WEIHNACHTEN AN DER FRONT
Leider war es kein schönes Weihnachtsfest, von dem ich dir berichten muss, aber wir hatten es recht gemütlich warm. Unsere Stellung liegt an einem Fluss. Mein Kumpel hat von der Divisionsküche etwas Schinken und Sülze mitgebracht. Sicher hat er es aus der Küche entwendet, denn schon Brot ist im Moment Mangelware.
Seit drei Monaten liegen wir hier. Uns geht es noch etwas besser als denen auf der andern Seite. Die andern haben viele Verluste und wer weiss, vielleicht sind wir auch bald an der Reihe. Eigentlich möchte ich gar nicht daran denken. Doch wenn man nichts anderes zu tun hat, als zu dösen… Ein komisches Gefühl umgibt mich, wenn ich an dich denke, meine liebe Maria, und an unsere kleine Luise.
Mit elf Kameraden feierte ich in einer noch einigermassen heilen Hütte. Es war nicht leicht, einige zu finden, die sich zum Geburtstagsfest des Christkindes zusammenfanden. Zu viele waren hoffnungslos, enttäuscht und zweifelten. Wer kam, war aber mit ganzem Herzen dabei. Da war eine seltsame Gemeinde versammelt!
Die jungen Männer blickten mich mit ihren grossen Augen und ihren ausgehungerten Gesichtern an. Nachdem ich ihnen die Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2,1-17 vorgelesen hatte, gab ich ihnen hartes, schwarzes Brot als Zeichen für das Abendmahl. Zum Abschied gaben wir uns die Hand und versprachen: Wenn wir lebend aus dem Krieg zurückkehren, wollen wir unsere Angehörigen aufsuchen und ihnen erzählen, wie wir diese Heilige Nacht gefeiert haben.
Wir werden gefasst in den Abend und die Nacht gehen, denn wir geben unser Leben in Gottes Hand zurück. Er allein weiss, wenn es soweit ist.
Liebe Maria, sei nicht böse, aber ich kann nicht auf Urlaub kommen. Weine nicht, aber ich muss es Dir jetzt sagen: Diese Post ist wohl der letzte Brief, weil hierher kein Flugzeug mehr kommt. Wenn ich Dich doch nur noch einmal sehen könnte! Wenn Ihr die Kerzen ansteckt, dann denkt an Euren Vater an der Front!
(Nacherzählung: Autor unbekannt)
Zum Vertiefen Psalm 116,1-18
Aus
https://www.weihnachtenist.ch