Ich will Denken lenken.
Philosophisticus,
hat Nietzsche wirklich eine richtige Vorstellung vom Denken
entwickelt?
Wenn sowohl das <Ich> als auch das <Denken>
als Ergebnisse einer neuronalen Aktivität
verstanden werden, dann stellt sich garnicht mehr
die Frage, ob das <Ich> der Urheber von Gedanken ist
(hast du wirklich "Ursache" gemeint?).
Ungeachtet dessen bildet unser Hirn auch eine Instanz aus,
die unsere Gedanken lenken und fokussieren kann.
Ob diese Instanz nun dem <Ich> zugeordnet wird,
oder als eine vom <Ich> getrennte Funktion des Gehirns
betrachtet wird, darüber wäre erst noch zu entscheiden.
Die gleiche Frage stellt sich ja auch beim Willen;
gehört der Wille zum <Ich>, oder ist er eine separate Instanz?
> Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden. <
Nun soweit ich Nietzsche verstehe, hinterfragt er die traditionelle Vorstellung vom Denken. Ich zitiere mal ausführlich aus Jenseits von Gut und Böse (Erstes Hauptstück: von den Vorurtheilen der Philosophen, Aphorimus 16):
"Es gibt immer noch harmlose Selbst-Beobachter, welche glauben, dess es <unmittelbare Gewissheiten> geben, zum Beispiel <
Ich denke>, oder , wie es der Aberglaube Schopenhauer's war , <ich will>: gleichsam als ob hier das Erkennen rein und nackt seinen Gegenstand zu fassen bekäme, als <Ding an sich>, und weder von Seiten des Subjekts, noch von Seiten des Objekts eine Fälschung stattfände. Dass aber <unmittelbare Gewissheit> , ebenso wie <absolute Erkenntnis> und <Ding an sich>, eine contradictio in adjecto in sich schließt, werde ich hundertmal wiederholen:
man sollte sich doch endlich von der der Verführung der Worte losmachen! Mag das Volk glauben, dass Erkennen ein zu Ende-Kennen sei, der Philosoph muss sich sagen : wenn ich den Vorgang zerlege, der
in dem Satz <ich denke> ausgedrückt ist, so bekomme ich eine Reihe von
verwegenen Behauptungen , deren Begründung schwer, vielleicht unmöglich ist, zum Beispiel ,
dass ich es bin , der denkt, dass überhaupt ein Etwas es sein muss, das denkt,
das Denken eine Tätigkeit und Wirkung seitens eines Wesens ist, welches als Ursache gedacht wird, dass es ein <Ich> gibt, endlich , dass es bereits fest steht,
was mit Denken zu bezeichnen ist, dass ich weiß , was Denken ist. Denn wenn ich nicht darüber mich schon bei mir entschieden hätte, wonach sollte ich abmessen, dass was eben geschieht, nicht vielleicht <Wollen> oder <Fühlen> sei?
Genug, jenes <ich denke> setzt voraus, dass ich meinen augenblicklichen Zustand mit anderen Zuständen, die ich an mir kenne, vergleiche, um so festzusetzen, was er ist: wegen dieser Rückbeziehung auf anderweitiges <Wissen> hat er für mich jedenfalls keine unmittelbare <Gewissheit>. An Stelle jener >unmittelbaren Gewissheit> , an welche das Volk im gegebenen Falle glauben mag, bekommt dergestalt der Philosoph
eine Reihe von Fragen der Metaphysik in die Hand, recht eigentliche Gewissensfragen des Intellekts , welche heissen: <
Woher nehme ich den Begriff Denken? Warum glaube ich an Ursache und Wirkung?
Was gibt mir das Recht , von einem Ich, und gar von einem Ich als Ursache, und endlich noch von einem Ich als Gedanken-Ursache zu reden?> Wer sich mit der Berufung auf eine Art
Intuition der Erkenntnis getraut, jene
metaphysischen Fragen, sofort zu beantworten, wie es der tut, welcher sagt: <ich denke, und weis, dass dies wenigstens wahr, wirklich , gewiss ist> der wird bei einem Philosophen heute ein Lächeln und zwei Fragezeichen bereit finden. <Mein Herr, wird der Philosoph vielleicht ihm zu verstehen geben, es ist unwahrscheinlich, dass Sie sich nicht irren: aber warum durchaus Wahrheit?> "
Nun ich glaube , ein Teil deiner Fragen wird sich beantworten , wenn du diesen Aphorismus nochmal in Ruhe nachliest. Auch die Rede vom "
ich will" (der "Aberglaube Schopenhauer's" wie es Nietzsche es nennt) ist wie die Rede vom "
ich denke" ein
Fiktion. Das "Ich" ist gerade nicht
die Ursache des Willens oder des Denkens für Nietzsche. Nietzsche konnte aber bei seinem Denken noch nicht die Ergebnisse der modernen Hirnforschung berücksichtigen (kannte aber zum Teil die Naturwissenschaften seiner Zeit, wie die Physiologie).
Ich glaube , dass Nietzsche schon der "Wahrheit" mit seinen Reflexionen über das "Denken" nahe gekommen ist und durchaus eine richtige Vorstellung dabei entwickelte.
PS: Soweit ich mich erinnere, hält Nietzsche auch den "Willen" für eine Fiktion und also nicht nur das "Ich". Er äußert sich aber an anderen Stellen seines Werkes zum Begriff des Willens. Nietzsche spielt in dem Aphorismus auf
Descartes Diktum "Ich denke also bin ich" an und hinterfragt dies.
Soweit. Ich hoffe mal, dass ich damit erstmal weiterhelfen konnte und sich deine Fragen dabei klären,