Was ich feststelle, mir scheint, dass niemand der Antwortenden ein Nahtoderlebnis hatte. Mir scheint es wichtig, dass ein Nahtoderlebnis sicher etwas anderes ist, als ein behauptetes Erleben nach Eintritt eines Todes nebst Wiedererwachen, so dieses möglich wäre.
Leider, oder zum Glück, hatte ich zwei mal das Vergnügen eines Nahtoderlebnisses. Vor einigen Jahren unterhielt ich mich einer Heilerin, einer Deutschen, Maklerin, älter und mit viel Lebenserfahrung und vielen Ausbildungen in Indien gesegnet. Brachte mir nebenbei, das Rezitieren von Mantras und anderes bei. Sie meinte, nach der Schilderung meiner beiden Erlebnisse lapidar: Sie waren also schon drüben ...
Beim ersten Erleben war ich 16, der Schulbus erfasste an der Behelfshaltestelle meinen Tasche und zog mich mit sich, ich fiel nach unten. Dann geschah etwas, dass ich heute als "Eigenzeitbeschleunigung" bezeichne. Während des Fallens wusste ich, ich gerate unter das Rad. Ich sterbe. Nur feststellend. Keine Angst. Und sah mit eigenen Augen den oft zitierten "Film des Lebens". Ewig dauernd, immer noch abrufbar, mich manchmal weinend machend. Dann, ewige Zeiten(wahrscheinlich eine halbe Sekunde) später, fand ich mich zwischen den Beinen der anderen Fahrgäste wieder. Der Bus war nur über den Fuß gefahren (mein Physiklehrer erklärte mir später, dass maximal 1,8 Tonnen für kurze Zeit wirkten, von den Sohlen meiner Schnürstiefel verteilt, nur geringen körperlichen Schaden verursachten. Damals, anfangs der Siebziger, interessierte der Unfall weder meine Mitwartenden noch den Fahrer! Schaffte es in die Schule, hatte meine Sprache verloren und kommunizierte per Zettel ... und wurde allein zum Orthopäden geschickt. Einen Tag später kam aber meine Sprache zurück, das Erleben und mein unvorstellbares Glück ließen mich das Erlebte im Nachhinein eher als Privileg begreifen.
Das zweite Mal war 2011, beim Oralchirurgen kollabierte ich langsam während eines operativen Eingriffs. Auf dem Zeigefinger hatte ich einen Sensor, der meinen Puls mit stoischer Regelmäßigkeit durch Piepen kundtat. Irgendwann spürte ich kalten Schweiß auf meinen nackten Armen. Die Stimmen des Arztes und seiner Mitarbeiterin vernahm ich irgendwie immer entfernter. Eine unbeschreibliche Ruhe erfasste mich, eine Art freudiger Erwartung, ein tiefer innerer Frieden. Dass etwas anders war als zu erwarten nahm ich am Rande wahr. Plötzlich ein lauter Schrei: Atropin!!!! Unverständliche Lautwahrnehmungen, irgendwie wurde meine Ruhe gestört, ein gewisse Angst erfüllte mich. Später, nach der Injektion und des Wiederanspringens meines Kreislaufs erklärte mir der Arzt, dass mein Herz zum Schluss nur noch 4 Mal in der Minute schlug. Selbst für mich kaum nachvollziehbar. Mein Glück war wohl, dass der Arzt auf solche Komplikationen durch seine Ausbildung vorbereitet war. Und die Lage mit Atropin richtig behandelte. In solchen Situationen, manchmal zu lesen, versagen weniger geschulte Ärzte oft, ihre Patienten versterben dann halt tragisch ...
Aus diesem Erlebnis habe ich für mich einen Schluss gezogen: Auch mitten im Leben stehend, kann der nahende Tod etwas zufriedenstellendes, glücklich machendes sein. Irritiert mich zwar, tröstet jedoch auch.
Doch das Thema geht ja um das diametrale Gefühl: die Angst im nahenden Tod keine Alternative zum Leben zu sehen sondern ein drohendes Leid in Hieronymus Bosch´schen Dimensionen.
Die Ursache sehe ich nicht transzendent begründbar sondern in der Konditionierung durch angstbasierte (religiöse?)Erziehung oder Konditionierung wie sie nicht nur im Mittelalter gang und gäbe war. Das negative Durchleben eines Nahtodes einfach auf Drogen zurückzuführen, scheint mir zu einfach. Dazu sollten wir vielleicht mal Ben Becker fragen, der wurde ja nachweislich nach Herzstillstand durch Kokainüberdosierung wiederbelebt.
Ich habe anscheinend nichts ausgelassen, manchmal unfreiwillig. Viel über die Wirkung von LSD durch Freunde gehört, wäre es für mich als Twen nicht infrage gekommen. Bis mir ein Freund einen Trip in´s Mineralwasser getan hat. War mit der damaligen, neuen Freundin ein geiler Abend mit Kino und Disco. Die intensiven Farben des Films "Buster and Billy", unvergesslich. Auf der Heimfahrt sah ich beim Blick in den Spiegel meine riesigen Pupillen. Da war alles klar, keine Angst, super Erlebnis. Man wusste, dem einen oder anderen drohte halt der Horror, der Flug aus dem Fenster im 5. Stock und ähnliches.
Legte mich zuhause (als Student wohnte ich da gerade mal wieder bei den Eltern) ins Bett und schlief glücklich ein.
Später: Jemand rief meinen Namen, verzerrt, laut, wie bei einem Kasperletheater, metallisch unterlegt ... UNMÖGLICH, nachts um 3. Die Angst vor einem Horror, SOFORT präsent. Unbeschreiblich, die Sorge die Kontrolle über das Selbst zu verlieren, verrückt zu werden.
Was war´s? Hatte das Licht im Flur angelassen und meine Mutter rief nach mir ... Was ein Scheiß-Film bis zum nächsten Morgen. Notarzt angerufen ("sagen Sie mir erstmal ihren Namen ...) sofort aufgelegt. Er hätte nur sagen müssen: Essen Sie viel Zucker, trinken viel. Also saß ich anschließend angsterfüllt 6 Stunden vor dem Wohnzimmerfenster und sah fern, im Fenster. War mein erster und letzter Trip. Komplettes Erleben nenn ich das. Wenigstens kann ich mitreden. Nur, glaube nicht, dass ein Horrortrip kongruent einem Nahtod sein kann. Entweder springst Du aus dem Fenster, dann wirst Du den Flug bis zum Aufprall genießen oder "Du kommst nicht mehr runter", dann lebst Du sowieso in einer für uns fremden Welt (das war mein negativ-Beispiel, ein Querflötespieler der nur noch dieses Instrument spielte, ansonsten ein Pflegefall war), in der Leben und Tod keine Rolle mehr spielen. Der Horror beim LSD-Trip scheint aber sehr selten zu sein. Hätte meine Mutter damals nicht ein logisches Dilemma in mir ausgelöst, ich könnte möglicherweise noch viele schöne Trips geworfen haben ... Wie die eine oder andere Droge oder gewisse Medikamente, werden manchmal einfach psychische Determinationen aufgedeckt
. Die ansonsten in unserem Unter-und Unbewusstsein kontrolliert schlummern. Depressionen gehören ja auch dazu.