Hartmut schrieb:
(...) ich glaube, dass Du hier die Dinge verdrehst. 2000 Jahre lang mussten sich Atheisten für ihre Weltanschauung rechtfertigen, und nicht selten endeten sie auf dem Scheiterhaufen!
Das ist die historische Wahrheit, die nicht vergessen werden sollte.
Keineswegs, Hartmut, keineswegs. Auch die Hexen, die Alchemisten, die Atheisten, und all die Ungläubigen haben nach meiner Ansicht einen Glauben, der von der herrschenden Meinung abweichen mag und dennoch ein Glaube ist. Der Gottesbegriff ist für den einen die Faszination des Universums, für andere die Sonne oder die Katze, die einen sehen sich selbst als Gott und die anderen stellen sich einen alten Mann darunter vor. Wieder andere sehen eine Partei als ihren Glauben und so mancher Teenager fiel beim Anblick der Beatles in Ohnmacht. Ich denke, dass es keinen Menschen gibt, der nicht an etwas glaubt.
Die Frage ist nur, wie viel Toleranz da entgegen gebracht wird und ob andere sich die Mühe machen, wenigstens den Menschen zu verstehen, der diese andere Ansicht, dieses andere Weltverständnis oder diesen anderen Glauben hat. Denn, erst wenn man versteht, was den anderen antreibt, erst dann kann ich auch seine Worte beginnen zu verstehen.
Ja, Religion ist etwas Gutes, denn es treibt die Menschen an, gibt ihnen einen Anhaltspunkt, wo der Sinn zu finden sein kann. Doch die Religion ist, wie alles andere auch, in ihrer Wirkung nicht nur positiv und kann durchaus zu extremen und negativen Handlungen führen. Doch das ist kein Problem der Religion (nota bene: nicht Kirche) sondern das Problem des Menschen.
Wenn millionen Menschen im Namen der katholischen Kirche abgemetzelt wurden, dann ist das nichts anderes als andere Verbrechen gegen die Menschheit und doch in keiner Weise auf die Religion zurück zu führen, denn die Religion verbietet jegliche Tötung. Man darf gute Ideen nicht deshalb diskreditieren, nur weil Menschen sie nicht verstehen oder falsch interpretieren oder ganz einfach zu schwach sind, um sie zu leben.
Doch Menschen benötigen einen Halt im Leben, einen Grund und einen Sinn. Dies bietet die Wissenschaft in ihrer kühlen Analyse nicht und so wird unser Claus auch hier letztlich keinen Seelenfrieden finden. Die Religion hat hier den gleichen Platz wie die Philosophie, die Künste oder den Einfluss denkender Menschen. Religion ist der menschliche Ansatz, um die Sinnfrage zu beantworten und nicht, um die Welt zu verändern.
Das Problem ist, dass so viele dies nicht sehen, es missachten, andere Ziele haben und sich eigentlich nicht mit der Sinnfrage beschäftigen, sondern mit sehr menschlichen Interessen wie Macht, Einfluss, Reichtum oder anderes.
Wer in sich geht wird unschwer seinen Drang erkennen, Antworten zu erhalten. Dieser Drang ist letztlich nichts anderes als das Tor zur Religion oder, wenn es besser klingen sollte, zum Verständnis der Schöpfung. So habe jedes Tierchen sein Pläsierchen, doch soll es dies auch haben und die freie Entfaltung der Persönlichkeit hängt maßgeblich von der Sinnfrage ab und nicht von der Chemie oder Physik.
Wie dies vom einzelnen verfolgt wird und wie jemand vom Zweibeiner zum Menschen mutiert, das ist individuelle Angelegenheit. Unreflektierte Ablehnung der einzelnen Wege ist Rechthaberei, Arroganz und Unsicherheit zugleich, denn der Atheist kann seinen Standpunkt genau so wenig beweisen, wie der Gläubige Christ. Den Atheismus oder den Glauben an Gott als dumm zu verwerfen ist daher nichts anderes als Ignoranz und Aggression gegenüber anderen.