AW: ENDE der AUFKLÄRUNG!?
Hallo!
Es freut mich, dass Du in meine Gedankengänge gefunden hast! Und was Du da so an- und weiterdenkst, das klingt wirklich interessant und gelungen.
Vorab noch zur Klärung meiner Aussage vom "ENDE DER AUFKLÄRUNG".
Der Philosoph Johannes Heinrichs unterscheidet zutreffend zwischen einer sogenannten ersten,
kritisch-enthüllenden und dann zweitens einer
konstruktiven Aufklärung.
Dieser zutreffenden Unterscheidung stimme ich zu, so das es auch klarer wird, was ich mit der etwas mißverständlichen Formulierung, vom "Ende der Aufklärung" im Eigentlichen ansprechen will.
Reden wir also davon, dass die erste
kritisch-enthüllende Aufklärung mit dem Artikel 1,1 GG zu Ende gegangen ist. Aus meiner Einsicht nach, könnte man es auch das Zeitalter von der
Erkenntnis des Menschen nennen. Die nun angebrochene zweite Phase der Aufklärung, also die
konstruktive, könnte man demnach mit
Menschwerdung überschreiben.
... und mit einer
"konstruktiven Aufklärung", davon gehe ich jetzt mal aus, kannst Du sicherlich viel anfangen!
Jetzt zu Deiner radikalkonstruktivistischen "Kritik des freien Willens"!
Wird dadurch Kant hinfällig? Ja und nein... Ja, weil der Wille ein Schlüsselbegriff seiner Denkordnung ist (Anfang falsch, alles falsch). Nein, weil es unsere Aufgabe ist, Kant eine neue Basis zu verschaffen. Wer Kant kennt, weiß, daß das umfangreich ist.
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Zitat von Bernd (dem Betreiber der Milanstation): "Wenn der Wille der Ausdruck des deterministischen Systems ist, dann brauchen wir einen zweiten Begriff, der die kreativen Fähigkeiten des Menschen bezeichnet. Ich schlage vor, daß wir den Begriff Geist dazu verwenden. Der Geist befähigt uns erst, Freiheit mit Verantwortung und Gerechtigkeit zu erdenken." Zitatende.
Jetzt kommen wir zu dem JI.
Der Schlußfolgerung zu dem Satz aus der Bibel, die Du geschrieben hast, drückt aus dem neuen Kontext heraus genau das Gegenteil aus. Die natürliche Hierarchie bedingt die Negation unseres Menschenbildes (Maturana). Wenn wir annehmen, daß Jesus den ersten vollständig selbstbewußten Menschen symbolisiert, dann wird klar, daß er den Menschen über das System stellt ...
Um sich also nicht mit diesem deterministischen System selbst zu vernichten, sollten wir quasi anfangen, ein vollständiges Ich zu werden, um die Freiheit von der Willkür abzugrenzen, weil Freiheit dann mit Verantwortung gekoppelt ist, die wir auch täglich in uns selbst vor Augen führen und erkämpfen müssen.
Oder auch: Ich bin das Licht... (Jesus/Bibel... ?) Hilf mir mal!... Du kommst zu Gott nur durch mich... oder so ähnlich...
Transzendiere die Straßenseite! (ggg)
Aus heutiger Erkenntnis, um mich hier zu wiederholen, bezweifele ich nicht, daß Deine Thesen zu Schmid und Suhr korrekt sind, aber die saubere Trennung beim radikalen Konstruktivismus zwischen determinierten Systemen und freiem, kreativem Menschenbild ergibt eine noch bessere Basis, weil sie unabhängig von einem Gottesplan wird, daher nicht durch Autoritäten mißbraucht werden kann.
Wenn KI und Dein JI allem Anschein nach nicht ausreichen, wie, um Himmels Willen, sollten wir dann den dritten Imperativ nennen? Konstruktivistischer Imperativ? Da kommen wir doch zu einem Paradigmawechsel, oder? Von Konkurrenz in einem Gottesplan/Naturgesetz zu einer Kooperation in menschlicher Kommunikation oberhalb der "natürlichen" Hierarchie.
Ausgezeichnet gedacht und richtig erkannt!
Auch die "saubere Trennung", besser: der "Übergang" zwischen "Vernunft" und "Glauben", um zu einem freiem, kreativem Menschenbild zu gelangen ist zutreffend analysiert. Nun kollidiert Deiner Ansicht nach, der "Wille Gottes" mit der "Kreativität des Menschen" - und das noch auf Grund einer Befürchtung, da die kreative Freiheit des Menschen (der zudem in Verantwortung steht), nur gewährleistet ist, wenn diese
"unabhängig von einem Gottesplan ..., ... nicht durch Autoritäten mißbraucht werden kann."
Es sei Dir zugestanden, einen "Konstruktivistischen Imperativ" zu formulieren. Aber vermagst Du mit solch radikalem "Wissenschafts-Positivismus" dem
Menschen in seiner Würde und seinem Vermögen zu Lieben wirklich gerecht werden?
Deshalb sollten wir in Bezug auf das "determinierte System" unseren Blick klären und weiten und etwas von Teilhard de Chardin an dieser Stelle hereinlassen. Aber eins nach dem anderen. Deshalb zuerst ein Blick auf das "Alpha bis Omega". Wenn wir dieses Sehen geklärt haben, dann können wir unseren Blick auf den möglichen "Mißbrauch durch Autoritäten" lenken.
Warum ist für mich gerade
Teilhard de Chardin der "Schlüssel", der die Tür des inzwischen geschlossenen Denksystems der "kritisch-enthüllenden Aufklärung" aufzusperren vermag, um so in den Denkraum eines neuen und weiteren "Paradigmas" einzutreten? Ich versuche es in einem Vergleich zu verdeutlichen:
Was Einstein für die Physik bedeutet,
das bedeutet Teilhard für die ganze Wissenschaft!
(... auch wenn er bisher noch nicht ganz "entdeckt" wurde! -
für mich ist das aber nur eine Frage der Zeit!)
Denn:
”Der Mensch im Kosmos” -
das ist die größte und letzte Frage unserer Tage!
Von daher nun ein paar Gedanken zu Teilhard de Chardin, die uns das "SEHEN" des Menschen, um das es uns ja dem Kern nach gehen sollte, etwas näher bringen. So heben sich vielleicht dann auch die Nebel des alten ""kritisch-enthüllenden Denkens" und die Umrisse der
Brücke (= Jesuanische Imperativ), die sich über den Fluß der Menschheitsgeschichte erhebt und das Ufer der
"Vernunft" und mit dem Ufer des
"Glaubens" verbindet, werden für den aufmerksamen Betrachter deutlicher zu erkennen sein:
Dieser große Naturforscher und Theologe hat sein geniales Hauptwerk “Der Mensch im Kosmos” , so fasse ich es jetzt einmal zusammen,
vor allem dem Sehen und Wahrnehmen des Menschen gewidmet. Systematisches Sehen und Wahrnehmen ist dem wissenschaftlichen Arbeiten zugrundegelegt. Systematisches Sehen und Wahrnehmen und daraus abgeleitetes Erkennen und Verstehen schafft Ordnung!
Doch was ist das eigentliche Ziel und die eigentliche Motivation der Wissenschaft? (... bis hin zum "radikalen Konstruktivismus")
Zu welchem Sehen und Wahrnehmen treibt uns Menschen letztendlich der in uns liegende Drang nach Erkennen und Verstehen unserer Lebenswelt?
Nach Teilhards Einsicht ist der “Mensch im Kosmos” das eigentliche und letzte Ziel der wissenschaftlichen Arbeit. So eröffnet er sein berühmtes Buch aus gutem Grund mit den folgenden Worten:
"Die folgenden Seiten sind Ausdruck eines Bemühens, zu sehen und sehen zu machen, was des Menschen Bestimmung und Anspruch ist, wenn man ihn voll und ganz in den Rahmen der Erscheinungen stellt. Warum dieses Trachten nach dem Sehen? Und warum richten wir unsere Blicke im besonderen auf den Menschen als Objekt?
Sehen. Man könnte sagen, das ganze Leben sei darin beschlossen, - wenn nicht in seinem Ziel, so doch in seinem Wesen. Höheres Sein ist umfassenderes Vereintsein: dies ist der Grundgedanke des vorliegenden Buches und der Schluß, zu dem es gelangt. Diese Vereinigung jedoch - wir werden es noch feststellen müssen - steigert sich nur, wenn wachsendes Bewußtsein sie trägt. Das aber bedeutet Schau. Deshalb entspricht die Geschichte der lebenden Wesen zweifellos der Ausgestaltung immer vollkommenerer Augen inmitten eines Kosmos, in dem die Möglichkeit eines immer schärfer sich ausbildenden Unterscheidungsvermögens besteht. Ist nicht die Schärfe und die Fassungskraft eines Blickes das Maß für die Vollkommenheit des lebenden und die Überlegenheit des denkenden Wesens? Mehr und besser sehen zu wollen ist also keine bloße Laune, keine Neugierde, kein Luxus. Sehen oder zugrunde gehen. In dieser durch das geheimnisvolle Geschenk des Daseins aufgezwungenen Lage befindet sich jedes Element des Universums. Und dies ist demnach, auf höherer Ebene, auch die Daseinsbedingung des Menschen.
Wenn aber Erkenntnis wirklich so lebensnotwendig und beseligend ist, warum - ich wiederhole die Frage - diese Vorliebe für die Ergründung des Menschen? Ist der Mensch nicht schon hinreichend beschrieben -, und langweilig? Besteht nicht ein besonderer Reiz der Wissenschaft gerade in der Ablenkung und Beruhigung unseres Blicks, wenn dieser endlich auf einem andern Gegenstand verweilen kann als dem eigenen Ich?” (aus: P. Teilhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos, München: Beck 1959(7) 1964, S. 3.)
Fast visionär hat P. Teilhard de Chardin schon in der Mitte des letzten Jahrhunderts angedeutet, dass gerade in unseren Tagen ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel stattfinden wird. Er sah diesen Wechsel im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erforschung des Lebens an sich und den damit einhergehenden interdisziplinären Dialog unterschiedlichster Wissenschaftsbereiche.
Mit folgender These weist er auf den anstehenden Paradigmenwechsel hin, der sich konsequenterweise aus dem Fortschreiten der wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Leben ergeben muß:
"Der Augenblick ist jedoch gekommen, wo man sich sagen muß, daß selbst eine positivistische Erklärung des Universums, wenn sie befriedigen soll, der Innenseite der Dinge ebenso wie ihrer Außenseite gerecht zu werden hat, - dem Geist ebenso wie der Materie. Die wahre Physik ist jene, der es eines Tages gelingen wird, den Menschen in seiner Ganzheit in ein zusammenhängendes Weltbild einzugliedern. (aus: P. Teilhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos, München: Beck 1959(7) 1964, S. 8.)
Für Teilhard nimmt in der “Zelle” das Leben seinen Anfang. In unseren Tagen ist die “Zelle” nun endgültig in den Mittelpunkt der neuesten Forschungen gerückt. Insbesondere im Zusammenhang mit den revolutionären Erkenntnissen in der “Stammzellforschung”, stellt sich nun zusehends mehr die grundsätzliche Frage: ... wann das (individuelle) Leben beginnt?
... was (biologisches) Leben eigentlich ist?
... bis hin zur allesbestimmenden und entscheidenden Frage:
“Wann ist der Mensch ein Mensch?”
Zur Frage des beginnenden Lebens in der Zelle (aus kosmischer Sicht) schreibt Teilhard de Chardin folgendes:
"Wenn wir es körperlich und von außen sehen, ist noch das Richtigste, was sich in diesem Augenblick darüber sagen läßt, daß das eigentliche Leben mit der Zelle beginnt. Je mehr die Wissenschaft seit einem Jahrhundert, diese chemische und strukturell überkomplexe Einheit zum Mittelpunkt ihrer Arbeiten macht, um so deutlicher wird es, daß sich hier das Geheimnis verbirgt, dessen Kenntnis die geahnte, aber noch nicht verwirklichte Verbindung zwischen den beiden Welten der Physik und der Biologie herstellen könnte. Die Zelle ist natürlicher Keim des Lebens, wie das Atom der natürliche Keim der anorganischen Materie. Sicherlich müssen wir versuchen, zuerst die Zelle zu verstehen, wenn wir ermessen wollen, worin eigentlich die «Schwelle» des Lebens besteht. ...
Wie alle anderen Dinge dieser Welt kann auch die Zelle, so wunderbar sie uns in ihrer Isolierung unter den anderen Gebilden der Materie erscheinen mag, nur dann verstanden (das heißt, einem zusammenhängenden System des Universums einverleibt) werden, wenn man ihr auf einer Entwicklungslinie zwischen Zukunft und Vergangenheit einen Platz einräumt. ..."
(Ebd., S. 57f.)
Diese grundlegende Einsicht Teilhards, dass das “Wesen der Zelle” nur in der Eingebundenheit zwischen Alpha und Omega zu verstehen sein wird, ist genial weitreichend - denn diese ganzheitliche Sichtweise der Eingebundenheit einer “Zelle” zwischen Anfang und Ende ist auch insbesondere bei der Betrachtung der befruchteten Ei-Zelle des Menschen zu bedenken!
Machen wir uns nur einmal kurz bewußt, was Teilhards kosmische Aussage: “Die Zelle ist natürlicher Keim des Lebens, wie das Atom der natürliche Keim der anorganischen Materie”, konkret mit unserem Leben zu tun haben könnte!?
Wir brauchen dazu nur einen Blick auf die vom Menschen entfesselte Energie des Atoms werfen und wie sehr dieses technische Vermögen des Menschen unsere “Weltordnung” von Grund auf, innerhalb von Jahrzehnten verändert hat (siehe dazu “Atomzeitalter”). Teilhard de Chardin sieht schon damals die in der Sache grundgelegte Parallelität: die ungeheuer gewaltige Potentialität von “Atom” und “Zelle” - eine Potentialität, die bei uns Menschen gleichzeitig grenzenlose Faszination wie auch tiefstes Entsetzen auslöst!
In der gegenwärtigen Diskussion um “Verbrauchende Embryonen-Forschung”, “therapeutisches Klonen”, ... wird die Dimension dieses kosmischen Zusammenhangs nur allzudeutlich!
Angesichts der eigentlich unfassbaren Tragweite und des damit verbundenen Ernstes, die diese geniale Zusammenschau Teilhards erst deutlicht macht, finde ich deshalb verharmlosende Vergleiche, z.B. mit den “Anfängen der Eisenbahn”, wenn es um die Zukunft und die Auswirkungen der “Zellforschung” geht, für äußerst problematisch. Ja, ich halte solche Aussagen und Vergleiche, gerade wenn sie von “maßgebenden” Bioethikern bis hin zu Moraltheologen kommen, für mehr als grob fahrlässig! Der einzige zulässige und mögliche Vergleich innerhalb der Geschichte der Menschheit in Betreff “Zellforschung” -
das lehrt uns jedenfalls schon der Jesuit P. Teilhard de Chardin - ist die “Kernspaltung”!
... soweit ein paar persönliche Gedanken, die auf die Genialität und Aktualität dieses großen Denkers unserer modernen Zeit verweisen!
Von dieser Schau abgeleitet, wird nun auch der Zusammenhang zwischen der "Zelle" als der Keim des Menschen und dem "Artikel 1,1 GG", als dem Keim eines Denkens des neuen Paradigmas sichtbar!
Lange Rede, kurzer Sinn! Daher mittels des Jesuanischen Imperativs, Teilhards Schau auf den Punkt gebracht und somit das Denken und Verständnis vom "deterministischen System" richtig eingeordnet:
Die Wissenschaft ist um des Menschen willen da
und nicht der Mensch um der Wissenschaft willen!
Soweit zum "deterministischen System" und den
Schlüssel, der uns aus dem Gefängnis unseres derzeitigen Denkens befreit und und zur
Brücke, die Vernunft und Glauben wieder miteinander verbinden, führt, damit auf dieser Welt wieder Menschlichkeit die Oberhand gewinnt und so Menschwerdung geschehen kann. Denn mit im Denken konstruktiver Aufklärung fangen wir damit an, unser aller Leben so zu gestalten, dass die Menschen dieser einen Welt in Würde vermögen zu leben und so die Grundlage dafür geschaffen wird, dass nicht mehr in Kategorien vom "Gerechten Krieg", sondern vom "Gerechten Frieden" zu denken und von daher die Menschheit in Zukunft immer mehr vermag, sich ganz in Liebe zu entfalten.
Gruß Franz