Robin schrieb:Übersehen wird scheinbar oft, dass es nur ein Vertrag ist. Ich war auf einer Diskussionsveranstaltung und muss sagen, dass die Kritik des Attac-Vertreters ziemlich unüberzeugend war...leider habe ich den Punkt vergessen, wo er wirklich mal Recht hatte Aber ja: Man kann ihn verbessern (wie wärs mit: dünner machen...?)
Genau. Ein vorläufiges Endergebnis. Ein Vertrag mit Elementen einer Verfassung.
Aus Versehen landete ich zuerst bei den Religionen und las das Laotse Zitat:
'Willst du etwas schmaler machen, musst du es vorher sich ausweiten lassen. Willst du etwas loswerden, musst du es vorher aufblühen lassen...'
Würde, mit einem versehen, eigentlich passen, doch leider kann man es auch mit 'Was man schwächen will, muss man zuerst stark machen lassen, was man vernichten will, muss man zuerst sich ausdehnen lassen', was von Amoralität zeugt -grins.
Deshalb: Selbstverständlich! Den Vertrag sollte man unbedingt abspecken. Es gibt tragende Säulen und Wände und Nebensachliches, dessen Weglassen das Gebilde nicht zum Einstürzen brächte. Im Gegenteil.
Robin schrieb:Das ist aber auch gleichzeitg ein Manko der europäischen idee: Ausgerechnet das, was den Menschen am meisten auf den Nägeln brennt, wird von der EU nicht aufgenommen. Als wir über den Vertrag diskutierten, hing für mich wie eine dunkle Wolke darüber, dass Schröder gerade in der Arbeitslosendebatte wieder patriotische Töne anschlug. Könnte dagegen vermittelt werden: EU=mehr Arbeitsplätze, wäre es nicht schwer, begeisterte Anhänger zu finden. So bleibt die Idee immer zu abstrakt.
Auch hier wie eine dunkle Wolke die Befürchtung, dass die EU im Zuge ihrer "Harmonisierung" eben diese Eigenheiten aufgeben will (streiten natürlich alle ab). Im Moment überwiegt der Eindruck der Doppelzüngigkeit: Hier die Ideale Europas loben, in der Praxis schlingernd dem amerikanischen Modell hinterherrutschen. Ich kann nur für Deutschland sprechen: Worte - und Taten...
Oui, die Idee ist immer noch nur Glaubensfrage - auf beiden Seiten.
Heute ist die Arbeitslosigkeit noch eine nationale Aufgabe, weil Deutschland und Frankreich in einem Konjunkturloch stecken.
Robin, ich befasse mich nicht eingehend mit deutscher Politik und Wirtschaft, aber was soll Schröder sagen? Die wirtschaftspolitische Bilanz seiner Regierung ist fast niederschmetternd, doch die klassenkämpferische Parolen Münteferings, der die Demokratie durch 'int. forcierte Profitmaximierungsstrategien' gefährdet sieht, bringen dem Wirtschaftsstandort Deutschland auch keine Attraktivität zurück. Was machen Madame Merkel und Ed. Stoiber? Auf jeden Fall auch keine Grundsatzdiskussionen. Den Frontalangriff auf die Wirtschaft pariert keiner, ob das die in- und ausländischen Investoren goutieren werden?
Berufen sich dann die Klassenkämpfer auf die soz. Marktwirtschaft, wird es noch etwas grotesker. Das Modell Erhards war sozial dann, wenn es den Rahmen Geldwertstabilität, Wettbewerb und Eigenvorsorge gewährleistete. Nach aussen war die Öffnung der Märkte -einschl. der Kapitalmärkte- das Wichtigste. Da will Müntefering die soz. Marktwirtschaft vor dem 'Raubtierkapitalismus' retten? Der Anklang, den er jetzt findet, beweist doch nur, Deutschland hat sich von diesem Modell längst verabschiedet.
Um die Umverteilungsmaschinerie zu ernähren, verbraucht es ca. 47% des Bruttoinlandprodukts -richtig? Die Menschen, die den Lebensunterhalt vorwiegend mit Transfereinkommen bestreiten, stellen mancherorts die Wählermehrheit - Eigenverantwortung ist da absolut untergeordnet, die Abgabenlasten lassen dafür keinerlei Spielraum, das ist klar.
Was dabei verdrängt wird, der einstige wirtsch. Aufstieg ist nicht unbedeutend der Grenzöffnung der 50-er und 60-er zu verdanken. Durch die Globalisierung veränderten sich die Bedingungen. Die Politik kann sich nicht über die Gesetze des Marktes hinwegstellen, die Einkommens- und Wachstumeinbussen werden nur noch grösser.
Bitte, denke nicht, unsere Probleme wären kleiner, oder wesentlich anders geartet - aber sie sind auf beiden Seiten national begründbar und begründet und somit m.E. nicht Europasache.
Robin schrieb:Habe ich noch keine Meinung. Die Bedeutung des Vertrags wird aber auch nicht einheitlich bewertet. Aber so richtig auf Dauer gegen die Bürger arbeiten kann man doch auch nicht, oder? Ich meine, man hat fast immer mit Verteilungen um die 50/50 zu tun...da steckt doch ein Problem?!Sicher. Man wird auch kaum 'Europa' gegen den Willen der Bürger machen/machen können.
Robin schrieb:Nun, für solche Standpunkte braucht man den Vertrag aber nicht, oder? Das sollte sich in der Tat aus einem europäischen Selbstverständnis auch so ergeben.
Schon, natürlich. Aber evtl. verlieren wir an Glaubwürdigkeit, wenn wir uns nicht mal an einem Vertrag einigen können.
Robin schrieb:Man könnte aber auch so argumentieren Man kann es auch als positiv sehen, dass Europa eben nicht so viel Pathos braucht, um dennoch vernünftige Standpunkte zu haben...Der Vertrag mag institutionell wichtig sein, den bürokratischen prozess vorantreiben - ob es und aber inhaltlich/identifikatorisch so weit zurückwirft, wenn es nicht klappt, ist die andere Frage.
'Der Pathos' hat funktioniert -grins. Erlaubt mir nämlich jetzt zu sagen: Kann es eben auch nicht brauchbar abschätzen, Robin, wüsste ich mehr, wäre mit dabei auch wohler, denn bei der ganzen Bürokratie fühle ich mich doch auch nicht gut, glaube mir.
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