werden bei diesem Thema supernervös, wenn man es nicht nur oberflächlich erwähnt. Daher bleibe ich dabei: Die meisten Menschen können und wollen sich nicht mit diesem Thema - ernsthaft - befassen. Denn das würde beinhalten, sich in Situationen hineinzudenken, in denen der Suizid tatsächlich als der einzige Ausweg erscheint. Und das ist gar kein einfaches Thema. Dennoch nimmt sich in Deutschland im Schnitt pro Stunde ein Mensch das Leben - also ist das Thema sehr wohl präsent, nur eben "unter dem Teppich" wie so vieles.

Ich vermute den Hauptgrund in der christlichen Tradition: Mord und Selbstmord sind Todsünden. Diese christlichen Vorstellungen haben sich bis tief in die Gesetzgebung hineingefressen. Gesetze basieren ja immer auch auf Moralvorstellungen. Ein weiterer Faktor dürfte die schlechte Erfahrung sein, die man mit der Euthanasie im Dritten Reich gemacht hat. Da wurde der 'gute Tod' umfunktioniert zum staatlich verordneten Mord.

Diese Dinge kommen sicher noch erschwerend hinzu oder sind Teil der Ursache für oben beschriebenes Denken. Da ich selber grob gesagt auch an das Metaphysische glaube und dabei der christlichen Religion nahestehe (aber eher dem anthroposophischen Christentum) sind mir übrigens solche Gedanken selber nicht fremd. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Suizid - jedenfalls ein übereilter, unüberlegter und unverhältnismäßiger Suizid - negative Konsequenzen für die Seele nach sich ziehen kann, weshalb ich letzten Endes doch davon abraten würde, wenn das Leiden nicht unerträglich ist: Denn in einem solchen Fall wäre ich mir sicher, dass die negativen Konsequenzen ausbleiben oder zumindest nicht so schwerwiegend wären. Aber das ist natürlich Spekulation und das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Mein eigentliches Anliegen bei der Sache ist ja, dass die Menschen, die sich das Leben nehmen, das so oder so tun, nur eben dann bisher mit grausamen Methoden, die alle eigentlich menschenunwürdig sind. Vielleicht sollte man daher zu Zugang zu schmerzlosen und schnellen Methoden erleichtern. Aber das Thema bleibt moralisch schwierig, aus den verschiedensten Gründen.
 
Wenn aber ein Grenzalter festgelegt werden sollte, würde ich für 40 plädieren. Also mit 40 hat man zum einen genug Lebenserfahrung und zum anderen ist es auch nicht mehr zu erwarten, dass man in der inneren Entwicklung noch revolutionäre Sprünge machen wird (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Und 40 gefällt Dir:
a. weil es nicht mehr so weit weg ist :)
und Du
b. noch 5 Jahre Zeit hättest :jump6:
Das nenn ich coole Strategie ;)
ich grüße Dich * Helmfried
 
Und 40 gefällt Dir:
a. weil es nicht mehr so weit weg ist :)

Das ist natürlich reiner Zufall. ;)

und Du
b. noch 5 Jahre Zeit hättest :jump6:

1 Jahr.

Aber mal ernsthaft: Wenn man eine solche Entscheidung mit 40 nicht treffen kann, dann kann man es nie. Ich bin bei diesem Thema aber nach wie vor unentschlossen. Meine spirituelle Seite lehnt das ab, was meine rationale Seite gut findet.
 
Ganz aktuell habe ich zu diesem Thema folgenden Artikel gefunden:

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SCHWEIZ: Vollautomatische Gas-Kapsel – Sterbehilfe durch den Sarco-Pod legal zugelassen

Der Vorgang selbst ist denkbar einfach. Dem Patienten werden zunächst eine Reihe von Fragen gestellt, die prüfen, ob die Person zu einer freien Willensentscheidung fähig ist. Nach diesem Online-Test erhält sie dann einen Code für den Zugang und kann in die Kapsel steigen. Dort kann sie einen Hebel umlegen. Es gibt aber keinen Automatismus, wer will kann den Prozess einfach abbrechen. Nach Betätigung des Hebels wird der luftdichte Innenraum mit Stickstoff geflutet, der Sauerstoff wird verdrängt. Anderes als etwa beim Ertrinken löst der Austausch des Gases keine Panik oder Abwehrreaktionen des Körpers aus. Der Patient fühlt sich nur ein wenig "beduselt" und euphorisch, bevor er in weniger als 30 Sekunden in eine Bewusstlosigkeit versinkt. Der Tod tritt dann durch Sauerstoff- bzw. Kohlendioxidmangel ein.

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Soweit die Theorie? Zwangsläufig seit langem verfolge ich die Diskussion um Freitod und Sterbehilfe. In Erinnerung blieb mir besonders ein älterer Artikel aus dem Stern. Dort kamen Menschen zu Wort, denen in der Schweiz mittels "Todsicherer" Methoden auf humane Weise, zur Reise ins Jenseits verholfen werden sollte. Leider, wissen wir ja auch von amerikanischen Hinrichtungen, sind manche Menschen besonders zäh, ist ihr Metabolismus nicht kalkulierbar.
Und, wenn die Methode funktioniert, so besagt es laut einem Gespräch welches ich mit einem Anästhesisten führte, nicht, dass es human läuft. Ist die Sedierung nicht perfekt austariert, erlebt der Sterbewillige wohl sehr bewusst mit, wie sein Herz zu schlagen aufhört. In den USA sind derzeit, aufgrund eines Lieferembargos für solche Tötungsmittel, verschiedene Versuche im Gange, zum Tode verurteilte hinzurichten. Ist nicht so einfach wie es weiter vorn mit der Stickstoffpatrone beschrieben wurde.
Ebenso glaube ich, dass jeder bewusst erlebte Tod, wie beim Sprung von einem Hochhaus, schnell vonstatten geht. In den USA gab es Untersuchungen, bei denen festgestellt wurde, dass es bis zum 17. Stockwerk Überlebende gab. Wie die hinterher ihr Restleben gefristet haben, mag ich mir kaum vorstellen.
Selbst ein Selbstmordversuch mit einer Waffe führt nicht immer zum Erfolg, Durchschuss der Sehnerven mit anschließender Erblindung ist oft dokumentiert. Wie so etwas immer funktioniert, will ich hier nicht erzählen.
Von einem Omnibusunfall her, weiß ich, dass sich der Moment vom Erkennen des nahenden Todes bis zum (nur über mein Bein gefahren, trotzdem war ich mir sicher zu sterben) Ende ewig dehnen kann. Sah damals in voller Länge den "Film des Lebens", und das ganze dauerte vielleicht eine viertel Sekunde ...
Wer allerdings unter nachvollziehbaren, lebensunwürdigen Umständen dahinvegetieren muss, wird jeden dieser Einwände mit Kusshand auf sich nehmen. Leider ist der Einfluss unserer Kirchen immer noch so groß, dass entsprechende Vorgaben des deutschen BVG immer noch nicht in Gesetze umgesetzt sind.
 
Wer allerdings unter nachvollziehbaren, lebensunwürdigen Umständen dahinvegetieren muss, wird jeden dieser Einwände mit Kusshand auf sich nehmen.

Und hier ist eben eine weitere interessante Frage, warum man schwere psychische Krankheiten von körperlichen unterscheiden sollte. Es gibt Menschen, die aufgrund einer psychischen Krankheit das Haus nicht mehr verlassen können, kein echtes Leben mehr haben. Was unterscheidet das von einer schweren Krebserkrankung beispielsweise?
 
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