andronikus
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AW: Verstand und Vernunft
Hallo, Axl!
Das ist eine gute Frage, die du da stellst! Ich glaube, dass Schopenhauer sie am klarsten beantwortet und die deutlichste Unterscheidung zwischen diesen beiden Erkenntnisvermögen - Verstand und Vernunft - gezogen hat:
Der Verstand ist das Vermögen a n s c h a u l i c h e r Vorstellungen, seine ihm eigentümliche Tätigkeit besteht im Erkennen von Kausalbeziehungen. Als solchen haben wir den Verstand mit den Tieren gemein. Hingegen das, was uns von den Tieren unterscheidet ist ein uns Menschen ausschließlich eigenes und ganz besonderes Erkenntnisvermögen, die sogenannte V e r n u n f t, welche die Fähigkeit zu a b s t r a k t e n Vorstellungen ist, im Gegensatz zu den anschaulichen, aus welchen jedoch jene abgezogen (im wörtlichen Sinne des lateinischen Begriffes: "abstrahiert") sind. Darauf beruht es, dass das Tier weder spricht noch lacht. Durch den Hinzutritt der abstrakten Vorstellung ist auch die M o t i v a t i o n eine anderartige geworden. Wenn gleich die Handlungen eines Menschen mit nicht minder strenger Notwendigkeit, als die der Tiere, erfolgen; so ist doch durch die Art der Motivation, sofern sie hier aus G e d a n k e n besteht, welche die eigentliche W a h l e n t s c h e i d u n g (d.i.: den bewussten Konflikt der Motive) ermöglichen, das Handeln mit Vorsatz, mit Überlegung, nach Plänen, Maximen, in Übereinstimmung mit Anderen u.s.w., an die Stelle des bloßen Impulses durch vorliegende, anschauliche Gegenstände getreten, dadurch aber alles das herbeigeführt, was des Menschen Leben so reich, so künstlich und so schrecklich macht.
Die abstrakten, von den anschaulichen Vorstellungen abgezogenen ("abstrahierten") Vorstellungen werden mit den Namen der B e g r i f f e benannt, weil jede derselben unzählige Einzeldinge in, oder vielmehr unter sich begreift, also ein I n b e g r i f f derselben ist. Man kann sie auch definieren als Vorstellungen aus Vorstellungen. Denn bei ihnnen zerlegt das Abstraktionsvermögen die vollständigen, also anschaulichen Vorstellungen des Verstandes in ihre Bestandteile, um diese abgesondert, jeden für sich, denken zu können als die verschiedenen Eigenschaften oder Beziehungen der Dinge. Bei diesem Prozess büßen aber die Vorstellungen notwendig ihre Anschaulichkeit ein. Denn jede also ausgesondere (abstrahierte) Eigenschaft oder Beziehung lässt sich für sich allein wohl denken, jedoch nicht allein darum für sich allein auch anschauen. Die Bildung eines Begriffs besteht überhaupt dadurch, dass von dem anschaulich Gegebenen Vieles fallen gelassen wird, um dann das Übrige für sich allein denken zu können: derselbe ist ein Wenigerdenken, als angeschaut wird.
Da nun die zu abstrakten Begriffen sublimierten und dabei zersetzen Vorstellungen alle Anschaulichkeit eingebüßt haben, so würden sie dem Bewusstsein ganz entschlüpfen und ihm zu den damit beabsichtigten Denkoperationen gar nicht Stand halten, wenn sie nicht durch willkürliche Zeichen sinnlich fixiert und festgehalten würden: dies sind die W o r t e. Daher bezeichnen diese, so weit sie den Inhalt des Lexikonks, also die Sprache, ausmachen, stets allgemeine Vorstellungen, Begriffe, nie anschauliche Dinge.
Eben dadurch, dass Begriffe weniger enthalten, als die Vorstellungen daraus sie abstrahiert worden, sind sie leichter zu handhaben, und verhalten sich zu ihnen ungefähr wie die Formeln in der höheren Arithmetik zu den Denkoperationen, aus denen sie hervorgegangen sind und die sie vertreten, oder wie der Logarithmus zu seiner Zahl. Sie enthalten von den vielen Vorstellungen, aus denen sie abgezogen sind, gerade nur den Teil, den man eben braucht: statt dass, wenn man jene Vorstellungen selbst, durch die Phantasie, vergegenwärtigen wollte, man gleichsam eine Last von Unwesentlichem mitschleppen müsste und dadurch verwirrt würde: jetzt aber, durch Anwendung von Begriffen, denkt man nur die Teile und Beziehungen aller dieser Vorstellungen, die der jedesmalige Zweck erfordert. Überhaupt ist die Beschäftigung des Intellekts mit Begriffen, also die Gegenwart dieser im Bewusstsein, welche eigentlich und im engeren Sinne D e n k e n genannt wird. Sie verleiht dem Menschen B e s o n n e n h e i t, die dem Tiere abgeht, da sie ihn befähigt, tausend Dinge durch einen Begriff, in jedem aber immer nur das Wesentliche zu denken, wodurch er Unterschiede jeder Art, also auch die des Raumes und der Zeit beliebig fallen lassen kann, durch welchen Vorgang er wiederum in Gedanken die Übersicht der Vergangenheit und Zukunft, wie auch des Abwesenden erhält, während das Tier in jeder Hinsicht an die Gegenwart gebunden ist. Diese Fähigkeit sich zu besinnen, ist eigentlich die Wurzel aller theoretischen und praktischen Leistungen des Menschen: Sorge für die Zukunft, unter Berücksichtigung der Vergangenheit, sodann des absichtlichen, planmäßigen und methodischen Verfahrens bei jedem Vorhaben, daher des Zusammenwirkens vieler für einen Zweck, mithin der Ordnung, des Gesetzes, des Staates, usw. - Ganz besonders sind aber die Begriffe das eigentliche Material der Wissenschaften, deren Zwecke zuletzt darauf hinauslaufen, zur Erkenntnis des Besonderen durch das Allgemeine zu gelangen.
Des weiteren befähigt den Menschen, wie bereits oben angedeutet, das Abstraktionsvermögen, also die Vernunft zur Sprache, die daher den Tieren in jeder Hinsicht abgeht. Zwar reden einige Zoologen und Naturforscher, die auf die besonderen kognitiven Leistungen bestimmter Tierarten - wie z.B.: Delphinen oder Affen - hinweisen möchten, unverhohlen von sogenannten "Tiersprachen", diese falsche Gleichsetzung ändert aber nichts an der Tatsache , dass zwischen der menschlichen Sprache und den Kommunikationssystem von Tieren (die zugegebenermaßen erstaunlich komplex sein können) nicht bloß ein gradueller, sondern ein prinzipieller Unterschied besteht. Folgende Unterschiede sind dabei festzuhalten:
1. Tiere können zwar miteinander kommunizieren, aber nicht miteinander sprechen, in dem Sinne, wie zwei Menschen miteinander reden.
2. Tiere bewegen sich auf der Objektebene, der Mensch allein kann verschiedene Metaebenen einnehmen, was wiederum auf seinem Abstraktionsvermögen beruht.
3. Nur Menschen können ihre Sprache gezielt und bewusst verändern, Tiere verharren in ihrem instinktiv entwickelten Kommunikationssystem.
4. Tierische Lautäußerungen lassen sich nicht eindeutig segmentieren, wie zB.: Haus -> /h/+/au/+/s/. Das Bellen eines Hundes bspw. lässt sich nicht in /w/+/au/ (für Postbote zum Beispiel) oder /w/+/uff/ (für Haus).
Ich wollte mit dieser Betrachtung über die Eigentümlichkeit der menschlichen Sprache auf die am leichtesten erkennbare Äußerung der menschlichen Vernunft oder des Abstraktionsvermögens hinweisen.
Es ist wichtig, das Wollen, welches den eigentlichen Kern und das innere Wesen eines jeden Menschen ausmacht, scharf von der Vernunft zu trennen. Die Vernunft ist ein bloßes Erkenntnisvermögen. Der Intellekt - welcher beim Menschen ein doppelter ist - hält uns bloß Motive vor (die entweder in deutlich gedachten Gedanken der Vernunft oder bloßen anschaulichen Vorstellungen des Verstandes), die uns dann unserer Natur gemäß zum Handeln veranlassen. An diesen zur Tat gewordenen Entschlüsen wiederum erkennen wir, nicht nur an anderen sondern auch an uns selbst, wer wir sind und welchen Charakter wir besitzen. Des weiteren ist die Vernunft gerade jene Kraft, die zur Objektivität drängt, insofern sie uns in die Lage versetzt, uns an die Stelle eines anderen zu denken, mehrere Reflexionsebenen zu berücksichtigen und einen Erkenntnisgegenstand in den mannigfaltigsten Beziehungen zu betrachten (welches wiederum nur durch das Abstraktionsvermögen möglich wird, wie oben in Betrachtung genommen).
Deinem letzten Ausspruch stimme ich zu: die Basis aller Erkenntnis ist der Verstand, da er die Kausalbeziehungen zwischen den realen Objekten intuitiv auffasst und das eigentliche "Verstehen" ermöglicht. Durch die Vernunft wiederum fassen wir unsere intuitiven Erkenntnisse in Worte, um sie uns begreiflich zu machen und anderen Menschen mitteilen zu können. Die Vernunft ist bloß sekundär, ein hinzugekommenes Prinzip, das sich im Laufe der Evolution entwickelt hat (objektiv betrachtet durch das Gehirnwachstum, namentlich die Zunahme des Volumes des Großhirnes).
Obwohl die Vernunft ein angeborenes Vermögen ist, muss sie durch Erziehung zunächst "entwickelt" werden, wobei der erste Entwicklungsschritt in der Erlernung der eigenen Muttersprache besteht. Daher ist die Behauptung, so finde ich, "dass auch ein nicht vernunftbegabter Junge nicht springt" in dieser Hinsicht nicht ganz richtig, da ein solcher gar nicht in der Lage gewesen wäre, die sprachliche Äußerung des Mädchens zu verstehen und ihr Folge zu leisten.
Insofern die Vernunft unser H a n d e l n leitet, kann sie als p r a k t i s c h bezeichnet werden. Hier wiederum gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Inidividualitäten, was sich an ihren Handlungen absehen lässt. Wenn ein Mensch nicht dem unmittelbaren Eindruck der Gegenwart erliegt und sich bloß durch anschauliche Vorstellungen zum Handeln verleiten lässt (wodurch er sich im Grunde zum Tier herabsetzt, ohne damit jetzt ausdrücken zu wollen, das Tiere weniger wert sind als Menschen), sondern seine Handlungen überlegt, die einzelnen Motive, die als solche abstrakte Vorstellungen sein müssen, gegeneinander abwägt, dabei vergangene Erfahrungen berücksichtigt und die Konsequenzen seiner möglichen Handlungen ungefähr antizipiert, sich also nur durch abstrakte Begriffe und deutlich gedachte Gedanken entscheidet, mithin planvoll und wohlüberlegt handelt, dann handelt er v e r n ü n f t i g.
Darum ging es im Grunde genommen auch den Stoikern, deren Ziel ja bekanntlich die Erlangung von Geistesruhe durch Selbstbeherrschung und vernunftbestimmtes Handeln war. Selbstbeherrschung aber wiederum ist nur möglich durch Vernunft, da sie das Festhalten an einem vorgefassten Entschluss den ihm entgegenstehenden Motiven zum Trotz ist.
Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen ein wenig Licht in das Dunkel dieser Sache bringen.
Beste Grüße,
Andronikus
Hallo, Axl!
Das ist eine gute Frage, die du da stellst! Ich glaube, dass Schopenhauer sie am klarsten beantwortet und die deutlichste Unterscheidung zwischen diesen beiden Erkenntnisvermögen - Verstand und Vernunft - gezogen hat:
Der Verstand ist das Vermögen a n s c h a u l i c h e r Vorstellungen, seine ihm eigentümliche Tätigkeit besteht im Erkennen von Kausalbeziehungen. Als solchen haben wir den Verstand mit den Tieren gemein. Hingegen das, was uns von den Tieren unterscheidet ist ein uns Menschen ausschließlich eigenes und ganz besonderes Erkenntnisvermögen, die sogenannte V e r n u n f t, welche die Fähigkeit zu a b s t r a k t e n Vorstellungen ist, im Gegensatz zu den anschaulichen, aus welchen jedoch jene abgezogen (im wörtlichen Sinne des lateinischen Begriffes: "abstrahiert") sind. Darauf beruht es, dass das Tier weder spricht noch lacht. Durch den Hinzutritt der abstrakten Vorstellung ist auch die M o t i v a t i o n eine anderartige geworden. Wenn gleich die Handlungen eines Menschen mit nicht minder strenger Notwendigkeit, als die der Tiere, erfolgen; so ist doch durch die Art der Motivation, sofern sie hier aus G e d a n k e n besteht, welche die eigentliche W a h l e n t s c h e i d u n g (d.i.: den bewussten Konflikt der Motive) ermöglichen, das Handeln mit Vorsatz, mit Überlegung, nach Plänen, Maximen, in Übereinstimmung mit Anderen u.s.w., an die Stelle des bloßen Impulses durch vorliegende, anschauliche Gegenstände getreten, dadurch aber alles das herbeigeführt, was des Menschen Leben so reich, so künstlich und so schrecklich macht.
Die abstrakten, von den anschaulichen Vorstellungen abgezogenen ("abstrahierten") Vorstellungen werden mit den Namen der B e g r i f f e benannt, weil jede derselben unzählige Einzeldinge in, oder vielmehr unter sich begreift, also ein I n b e g r i f f derselben ist. Man kann sie auch definieren als Vorstellungen aus Vorstellungen. Denn bei ihnnen zerlegt das Abstraktionsvermögen die vollständigen, also anschaulichen Vorstellungen des Verstandes in ihre Bestandteile, um diese abgesondert, jeden für sich, denken zu können als die verschiedenen Eigenschaften oder Beziehungen der Dinge. Bei diesem Prozess büßen aber die Vorstellungen notwendig ihre Anschaulichkeit ein. Denn jede also ausgesondere (abstrahierte) Eigenschaft oder Beziehung lässt sich für sich allein wohl denken, jedoch nicht allein darum für sich allein auch anschauen. Die Bildung eines Begriffs besteht überhaupt dadurch, dass von dem anschaulich Gegebenen Vieles fallen gelassen wird, um dann das Übrige für sich allein denken zu können: derselbe ist ein Wenigerdenken, als angeschaut wird.
Da nun die zu abstrakten Begriffen sublimierten und dabei zersetzen Vorstellungen alle Anschaulichkeit eingebüßt haben, so würden sie dem Bewusstsein ganz entschlüpfen und ihm zu den damit beabsichtigten Denkoperationen gar nicht Stand halten, wenn sie nicht durch willkürliche Zeichen sinnlich fixiert und festgehalten würden: dies sind die W o r t e. Daher bezeichnen diese, so weit sie den Inhalt des Lexikonks, also die Sprache, ausmachen, stets allgemeine Vorstellungen, Begriffe, nie anschauliche Dinge.
Eben dadurch, dass Begriffe weniger enthalten, als die Vorstellungen daraus sie abstrahiert worden, sind sie leichter zu handhaben, und verhalten sich zu ihnen ungefähr wie die Formeln in der höheren Arithmetik zu den Denkoperationen, aus denen sie hervorgegangen sind und die sie vertreten, oder wie der Logarithmus zu seiner Zahl. Sie enthalten von den vielen Vorstellungen, aus denen sie abgezogen sind, gerade nur den Teil, den man eben braucht: statt dass, wenn man jene Vorstellungen selbst, durch die Phantasie, vergegenwärtigen wollte, man gleichsam eine Last von Unwesentlichem mitschleppen müsste und dadurch verwirrt würde: jetzt aber, durch Anwendung von Begriffen, denkt man nur die Teile und Beziehungen aller dieser Vorstellungen, die der jedesmalige Zweck erfordert. Überhaupt ist die Beschäftigung des Intellekts mit Begriffen, also die Gegenwart dieser im Bewusstsein, welche eigentlich und im engeren Sinne D e n k e n genannt wird. Sie verleiht dem Menschen B e s o n n e n h e i t, die dem Tiere abgeht, da sie ihn befähigt, tausend Dinge durch einen Begriff, in jedem aber immer nur das Wesentliche zu denken, wodurch er Unterschiede jeder Art, also auch die des Raumes und der Zeit beliebig fallen lassen kann, durch welchen Vorgang er wiederum in Gedanken die Übersicht der Vergangenheit und Zukunft, wie auch des Abwesenden erhält, während das Tier in jeder Hinsicht an die Gegenwart gebunden ist. Diese Fähigkeit sich zu besinnen, ist eigentlich die Wurzel aller theoretischen und praktischen Leistungen des Menschen: Sorge für die Zukunft, unter Berücksichtigung der Vergangenheit, sodann des absichtlichen, planmäßigen und methodischen Verfahrens bei jedem Vorhaben, daher des Zusammenwirkens vieler für einen Zweck, mithin der Ordnung, des Gesetzes, des Staates, usw. - Ganz besonders sind aber die Begriffe das eigentliche Material der Wissenschaften, deren Zwecke zuletzt darauf hinauslaufen, zur Erkenntnis des Besonderen durch das Allgemeine zu gelangen.
Des weiteren befähigt den Menschen, wie bereits oben angedeutet, das Abstraktionsvermögen, also die Vernunft zur Sprache, die daher den Tieren in jeder Hinsicht abgeht. Zwar reden einige Zoologen und Naturforscher, die auf die besonderen kognitiven Leistungen bestimmter Tierarten - wie z.B.: Delphinen oder Affen - hinweisen möchten, unverhohlen von sogenannten "Tiersprachen", diese falsche Gleichsetzung ändert aber nichts an der Tatsache , dass zwischen der menschlichen Sprache und den Kommunikationssystem von Tieren (die zugegebenermaßen erstaunlich komplex sein können) nicht bloß ein gradueller, sondern ein prinzipieller Unterschied besteht. Folgende Unterschiede sind dabei festzuhalten:
1. Tiere können zwar miteinander kommunizieren, aber nicht miteinander sprechen, in dem Sinne, wie zwei Menschen miteinander reden.
2. Tiere bewegen sich auf der Objektebene, der Mensch allein kann verschiedene Metaebenen einnehmen, was wiederum auf seinem Abstraktionsvermögen beruht.
3. Nur Menschen können ihre Sprache gezielt und bewusst verändern, Tiere verharren in ihrem instinktiv entwickelten Kommunikationssystem.
4. Tierische Lautäußerungen lassen sich nicht eindeutig segmentieren, wie zB.: Haus -> /h/+/au/+/s/. Das Bellen eines Hundes bspw. lässt sich nicht in /w/+/au/ (für Postbote zum Beispiel) oder /w/+/uff/ (für Haus).
Ich wollte mit dieser Betrachtung über die Eigentümlichkeit der menschlichen Sprache auf die am leichtesten erkennbare Äußerung der menschlichen Vernunft oder des Abstraktionsvermögens hinweisen.
[/LIST]ich denke, am einfachsten unterscheidet man verstand und vernunft durch die zielgerichtetheit der vernunft
in einem kurzen satz: verstand ist - vernunft will
dadurch ergeben sich die weiteren konkreten unterschiede...z.b. die abwesenheit moralischer aspekte im verstand, jedoch deren einbeziehung in der vernunft
ebenso die relative objektivität des verstandes, hingegen subjektivität der vernunft
vernunft bedarf eines verstandes, umgekehrt nicht unbedingt
Es ist wichtig, das Wollen, welches den eigentlichen Kern und das innere Wesen eines jeden Menschen ausmacht, scharf von der Vernunft zu trennen. Die Vernunft ist ein bloßes Erkenntnisvermögen. Der Intellekt - welcher beim Menschen ein doppelter ist - hält uns bloß Motive vor (die entweder in deutlich gedachten Gedanken der Vernunft oder bloßen anschaulichen Vorstellungen des Verstandes), die uns dann unserer Natur gemäß zum Handeln veranlassen. An diesen zur Tat gewordenen Entschlüsen wiederum erkennen wir, nicht nur an anderen sondern auch an uns selbst, wer wir sind und welchen Charakter wir besitzen. Des weiteren ist die Vernunft gerade jene Kraft, die zur Objektivität drängt, insofern sie uns in die Lage versetzt, uns an die Stelle eines anderen zu denken, mehrere Reflexionsebenen zu berücksichtigen und einen Erkenntnisgegenstand in den mannigfaltigsten Beziehungen zu betrachten (welches wiederum nur durch das Abstraktionsvermögen möglich wird, wie oben in Betrachtung genommen).
Deinem letzten Ausspruch stimme ich zu: die Basis aller Erkenntnis ist der Verstand, da er die Kausalbeziehungen zwischen den realen Objekten intuitiv auffasst und das eigentliche "Verstehen" ermöglicht. Durch die Vernunft wiederum fassen wir unsere intuitiven Erkenntnisse in Worte, um sie uns begreiflich zu machen und anderen Menschen mitteilen zu können. Die Vernunft ist bloß sekundär, ein hinzugekommenes Prinzip, das sich im Laufe der Evolution entwickelt hat (objektiv betrachtet durch das Gehirnwachstum, namentlich die Zunahme des Volumes des Großhirnes).
Meine Auffassung von Vernunft - die mMn auch angeboren sein kann - möchte ich mit einem Beispiel erklären:
Ein pubertierender Junge wird von einem ebensolchen Mädchen aufgefordert, seinen Mut insofern zu beweisen, dass er von 10 Metern Höhe auf einen Betonboden springt.
Ist der Junge vernunftbegabt, wird er sich denken, warum sollte ich wegen eines Mädchens hier meine Gesundheit oder sogar mein Leben riskieren, sicherlich gibt es mehrere attraktive Mädchen, die sich solche Verrücktheiten nicht ausbedingen.
Dass auch ein nicht vernunftbegabter Junge nicht springt, würde dann voraussetzen, dass er bereits fähig ist, das Gefühl der Angst (Angst vor Tod oder körperlichen Schaden) zu entwickeln, was in der Pubertät relativ selten ist.
Der weder vernunftbegabte (sei die Vernunft nun angeboren oder anerzogen) noch ängstliche Junge wird mit all' den für ihn negativen Folgen springen.
Obwohl die Vernunft ein angeborenes Vermögen ist, muss sie durch Erziehung zunächst "entwickelt" werden, wobei der erste Entwicklungsschritt in der Erlernung der eigenen Muttersprache besteht. Daher ist die Behauptung, so finde ich, "dass auch ein nicht vernunftbegabter Junge nicht springt" in dieser Hinsicht nicht ganz richtig, da ein solcher gar nicht in der Lage gewesen wäre, die sprachliche Äußerung des Mädchens zu verstehen und ihr Folge zu leisten.
Insofern die Vernunft unser H a n d e l n leitet, kann sie als p r a k t i s c h bezeichnet werden. Hier wiederum gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Inidividualitäten, was sich an ihren Handlungen absehen lässt. Wenn ein Mensch nicht dem unmittelbaren Eindruck der Gegenwart erliegt und sich bloß durch anschauliche Vorstellungen zum Handeln verleiten lässt (wodurch er sich im Grunde zum Tier herabsetzt, ohne damit jetzt ausdrücken zu wollen, das Tiere weniger wert sind als Menschen), sondern seine Handlungen überlegt, die einzelnen Motive, die als solche abstrakte Vorstellungen sein müssen, gegeneinander abwägt, dabei vergangene Erfahrungen berücksichtigt und die Konsequenzen seiner möglichen Handlungen ungefähr antizipiert, sich also nur durch abstrakte Begriffe und deutlich gedachte Gedanken entscheidet, mithin planvoll und wohlüberlegt handelt, dann handelt er v e r n ü n f t i g.
Darum ging es im Grunde genommen auch den Stoikern, deren Ziel ja bekanntlich die Erlangung von Geistesruhe durch Selbstbeherrschung und vernunftbestimmtes Handeln war. Selbstbeherrschung aber wiederum ist nur möglich durch Vernunft, da sie das Festhalten an einem vorgefassten Entschluss den ihm entgegenstehenden Motiven zum Trotz ist.
Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen ein wenig Licht in das Dunkel dieser Sache bringen.
Beste Grüße,
Andronikus