AW: Feindbilder und Vorurteile
Lieber Rupert,
es war ja weniger eine Frage, als mehr eine Vermutung.
Ja richtig, zu einer schwierigen Frage ist es erst für mich geworden.
Ich meine, daß die eigene geistige Einstellung, wie sie wirklich ist, also auch die unbewusste Einstellung, auf denjenigen wirkt, der sie denkt. So, wie
moebius das treffend formuliert hat, sowohl auf das Befinden des Körpers (Psychosomatik), als auch auf die eigene Lebens-Welt/Lebens-Praxis (= soziale/gesellschaftlicher Kontext = Beziehungen).
Wenn das so zuträfe, dann könnte man ja, vielleicht, vom körperlichen und sozialen Befinden auf die Nützlichkeit, die Qualität der zugrundeliegenden Einstellungen schließen. Mit einfachen Worten und in bezug auf das Thema Feindbilder: Jemand, der sich von Feinden umzingelt und bedroht fühlt, sich also unangenehm fühlt, muss eine Einstellung haben, die eben diese Wirkung, dieses Befinden, hervorgebracht hat. Am Befinden, an der Wirkung kann die Einstellung abgelesen werden.
Es ist nur eine Ahnung.
Ja, so gesehen, kann man das, z.B. an der Gestik und Mimik (finsterer Blick usw.). Aber
nicht immer. Bei einem jüngeren Menschen eher erst, wenn es gerade ums Thema geht. Viel
mehr noch, wenn derjenige nicht auf einen Gleichgesinnten trifft, sondern auf jemanden,
der im Grunde unbewusst dieselbe Haltung hat, aber, z. B. die parteiliche Herkunft (Links,
Rechts) oder die religiöse Zugehörigkeit eine andere ist. Wie gesagt, bei jüngeren Personen
eher nur, wenn es gerade ums Thema geht. Bei den Älteren, mit extremer Einstellung und
Haltung, welche permanent gehässig gehegt und gepflegt wird (was eher unbewusst
geschieht, man fühlt sich ja im Recht), gräbt sich das dann schon irgendwann dauerhaft im
Gesicht ein. Nicht zu vergessen aber, andere Faktoren spielen da sicher auch noch eine
große Rolle. Daher, eine positive oder eher negative Einstellung kann man, mit guter
Menschenkenntnis, sicherlich ablesen, aber wo der Hund bei einer neg. Einst. genau
begraben liegt, kann man erst dann erahnen – wissen, wenn man Worte gewechselt hat.
Vielleicht, sicher ist es nicht. Selbst für gute Psychologen ist es nicht immer einfach.
Zu bedenken wäre ebenso noch, dass trotz einer guten Einstellung oder Haltung,
momentane gr0ße alltägliche Sorgen das Bild verfälschen, so dass man sich beim
ablesen ganz schön irren kann.
Wo kommen die Feindbilder – das feindbildliche Denken – her? Da wären wir wieder bei
den Vorurteilen, die eigentlich immer schon da waren. Schon die ersten – sesshaft
gewordenen Menschen haben die umherwandernden Nomaden aufgrund ihrer barbarischen
Rückständigkeit verachtet. Gehasst haben sie sie, weil es ja auch ihre eigene Herkunft war,
die sie aber vergessen - verdrängt haben. Auch so kann dumme Verachtung - in Hass sich
ummünzen. Die Nomaden wiederum haben die Sesshaften wegen ihrer Verweichlichung
verachtet, und haben sie gehasst, weil sie unbewusst die moderneren Städter vielleicht doch
ein wenig beneidet haben.
Genau betrachtet sind die Feinde noch viel früher entstanden. Ich würde sagen, noch lange
bevor die Erkenntnis von Gut und Böse war, also, wo der Mensch noch nicht wirklich
Mensch war, sondern nur instinktives Tier.
Futter- und Revierkämpfe sind - so kann man durchaus sagen – eine erste ursächliche
Bedingung für das Feindsein der Tiere und Menschen. Auch heute noch, man kann das in
der Natur und noch praktischer - im Fernsehen (Universum, ....) sehr gut beobachten.
Der Ursprung der Futter- und Revierkämpfe, welche für die Feindseligkeiten verantwortlich
sind, ist, meiner Ansicht nach, letztendlich der Überlebenstrieb. Der Trieb, der die Gier und
den Hass nährt, und später - nach dem Apfelschmaus - bei den Menschen die Verblendung
(falsches Denken) noch nährt.
[Und das alles ganz ohne Teufel, Manfredo. Eine Weile nach der Diskussion mit Dir sind
diese Gedanken unerwartet bei mir hereinspaziert.]
Woher der Überlebenstrieb kommt, nun, da fällt mir momentan auch nichts anderes ein,
als das die Natur in hervorbringt – es zulässt.
LG
rupert