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Klitoris und Masturbation

Eisi

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18. April 2003
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122
Das derzeitige Christentum hat viele "Baustellen". Um einer zukünftigen Einheit der Christen Vorschub zu leisten, habe ich hier in diesem Forum bereits an anderer Stelle für eine gründliche Revision des christlichen Glaubensbekenntnisses, um der Würde und Liebe des Menschen willen, plädiert.
Aber anscheinend ist dieser Vorschlag, wie die Reaktionen zeigen, noch zu "abstrakt", um eine gemeinsame konstruktive Konzentration auf die Würde des Menschen in der Diskussion zu erzielen. Zu unterschiedlich sind wohl die ("Glaubens"-)Positionen.
Deshalb, nehme ich jetzt die Worte von Papst Johannes Paul II ernst: „Der Mensch in der vollen Wahrheit seiner Existenz, seines persönlichen und zugleich gemeinschaftsbezogenen und sozialen Seins … – dieser Mensch ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muß: er ist der erste und grundlegende Weg der Kirche, ein Weg der von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung führt. …
Da also der Mensch der Weg der Kirche ist, der Weg ihres täglichen Lebens und Erlebens, ihrer Aufgaben und Mühen, muß sich die Kirche unserer Zeit immer wieder neu die „Situation“ des Menschen bewußt machen.“
(aus REDEMPTOR HOMINIS 14)
"Da also der Mensch der Weg der Kirche ist", so will ich hier nun einen ganz konkreten, sehr menschlichen Bereich ansprechen, der zur tieferen Auseinandersetzung mit der Würde des Menschen (="Weg der Kirche" konkreter benannt) einladen soll und sich durchaus auch vernünftig bedenken läßt: SEXUALITÄT!

Dazu bedarf es vorab der Unterscheidung von SEX und SEXUALITÄT. Das was heutige (westliche) Gesellschaften in dieser Hinsicht so alles zeitigen und kommerziell in diesen Marktgesellschaften (medial) bis zum Anschlag ausbeutet wird, das hat weniger mit der SEXUALITÄT des Menschen, sondern viel mehr mit menschenunwürdigen SEX zu tun (vgl. SEX SELLS) - unter dem Feigenblatt "Freiheit" kommt es hinsichtlich verabsolutierenden SEX-Idealen zu einer bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklung, die zunehmend der Würde des Menschen widerspricht.
Vgl. z.B. Fernsehen: "Achtung: Kamera läuft! - Hose runter!" ... sogar an unseren Autobahnen stehen da inzwischen Schilder, die den "Raser" darauf hinweisen, dass er eben gar nicht "sexy" sei! - Ist dann das "Nicht-Rasen" etwa "sexy"? Ein Schild mit der eindeutigen Aussage: "Raser sind böse!" würde ich für weitaus angebrachter halten, denn: das Rasen auf unseren Straßen gefährdet Leben und solch mutwillige Gefährdung des eigenen wie anderen Lebens ist schlicht und einfach nur böse! ... was hat also Rasen auf unseren Autobahnen mit "sexy" zu tun? ... spricht also nur zu deutlich davon, wie deformiert bereits unser Denken in Bezug auf SEXUALITÄT schon ist!

Um einen deutlichen "Anreiz" hinsichtlich einer Diskussion um der Würde des Menschen willen zu geben, daher drei Sätze im Denken Jesu, also im Jesuanischen Imperativ formuliert:

Die Fortpflanzung ist um des Menschen willen da,
und nicht der Mensch um der Fortpflanzung willen!

Sexualität ist um des Menschen willen da,
und nicht der Mensch um der Sexualität willen!

Selbstbefriedigung ist um des Menschen willen da,
und nicht der Mensch um der Selbstbefriedigung willen!


Insbesondere sollte im Zusammenhang von Masturbation auch dasjenige Organ der Frau genauer betrachtet werden, das anscheinend ausschließlich dem "Lustempfinden" dient: die Klitoris (im Vergleich zum männlichen Penis, der unter anderem auch zur "Fortpflanzung" dient und ausreichend "erforscht" ist). Wenn wir also über SEXUALITÄT ernsthaft sprechen wollen, dann müssen wir auch auszusprechen lernen, was wir über die Masturbation heute alles wissen, denn sie ist Realität. "Wir müssen sagen, das ist zulässig, normal, schön, gut, wohltuend, angenehm, angemessen, einfach, exzellent, ehrbar, vorzüglich, nützlich, wertvoll, beglückend, häufig, gewöhnlich, verständlich. Das es ein Leben ist, sich selbst zu befriedigen, ob man ein Mann oder eine Frau ist – ich würde sagen vor allem, wenn man eine Frau ist."
(Philippe Brenot)​

Mit dem Anspruch SEXUALITÄT ganzheitlicher zu denken, sollte man daher auch mit Blick auf den so oft genannten "Orgasmus", also vom "höchsten der Gefühle", auf vier Ebenen anfangen zu sprechen (gemäß dem denk4-Modell und in Anlehnung an den Philosophen Patrice Maniglier):

der körperliche Orgasmus
(beim Mann meistens mit Ejakulation einhergehend,
bei der Frau ist der vaginale und der klitorale zu nennen)

der soziale Orgasmus
(ausgewöhnlich starkes Erleben von Gemeinschaft, tiefe Erfahrung des Auf- und Angenommenwerdens,
ausgeprägtes Solidaritäts-Erleben, das spontane "Gemeinsam-sind-wir-stark"-Empfinden in Extremsitutationen,
überwältigende positive Gruppen-Erfahrung,
die unmittelbare Erfahrung von "Menschheit",
um es mal in einem Wort von Immanuel Kant zu sagen, ...)

der intellektuelle Orgasmus
(eine "Entdeckung" machen, das Gefühl im Moment einer genialen "Erfindung",
eine "Erkenntnis" haben, der "Wahrheit" begegnen,
ein großes Projekt erfolgreich beendet haben, ...)

der spirituelle Orgasmus
(Mystisches Erleben, tiefe religiöse Erfahrung machen, Eins-mit-dem-All-sein,
Gotteserfahrung, Moment der Sinnfindung, Liebe erfahren und geben, ...)​

Das alles hat im weiteren Sinne etwas mit dem zu tun, was die SEXUALITÄT DES MENSCHEN ihrem tiefsten Wesen nach ist. Jede Religion thematisiert daher diese SEXUALITÄT DES MENSCHEN und produziert in diesem Zusammenhang auch Moral. SEXUALITÄT im ganzheitlichen Sinne steht daher auch unmittelbar und untrennbar zu dem äußerst komplexen menschlichen Schutzmechanismus: "Scham" (neben den drei anderen: "Schmerz", "Angst", "Ekel") in Verbindung.

Wie wir bereits von Papst Johannes Paul II gelesen haben, ist "also der Mensch der Weg der Kirche". Im Jesusanischen Imperativ formuliert, kann dies, unabhängig von einer Kirche, eigentlich auf jede Religion von heute übertragen werden. So kann von diesem heutigen Selbstverständnis einer jeden (christlichen) Religon ausgehend das folgende behauptet werden:

Religion ist um des Menschen willen da,
und nicht der Mensch um der Religon willen!​

Insbesondere mit Blick auf SEXUALITÄT ist daher über die Tabuthemen "Klitoris" und "Masturbation" für uns Christen, wenn auch im ersten Moment vielleicht etwas provokant, dennoch eine konkrete Möglichkeit gegeben, sich mit Vernunft dem zu nähern, was mit der "Würde des Menschen" angesprochen wird, die ja von der Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott erzählt und damit ganz zentral zum Inhalt unseres Glaubens gehört (mit Blick auf die notwendige Revision des christlichen Glaubensbekenntnisses).

Ich gehe nun davon aus, wer die SEXUALITÄT des Menschen wirklich ernst nimmt,
der nimmt auch den Menschen in seiner Ganzheit als Geschöpf Gottes ernst -
und somit auch den zukünftigen Weg der "katholischen Weltkirche"!

... neben der vielen Literatur, die es zu diesem Themenkomplex gibt, empfehle ich dem Interessierten (der "Aufklärung wegen")
unter anderem vor allem die folgenden fünf Film-Dokumentationen:
Heimliche Lust – Selbstbefriedigung (WDR 1996)
Aus Liebe zu mir – Die Masturbation (Ex Nihilo, ARTE, u.a. 2007)
Klitoris – Die schöne Unbekannte (ARTE 2003)
Der kleine Tod – Die weibliche Sexualiät (ARTE 2007)
Das höchste der Gefühle – Die männliche Sexualiät (ARTE 2007)

Link zum Thema aus philosophischer Sicht:
ARTE Thema

oder wer gleich mal seinen Wissenstand (oder vielleicht auch nur seine Vorurteile) zu seinem Thema überprüfen will:
Quiz zur Selbstbefriedigung :)

Von diesem "aufklärenden Hintergrund" ausgehend, nun meine provokante Frage an die Christen dieser Welt:

Kann richtig verstandene und verantwortungsvoll gelebte SEXUALITÄT "Sünde" sein?
Wie ist gerade in diesem Zusammenhang von SEXUALITÄT und Selbstbefriedigung das Wort der Bibel zu verstehen:
"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."

(Lev 19,18; vgl. auch Mt 19,19; Mt 22,39; Mk 12,31; Lk 10,27; Röm 13,9; Gal 5,14; Jak 2,8)


Prüfstein unseres gründlichen Nachdenkens über SEXUALITÄT
sollte die "Würde des Menschen" sein!
Warum?

Stellen wir hier einmal die folgende Arbeits-Definition auf:
All das ist "Sünde" und gehört damit zum "Bösen",
was der Würde des Menschen widerspricht!

Gruß Franz
 
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AW: Klitoris und Masturbation

Noch eine Ergänzung, die vielleicht mein Anliegen, mit Vernunft an das Thema heranzugehen verdeutlicht.
Es wird ja der Kirche unterstellt, dass sie zuerst die Selbstbefriedigung verurteilte. Nein, es waren Wissenschaftler, nämlich die sogenannten "Naturalisten". Die Bibelstelle dazu wurde erst im Nachhinein dazu gesucht und natürlich dann auch gefunden! - Wie schon so oft!
Hier ein Text, der die eigentliche Ursache aufzeigt, warum Selbstbefriedigung verurteilt wurde:

Masturbation, „die potentielle Vernichtung der Menschheit“?
"In der westlichen Welt datiert dieses Verbot (der Selbstbefriedigung) aus dem 18. Jahrhundert. Es erfolgte aufgrund einer Entdeckung der Naturalisten. (...) Der Holländer Leeuwenhoek entdeckte 1677 die Spermatozoten und man war sehr überrascht über diese Millionen mikroskopisch kleiner „Tierchen“. Da man dachte, die Spermatozoten brächten den ganzen Menschen hervor, fragten sich die Naturalisten: „Was ist mit diesen Millionen von Einzelwesen?“ Sehr schnell stellte man die Hypothese auf: „Was, wenn Adam, und damit auch wir, in unserem Ejakulat die gesamte Menschheit in uns trügen?“ Dann wäre das Vergeuden von Sperma eine Art Völkermord, sprich, die potentielle Vernichtung der Menschheit. Diese schreckliche Annahme der Naturalisten führte fast ein Jahrhundert später zu einer Hetzjagd, die wiederum fast zwei Jahrhunderte dauern sollte. Sie begann mit Tissot und dauerte, angeführt von den Ärzten und Geistlichen des Abendlandes, bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. " (Philippe Brenot)

Hier noch der Link zum aufschlussreichen Interview mit dem Philosophen Patrice Maniglier.
Vielleicht wird dann noch klarer, um was es bei SEXUALITÄT im Eigentlichen geht und wie diese ganzheitliche Sichtweise mit der Würde des Menschen in unmittelbarer Verbindung steht!


Gruß Franz
 
AW: Klitoris und Masturbation

Sehr schön.
Ausgezeichnet, Eisi.
Schade, dass die, die es angeht sicher nicht bis hier her finden werden. Sie werden derweil ihrer Hemmung in Pornographie und Krankheit Ausdruck verleihen, denn morgen, Sonntag müssen sie ja in der Kirche Leben wieder rationalisieren müssen. Montag auf Arbeit., Sie werden weiter versuchen, das Pendel an einer Seite anzuhalten...sich über die Wirkung eines Ungleichgewichtes den Kopf (gegenseitig) zerbrechen oder mit Nudelhölzern und Bierflaschen z-erschlagen. Und nie verstehen, was ein Pendel machen will.

Mein Lieblingslesetipp ist dazu Wilhelm Reichs „Die Funktion des Orgasmus“. Mit ausgezeichneten geschichtlichen Hintergrundinfos zur Entwicklung der modernen Psychologie. Und deren Aberglauben. Heute noch nicht verstanden.

Viele Grüße
Bernd
 
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AW: Klitoris und Masturbation

Mein Lieblingslesetipp ist dazu Wilhelm Reichs „Die Funktion des Orgasmus“. Mit ausgezeichneten geschichtlichen Hintergrundinfos zur Entwicklung der modernen Psychologie. Und deren Aberglauben. Heute noch nicht verstanden.

Viele Grüße
Bernd

Hallo Bernd!

Danke für den Buchtipp! :blume1:

Habe zum Thema Selbstbefriedigung in der Kunst und zur Geschichte der Masturbation noch anschauliches Material ins Internet gestellt.

Gruß Franz
 
AW: Klitoris und Masturbation

Liebe Teilnehmer und Leser dieses Threads!

Ich versuche das Anliegen meiner Fragestellung mal ausgehend von der körperlichen Merkwürdigkeit des "Blinddarms" zu erklären:
Welchen Sinn hat der "Blinddarm"?
Beim "Blindarm" würde ich von einem "funktionalen Sinn" sprechen, den dieser im Laufe der Evolution des Menschen einmal wahrgenommen und vielleicht immer noch in bestimmten Teilen dieser Welt wahrnimmt. Bei den Brustwarzen des Mannes wird es sich wohl so ähnlich verhalten.

Das medizinische Denken, das den "funktionalen Sinn" im Bereich des Körpers definiert, das könnte man jetzt auch versuchen auf die Klitoris anzuwenden. Ein Arzt, der diese Klitoris so betrachtet, wird schnell feststellen müssen, dass dieses Organ für den SEX (=Fortpflanzung, "Gene weitergeben", ...) nicht von nöten ist. So gesehen braucht Frau dieses Organ nicht, genauso wenig wie der Mann die Vorhaut dazu braucht. Das Ritual der "Beschneidung" weist wohl noch auf solch ein "Fortpflanzungs-Denken" hin.

In der (christlich-)westlichen Welt haben die Menschen dagegen gelernt (vor allem in den letzten Jahrzehnten), dass die "Lust", das Genießen des eigenen Körpers, wichtiger sei als die "Fortpflanzung", wichtiger als Familie und Kinder. Der "Individualismus" schreibt uns diese persönliche (sexuelle) Freiheit vor! Von daher ist für individualistisch orientierte Kulturen diese (sexuelle) "Freiheit" so wichtig, wie für kommunistisch orientierte Kulturen die (familiäre) "Ehre" wichtig ist. Mit aller (technischen) Macht verteidigt daher ein verabsolutierter Individualismus die schwer errungene persönliche sexuelle Freiheit: Verhütungsmethoden, Pille, Abtreibung, ... usw. bis hin zu Viagra. Die individualistisch orientierte Gesellschaft nimmt sogar die massiven Auswirkungen in Kauf, die eine sinkende Geburtenrate und eine Überalterung der Gesellschaft mit sich bringt. All diese Entwicklungen sprechen Bände von unser unreflektierten "Genußsucht". "Genußsucht" ist aber das Gegenteil von "Freiheit", ist "Sucht" - nämlich der unstillbare Zwang, die Befriedigung um der Befriedigung willen zu betreiben!

Wenn der Mensch soweit degeneriert, dass seine ganze SEXUALITÄT zu "sinnlosem SEX" verkommt, wenn er also nur mehr im Stande ist, primitive Fortpflanzungsmechanismen nachzuahmen um sich im "Lustgewinn" zu verlieren, dann hat dies weniger mit "Lust" im eigentlichen Sinne zu tun, also mit dem "sinnvollen Genießen" des eigenen Körpers, sondern viel mehr mit bloßer "Trieb-Befriedigung", so wie man halt auch andere körperliche Bedürfnisse zu befriedigen hat. Wenn der Mensch das "Genießen" zur tierischen Befriedigung verkommen läßt, dann verliert er seine Freiheit und erliegt schließlich seinen körperlichen Zwängen.
Verlernt der Mensch das "Genießen in Freiheit", dann wird er früher oder später selbst "ungenießbar". Das einzige, was er der nächsten Generationen auf Grund seiner unverantwortlichen gesellschaftlichen Doktorspiele hinterlässt, ist nur ein riesengroßer Berg an Problemen.

So liegt letztendlich an jeden von uns, ob wir uns durch "Klitoris" und "Masturbation" zu 24 Stunden "Bedürfnisbefriedigung" verleiten lassen oder ob wir nicht aus vernünftigen Gründen doch endlich damit anfangen, uns selbst in unserer Würde ernst zu nehmen (... sogar die Tiere nehmen sich selbst ernster als wir Menschen uns selbst, denn in der Tierwelt wird ja wenigstens noch die Verbreitung der eigenen Gene tierisch ernst genommen!)
Wir sollten also von unserer Würde ausgehend, unsere Sexualität versuchen in Ganzheitlichkeit zu entfalten und gestalten (z.B. Erziehung), damit wir in unserer Gesellschaft wieder lernen unser Menschsein in allen Dimensionen zu genießen! Sich selbst genießen zu können ist die Grundlage dafür, auch andere Menschen genießen zu können.

Wenn wir aber alle miteinander nur mehr lernen, wie wir uns möglichst schnell befriedigen können (Konsumgesellschaft, ..., Marktgesellschaft) und unsere ganze Kreativität und Arbeitskraft dahingehend verschwenden, dann werden wir uns zunehmend mit anderen Menschen schwerer tun (Entsolidarisierung) und in einer Kultur des Mißtrauens (ausufernder Bürokratismus, Kontrolle und Sicherheit um jeden Preis, ...) untergehen. Denn welcher Mensch, der sich in seiner Würde ernst nimmt, degradiert sich denn schon freiwillig zum bloßen Objekt der Bedürfnisbefriedigung von anderen?

Von daher sollte die Klitoris der Frau nicht hinsichtlich der Funktion von "Bedürfnisbefriedigung" definiert werden, sondern ihr sollte das zugesprochen werden, was "Sinn macht":
Die Klitoris ist das Zentrum unserer Lust,
von der das Genießen unserer "Menschheit" ausgeht.

Das ist der Sinn, den wir Menschen von heute der "Klitoris" geben sollten, damit wir begreifen, was uns die Masturbation lehrt:
Männer und Frauen brauchen einander, um erfüllte Sexualität zu leben.
Es geht nicht um die Freiheit der Bedürfnisbefriedigung,
sondern es geht um die Freiheit des sich selbst und einander Genießens!



Wir brauchen also keine Weisheit der Unabhängigkeit
(= Bedürfnisbefriedigung),
sondern eine Weisheit der Beziehungen
(= Liebe, die aus dem freien Genuss des wahren Lebens hervorgeht)!

Gruß Franz


PS: Da ich aber gesehen habe, dass ich mit der Threadüberschrift "Klitoris und Masturbation" bei so manchem das Schamgefühl, wenn nicht sogar religiöse Gefühle verletzt habe, möchte ich mich hier bei all denjenigen, wo dies der Fall ist, um Entschuldigung bitten und werde von daher diesen Thread wohl am besten schließen.
 
Genießen statt Befriedigen

Auch wenn es so scheint, dass ich hier noch Alleinunterhalter bin, so möchte ich dennoch alle Leserinnen und Leser dieses Threads dazu einladen, sich mit dieser Philosophie der Masturbation die uns früher oder später auch zu dem führt, was wir versuchen mit "Religion" zu benennen (also "religio" ="ich binde zurück"), vernünftig auseinanderzusetzten. Nicht von ungefähr wird "Scham"-Gefühl auch meist im Zusammenhang mit Religion gebracht ... und das auf den ersten Eindruck "Anstößige" dieses Themas verweist uns vielleicht auch darauf hin.

Die "Klitoris" ist nicht nur sehr interessant für die Frau, sondern sollte gerade auch für den nachdenkenden Mann von Interesse sein! Jeder wirkliche "Mann", wird es durchaus zu schätzen wissen (und damit auch die "Frau"), wenn er seine "Frau" dort abzuholen vermag, wo dann beide in Lust miteinander verschmelzen (und hoffentlich auch in LIEBE - eigentlich geht es ja gar nicht anders) und ihre "Vereinigung genießen" und sich eben nicht nur geseitig mal schnell wieder Befriedigung verschafft haben (vgl. Quicki!). Zur Befriedigung braucht man vielleicht VIAGRA, zum Genießen von Vereinigung führt uns dagegen richtig gelebte SEXUALITÄT. Von daher mein Plädoyer:
SEXUALITÄT statt VIAGRA!

Das alles vermag uns eine Philosophie der Masturbation lehren!
... diesen Hintergrund meinte ich übrigens auch mit:
"Die Klitoris ist das Zentrum unserer Lust"! (und das "unserer", also sowohl "Frau" als auch "Mann" war von daher ganz bewußt gewählt)
... und diese Erkenntnis und hoffentlich auch Erfahrung ist ein Ausgangspunkt für den nächsten Schritt der Menschwerdung:
"... das Genießen unserer Menschheit"! (vgl. dazu auch den Begriff von "Menschheit" bei I. Kant) -
und spätestens dann wären wir wieder bei der sogenannten "Religion"
... und Weihnachten hat nicht ohne (tieferen) Grund so viel mit "Familie", "Geburt", "Kind in der Krippe" und letzten Endes ganz zentral mit "Menschwerdung" zu tun! Aber wenn dieser tiefere Grund nicht mehr verstanden wird, dann endet es im "Konsumrausch", also der großen "Selbstbefriedigung" unserer Zeit. In der Weihnachtszeit strebt daher, die sich schon über das ganze Jahr mit aufwendiger Selbstbefriedigung beschäftigte Gesellschaft, denn endlich ihrem lang vorbereiteten gesellschaftlichen Orgasmus entgegen ... und das Ganze zwanghaft alle Jahre wieder!. Dieses zwanghafte selbstbefriedigende Denken und Gestalten von gesellschaftlichen Leben macht uns Menschen langsam aber sicher kaputt macht und verhindert zunehmend wahre "Menschwerdung", die ja letzen Endes nur aus der LIEBE zum anderen Menschen hervorgehen kann.
Eine Gesellschaft vermag durchaus auch das Leben miteinander zu gestalten indem sie sich an einer "Weisheit der Beziehungen" orientiert - denn die ausschließliche Orientierung an einer "Weisheit der Unabhängigkeit" führt uns, das sollten wir uns inzwischen eingestehen, uns alle miteinander, nicht nur in die "Einsamkeit", sondern sogar in den sicheren Abgrund!

... nun sind daraus sogar ein paar Gedanken zum Advent geworden! :zauberer2

Übrigens: Irgendjemand hat eine der Dokumentationen zur Masturbation, die ich weiter oben empfohlen habe ins Internet gestellt.
Also zieht euch am besten die mal rein oder runter! Dann wächst vielleicht auch das gegenseitige Verständnis für meine Fragestellung und euer Interesse hier in diesem Thread mitzureden.

Gruß Franz
 
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AW: Klitoris und Masturbation

Na wunderbar! Etwas tiefer in diesem Unterforum heisst das Thema: "Seit Karfreitag nicht mehr mit dem Mund geklöppelt!"

Es eröffnen sich doch ganz neue, unerahnte Perspektiven im Bereich des Religion und des Glaubens, es führen so zu sagen ganz neue Wege zum Spirituellen - ich werde mich mal damit auseinandersetzen und mich für einen dieser Klöppelwege entscheiden.

Ist auch etwas in der zweiten Enzyklika von Papst Benedikt XVI enthalten die sich da nennt: "Über die christliche Hoffnungund (Spe Salvi)" in der u.a. zu lesen ist: "Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos" - also schreibt er da auch etwas zu obigen Themen?

Und wenn ich trotzdem nicht hoffnungslos bin, was schließt die Kirche daraus? Und wenn ich kein Interesse verspühre mich mit Klitoris und Masturbation zu befaßen, bin ich auch ein verlorener Fall?

Ich kann nur heftig bei einigen der Themen dieses Unterforums den Kopf schütteln. Und mich fragen, was und mit wem da etwas nicht stimmt...

M.
 
AW: Klitoris und Masturbation

"Wir müssen sagen, das ist zulässig, normal, schön, gut, wohltuend, angenehm, angemessen, einfach, exzellent, ehrbar, vorzüglich, nützlich, wertvoll, beglückend, häufig, gewöhnlich, verständlich. Das es ein Leben ist, sich selbst zu befriedigen, ob man ein Mann oder eine Frau ist – ich würde sagen vor allem, wenn man eine Frau ist." (Philippe Brenot)

Mit dem Anspruch SEXUALITÄT ganzheitlicher zu denken, sollte man daher auch mit Blick auf den so oft genannten "Orgasmus", also vom "höchsten der Gefühle", auf vier Ebenen anfangen zu sprechen (gemäß dem denk4-Modell und in Anlehnung an den Philosophen Patrice Maniglier):

der körperliche Orgasmus
(beim Mann meistens mit Ejakulation einhergehend,
bei der Frau ist der vaginale und der klitorale zu nennen)​

der soziale Orgasmus
(ausgewöhnlich starkes Erleben von Gemeinschaft, tiefe Erfahrung des Auf- und Angenommenwerdens,
ausgeprägtes Solidaritäts-Erleben, das spontane "Gemeinsam-sind-wir-stark"-Empfinden in Extremsitutationen,
überwältigende positive Gruppen-Erfahrung,
die unmittelbare Erfahrung von "Menschheit",
um es mal in einem Wort von Immanuel Kant zu sagen, ...)​

der intellektuelle Orgasmus
(eine "Entdeckung" machen, das Gefühl im Moment einer genialen "Erfindung",
eine "Erkenntnis" haben, der "Wahrheit" begegnen,
ein großes Projekt erfolgreich beendet haben, ...)​

der spirituelle Orgasmus
(Mystisches Erleben, tiefe religiöse Erfahrung machen, Eins-mit-dem-All-sein,​

Gotteserfahrung, Moment der Sinnfindung, Liebe erfahren und geben, ...)

Hallo Franz​


Kompliment für deinen hervorragenden Beitrag. Ich bin zwar kein Christ, aber sehr an dem Thema interessiert. Und deshalb kommt auch schon meine erste Frage. Wenn man sich so wie du, so sehr mit Philosophie befasst, wenn man also die Dinge des Lebens mit philosophischer Gründlichkeit zu erfassen versucht, warum verlässt man sich dann in der Frage nach Gott auf den Glauben? Das finde ich doch sehr inkonsequent. Ich erlebe es immer wieder, wie Menschen sich in Fragen der Religion oder Esoterik auf ihren Glauben stützen. Glauben kann der Mensch alles möglich. Deshalb hat der Glaube in meinen Augen nicht besonders viel Aussagekraft. Warum bemisst man die Frage nach Gott nicht auch mit philosophischen Kriterien? Das fände ich ehrlich gesagt viel vernünftiger. Und wenn ich mir die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, im Rahmen der Philosophie stelle, so kann man eigentlich nur zu der Überzeugung gelangen, dass der Mensch nicht in der Lage ist, zu wissen, ob es einen Gott gibt oder nicht. Und aus diesen Gründen denke ich, hat die religiöse Überzeugung, dass es einen Gott gibt, psychologische Motive. Man müsste sich also die Frage stellen, warum der betreffende Mensch an Gott glaubt. Und wenn sogar ein philosophisch bewanderter Mensch an Gott glaubt, dann kommt mir das ehrlich gesagt, etwas merkwürdig vor.​

Aber nun zum Thema Sexualität. Mir gefällt die Aufteilung des Denk4Modells von Patrice Maniglier nicht so gut. Vor allem gefällt mir nicht, dass Maniglier keine Wertung dieses Modells vornimmt, dass er gewissermaßen alle vier Orgasmusmodelle als gleichwertig nebeneinander stellt. Für mich existieren eigentlich nur zwei Formen des Orgasmus', auf der einen Seite der körperliche Orgasmus und auf der anderen Seite der spirituelle Orgasmus. Den sozialen und der intellektuellen Orgasmus betrachte ich eigentlich nur als Unterformen des spirituellen Orgasmus. Ich könnte mir sogar noch weitere Formen des Orgasmusses vorstellen, wie etwa den künstlerischen Orgasmus. Aber auch den würde ich als eine Unterform des spirituellen Orgasmus betrachten.​

Jetzt möchte ich gerne noch etwas über die Wertigkeit der verschiedenen Orgasmusse sagen. Ich betrachte sie keineswegs als gleichwertig, denn sonst könnte der Mensch sich stets auf der Ebene des körperlichen Orgasmus bewegen, was die große Mehrheit der Menschen auch macht. Ich betrachte es als das Lebensziel des Menschen, die sexuelle Energie, die für alle Formen des Orgasmusses verantwortlich ist, so zu sublimieren, dass der Mensch sich von der Ebene des körperlichen Orgasmus auf die Ebene des spirituellen Orgasmus erhebt. Ich denke, dies ist eine der wichtigsten Aussagen vieler Religionen und Philosophien (Buddhismus), die leider bei manchen Religionen verloren ging, wie z.B. in der evangelischen Theologie.​

Schaut man sich in der Bibel etwas genauer um, so findet man, dass Jesus ebenso enthaltsam lebte wie Buddha. Das Ziel dieser Enthaltsamkeit (Zölibat) ist die Transformation der sexuellen Energie in die spirituelle Energie. Diese Transformation hat sowohl die christlichen Heiligen, wie auch die Heiligen des Sufismus, des Zen, des Buddhismus, des Hinduismus und die Erleuchteten Yogis hervorgebracht. Aber diese Transformation ist keineswegs ein religiöser Vorgang, selbst wenn das Gebet als kontemplatives Moment in der christlichen und hinduistischen Religion dabei eine wichtige Rolle spielt, sondern es ist ein physiologischer Vorgang, der für diese Transformation verantwortlich ist.​
 
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Noch eine Ergänzung, die vielleicht mein Anliegen, mit Vernunft an das Thema heranzugehen verdeutlicht.
Es wird ja der Kirche unterstellt, dass sie zuerst die Selbstbefriedigung verurteilte. Nein, es waren Wissenschaftler, nämlich die sogenannten "Naturalisten". Die Bibelstelle dazu wurde erst im Nachhinein dazu gesucht und natürlich dann auch gefunden! - Wie schon so oft!

Was die Naturalisten dazu sagten, ist mir eigentlich egal. Auch wenn sie einen falschen Grund angaben, so waren sie mit der Empfehlung, sich der Onanie zu enthalten, doch im Recht. Jede Onanie raubt dem Menschen, ebenso wie der Geschlechtsverkehr, eine Menge sexueller Energie. Anzunehmen, die sinnliche Begierde würde uns durch die Natur in den Schoß gelegt, entspricht leider nicht der Wahrheit. Die sinnliche Begierde entsteht meist bereits in der Kindheit (87 % aller Jungen masturbieren bereits lange vor der Pubertät) durch unser sexuelles Verhalten. Dieses Verhalten bleibt auf physiologischer Ebene nicht ohne Folgen, denn es erweckt im Menschen ein unstillbares Verlangen nach immer neuen sexuellen Höhepunkten. Diese Gier hält bei den meisten Menschen bis an ihr Lebensende an. Dass diese Gier uns aber nicht von der Natur in die Wiege gelegt wurde, erkennt man daran, dass selbstverwirklichte Menschen (Heilige und Erleuchtete) kein Verlangen nach sinnlichen Begierden haben. Wäre dieses Verlangen natürlich, so müssten sie es ebenso empfunden. Aber die Selbstverwirklichten haben dieses Verlangen sublimiert, sie sind darüber hinausgewachsen. Es waren in der Vergangenheit übrigens meist enthaltsam lebende Mönche, Priester, Nonnen und Yogis, die dieses Ziel erreichten.

Darum betrachte ich die Selbstbefriedigung keineswegs als etwas Positives. Es ist ein Handeln, welches die niederen menschlichen Triebe befriedigt. Sollte es nicht das Höchste aller menschlichen Ziele sein, sich selbst zu verwirklichen? Dazu ist aber unbedibgt das Zölibat (Brahmacharya) erforderlich. Und zwar kein Zölibat, welches durch die Religion auferlegt wurde, sondern eines, welches freiwillig und aus Einsicht geschieht, denn nur die sexuelle Energie kann uns diesen spirituellen Aufstieg ermöglichen. Welche Bedeutung das Brahmacharya (das Zölibat) in der yogischen Tradition hat, kann man den Worten Swami Sivanandas entnehmen:

Brahmacharya bringt sozialen Aufstieg und gesundheitliche Verbesserungen. Es ist die Grundlage für ein moralisches Leben. Es ist die Grundlage für ein langes und gesundes Leben. Es ist eine Frühlingsblume, die Unsterblichkeit von ihren Blütenblättern ausströmt. Es ist die Basis für ein Leben in Frieden. Es ist der feste Rückhalt für Brahmanishtha (Gotteskenner), der begeistert von Weisen und Yogaschülern ersehnt wird. Brahmacharya ist das Schild für einen Kampf gegen die Sinneslust, den Zorn und die Geldgier. Es dient als Tor zum Glück. Es öffnet die Tür zur Befreiung. Es führt zur beständigen Freude, zum ununterbrochenen und reinen Glück. Sogar Rishis (Weise) und Devas (Halbgötter) dienen zu Füßen des Brahmachari. Sogar Isvara, der Gott des Raja Yoga, trägt auf seine Stirn den Staub der Füße eines Brahmachari. Brahmacharya ist der einzige Schlüssel, zum öffnen der Sushumna, des Hauptenergiekanals im Rückenmark, um die Kundalini zu wecken. Brahmachari bringt Glorie, Ruhm, Tugend und göttlichen Segen. Wer kann die Großherzigkeit, das Majestätische und die Glorie eines verwirklichten Brahmachari beschreiben!

Quelle: Die Praxis des Brahmacharya
 
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Mein Lieblingslesetipp ist dazu Wilhelm Reichs „Die Funktion des Orgasmus“. Mit ausgezeichneten geschichtlichen Hintergrundinfos zur Entwicklung der modernen Psychologie.

Mir ist das Buch von Wilhelm Reich bekannt. Wilhelm Reich hatte nur einen Nachteil, er verstand nichts von sexueller Transformation (Sublimation) und von spirituellen Fortschritten. Er war der Meinung, dass man die Seligkeit nur finden könne, wenn man sich ganz und ohne Angst der Sexualität hingeben könne. Das aber ist ein Irrtum. Jeder Orgasmus ist ein bedeutender Energieverlust, der den Menschen erheblich schwächt und ihm genau die Energie raubt, die er benötigt, um diese Seligkeit zu erlangen. Mit anderen Worten, der Orgasmus ist von der Natur zur Zeugung bestimmt und zu keinem anderen Zweck, schon gar nicht dazu, um seine niederen Triebe immer und immer wieder zu befriedigen. Der Mensch ist zum Sklave seiner Sexualität geworden, weil er den Zugang zu seiner inneren Berufung verloren hat. Diesen Verlust versucht er durch exessive Sexualität zu kompensieren. Dies aber bezahlt er mit endlosen Leid. Es gleicht einem Absturz in die Niederungen der Wollust.
 
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