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Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

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AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Natürlich habe ich mir schon lange und auch sehr viele Gedanken dazu gemacht, wie ich selber meine Gedanken einbringen und in Richtung meiner Ziele wirken kann. Zumal ich in jungen Jahren politisch aktiv war.
Ich hab festgestellt, dass Gedanken dann aufgenommen werden, wenn ein Mensch eh dazu bereit ist - ist er das nicht, kann ich mir den Mund fusslig reden und es passiert trotzdem nichts.
Und das kapitalistische System, bzw. seine "Anhänger", vertritt ein anderes Wertesystem als ich selber.
Was bringt es mir, mich einem System unterzuordnen, dessen Werte ich nicht teile? Maximal passe ich mich aus Überlebensgründen scheinbar an....
Das war 's dann aber auch schon!

Hallo EarlyBird!

Dein letzter längerer Beitrag (der letzte ausführlichere Diskussionsbeitrag überhaupt zu dem von mir vorgeschlagenen Thema) bietet eines, über das es sich nachzudenken aufdrängt (mich wundert, dass das niemand aufgenommen hat). Mit dem, was du im obigen Zitat thematisierst, habe ich auch fortwährend zu kämpfen: Diskutieren oder scheinbare Anpassung an die anderen, an die selbsternannten "normalen" Menschen - was soll man tun. Ach, dass die Leute nicht mehr hören, wenn sie sich einmal im Leben nicht eine Meinung, sondern einen Charakter gebildet haben - das ist zum Aus-der-Haut fahren! Dass sie mit 25 Jahren oft schon fertig sind und kein Gedanke, kein logisches Argument mehr zu ihnen Zugang findet, das wäre Inhalt genug für ein ganzes Buch.

Auf der Rückseite des Reclam-Bändchens "Welt und Mensch" mit einer Textauswahl von Schopenhauer steht folgendes Zitat von ihm: "Ich rede bisweilen mit den Menschen so, wie das Kind mit seiner Puppe redet: es weiß zwar, daß die Puppe es nicht versteht; schafft sich aber, durch eine angenehme wissentliche Selbsttäuschung, die Freude der Mitteilung."

Was ich dir mit dem Zitat mitteilen möchte? - Dass man herausgefunden hat, dass es oft nicht hilft, mit den Menschen zu reden, hilft einem oft nichts. Man muss ja trotzdem mit ihnen reden. Und zwar muss man das, weil wir "die Freude der Mitteilung", weil wir das Gefühl mehr oder weniger geglückter Kommunikation brauchen wie das Wasser zum Trinken. Dass die Leute mich nicht einmal anhören wollen, ist also kein Grund für mich aufzuhören, ihnen meine Botschaften zu senden. Leider. Leider kann das kein Grund für mich sein. Obwohl er so logisch und folgerichtig erscheint.

Ein zweiter "schwerer" Gedanke: Du schreibst, das kapitalistische System vertrete ein anderes Wertesystem als du selber. Ich denke immer mehr, dass das kapitalistische Gesellschaftssystem überhaupt keine Werte vertritt. Und dass darin gerade seine Besonderheit besteht. Im kapitalistischen Wirtschaftssystem kann alles von hohem Wert sein, wenn nur die ANDEREN es wertschätzen. Der Clou der Marktwirtschaft ist also nicht, dass sie irgendwelche bestimmten Werte hätte, sondern dass sie immer irgendwelche Werte hat, nur müssen es die Werte der ANDEREN sein.

Ich erklär dir, was ich meine: Wenn du meinst, der Nachttopf deiner Urgroßmutter besitze unermeßlich großen Wert für dich. Dann entwertet die kapitalistische Gesellschaft diesen von dir erzeugten Wert, denn in ihr gibt es keinen Preis für den Nachttopf von EarlyBirds Urgroßmutter. Dagegen besitzt du z.B. eine alte Briefmarke. Diese ist dir persönlich gar nichts wert. Aber weil sich Sammler darum streiten, weißt du, dass sie 50 000 Euro, sagen wir, wert ist. Wirtschaft, das sind also immer die Werte der anderen, egal welche es gerade sind. Vielleicht kann man auch sagen: Wirtschaft hat den Zweck, dich von deinen eigenen Wertschätzungen abzulenken (um dich in die allgemeinen Wertschätzungen einzupassen). (Politiker und andere gut verdienende Menschen "erkaufen" sich dann wiederum eine gewisse Befreiung aus dieser Einpassung in die allgemeine Wertschätzund, indem sie soviel verdienen, dass sie nicht mehr genau wissen müssen, wieviel ein Liter Milch oder ein Kilo Brot kostet.)

Worauf mein zweiter Gedanke rausläuft: Wenn Philosophie darin besteht, dass der Mensch mit sich in einen inneren Dialog tritt, um herauszufinden, welche Dinge für ihn selbst wirklich von Wert sind, welche er wertschätzen will. Wenn Philosophie also - kurz gesagt- darin besteht, persönliche Werte aufzubauen. Und Wirtschaft darin, persönliche Werte zugunsten von (nicht von gemeinschaftlichen, sondern von) von anderen abgeguckten Werten erodieren zu lassen, dann erklärt sich die grundsätzliche Feindschaft zwischen Philosophie und Wirtschaft recht gut.

liebe grüße philohof
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Wenn man sich wirklich für etwas interessiert, findet man I.A. Mittel und Wege, es sich zu verschaffen.
Jemand, für den das Philosophieren ein Lebenselixier ist, der lässt sich von keinen Umständen davon abhalten. Schließlich kann man auch beim Arbeiten philosophieren. Es ist einfach so, dass Mensch Prioritäten setzen muss und an dem, was er letztendlich tut, kann man sehen, WELCHE er setzt!
D.h., besser du suchst gleich die, die die gleiche Priorotät wie du setzen!
Leute, die sagen: Wenn ich doch das und das hätte, oder wenn es so und so wäre....., hakst du besser gleich ab. Die sind noch nicht fähig, die Realität anzunehmen.

Hallo EarlyBird,
hier der 2. Teil meiner Reaktion. In dem, was du in diesem von mir zitierten Textstück hast, stimmt vieles. Wahrscheinlich stimmt vor allem die praktische Konsequenz, die aus dem von dir Ausgesagten folgt. Und dennoch würde ich es nicht so unkommentiert stehen lassen, denn es führt in bekannte logische Gegensatzpaare, die dem Denken hinderlich sind, weil sie für dasselbe sind wie Sackgassen für Autos.

Für jemanden, für den Philosophie Lebenselixir ist, der lässt sich von keinen Umständen davon abhalten. Ja, das ist richtig, aber. Aber: Es macht eben einen Unterschied, ob man allein philosophiert und dabei das Gefühl hat, haben muss, man ist der einzige Mensch, der das braucht, oder ob man dieses Bedürfnis auch mit anderen Mensch teilen kann. Und sei es nur, dass man weiß, dass da noch ein paar andere da draußen sind. (Ich möchte nur hinzufügen: Sokrates, den seine Mitbürger zum Tode verurteilt haben, starb dennoch in Gesellschaft von Freunden, die sogar geweint haben, als der den Schierlingsbecher trankt und mit denen er bis zum letzten Atemzug philosophieren konnte; Spinoza hatte in einer Zeit, in der es verboten und gefährlich war zu philosophieren, einen Kreis von Freunden, mit denen er sich eins wusste in seinen Erkenntnisinteressen und mit denen er eine brieflich kommunizierte. All das scheint es heute nicht mehr zu geben.)

Ich soll mir, meinst du, Menschen suchen, die die gleichen Prioritäten setzen wie ich. Also Menschen, die philosophieren wollen. Das stimmt sicher - aus genau dem Grund bin ich hier. Alles andere hat wenig Erfolgsaussichten. Und trotzdem: Da überschätzt du die Menschen. Die Menschen sind nicht so stark und entschieden, dass sie sich auf die Seite der Philosophie stellen würden, wenn es Philosophie ist, was sie lockt. Im Gegenteil, diese Strategie beinhaltet sogar Gefahren: Ist man so orientiert, dann konzentriert man sich nur noch auf die Philosophie-Junkies, auf jene, die ohnehin schon vom Philosophievirus angesteckt sind. Das trägt nicht dazu bei, die Gruppe der Philosophierenden zu vergrößern.

Was du mit den Leuten meinst, die die Realität noch nicht ganz akzeptieren können, weiß ich nicht - das kommt vielleicht aus deinen Erfahrungen als politischer Aktivist. Ich jedenfalls war bei deinen Zeilen errinnert an eine Diskussion, die ich mit einem sehr erfolgsorientierten Freund von mir immer wieder habe. Er als erfolgsorientierter Mensch missversteht meine Motivation in der Philosophie immer wieder als ebenfalls erfolgsorientierte, weil ich einen Haufen Texte produziere. Er versteht nicht, dass sie intrinsisch orientiert ist. Ich will also nicht in erster Linie Erfolg haben mit meinem Philosophieren, sondern ich will philosophieren. Aber. Und jetzt kommt das große Aber: Der Gegensatz, dass man entweder erfolgsorientiert ist oder intrinsisch motiviert stimmt eben auch nicht. Auch der intrinsisch motivierte Mensch - was immer er tut - benötigt nämlich ein Mindestmaß an Erfolg. Eine kleine Zahl von Freunden oder Mitstreitern, die ihm die emotionale Stütze gewähren, dass er nicht völlig verrückt ist (weil er ganz allein ist gegenüber der Welt), sondern dass es möglicherweise doch die anderen sind, die verrückt sind. Oder: Weil wir über Selbstgenügsamkeit in der Philosophie gesprochen haben. Auch bei der eigenen Seele erlebt der Mensch das Bedürfnis, dieselbe mit Menschen bevölkern zu können, die seinen Bemühungen mit Zustimmung und Wohlgefallen zusehen. Wir Philosophierende können uns also nicht permanent in die Einsamkeit zurückziehen - wir sind ja auf keiner Insel, auf der wir notgedrungen wären, weil wir dort als Schiffbrüchige gestrandet sind. Wären wir Schiffbrüchige auf einer Insel wären wir nicht so allein, denn wir könnten in unserer Seele allerhand Gedanken entwickeln mit der Einbildung, dass die Menschen sie uns mit Begeisterung aus der Hand reißen würden, sobald wir nur in die Zivilisation zurückkämen. Wälzen wir aber dergleichen Gedanken, während wir in einer Stadt leben und von einer Vielzahl von Menschen umgeben sind, dann spüren wir auch in unserem Inneren, dass wir diese Gedanken eigentlich GEGEN unsere Mitmenschen, gegen ihren bevorzugten Lebensstil, und gegen die Gesellschaft, in der wir leben, denken. Und wenn das so ist, dann ist das eben so: Es gibt also dieses rein private Philosophieren mit sich selber nicht. Sobald wir philosophieren, treten wir in einen Dialog mit der Welt. Und da ist es gleich, ob wir unsere philosophischen Botschaften veröffentlichen oder sie in unserem Herzen einschließen, den anderen Dialogpartner, die Welt haben wir immer bei uns. Die verlässt uns nicht und lässt uns nicht in Ruhe.
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Hm, ich hab zwar in meinem Leben wirklich viel gelesen, allerdings nicht steuerbefreit, aber die wahren Erkenntnisse kommen doch nicht wirklich aus Büchern! Bzw., es genügen im Grunde wenige Werke, die das eigene Interesse und Sehnen treffen und die man dann zum Anlass nimmt, wirklich sein Denken umzustellen. Aber auch die sind nicht wirklich nötig, denn wir haben ja das ganze Anschauungsmaterial immer offen vor uns liegen, wir brauchen nur hinzugucken!

Hallo EarlyBird! Noch ein 3. Mal: Die wahren Erkenntnisse kommen nicht aus Büchern bzw. es genügen einige wenige Bücher - alles in mir schreit eigentlich, dass das nicht wahr ist. Ich habe in meinem Leben schon viele Bücher gelesen und viele davon waren auch sehr gut - und dennoch bin ich mit meinem Denken immer am Ende und würde genau jetzt ein Buch brauchen, dass mir weiter hilft. Es ist die Frage, warum das so ist? Haben alle die guten Bücher nicht gereicht, um mich ein für alle Mal geistig selbstständig und seelisch ausgeglichen zu machen? Aber vielleicht ist es ja auch so (denn ich möchte all die guten Bücher, die ich gelesen habe, auch nicht missen): Ein jedes dieser Bücher hat mir einen Schritt weitergeholfen und jetzt stehe ich erneut vor unwegbarem Gelände und benötigte ein Buch oder einen Text, der mir mit seinem Rat eine Bresche in das vor mir liegende Gestrüpp schlägt. Aber auch wenn ich die Sache rückblickend beurteile: Der Philosophiebegriff allein ist so verwirrend. Wenn ich da ein paar Bücher nicht oder dafür andere Bücher gelesen hätte, wäre ich auf einem komplett anderen Weg gelandet.

Nein, es ist also nicht so, dass man mit ein paar Büchern genug hätte oder nur mit der Anschauung. Was auf der anderen Seite aber auch nicht heißt, dass ich Leute geringschätze, die wenig gelesen oder sich nur die Welt angeschaut hätten. Nein, das soll jeder halten, wie er oder sie will. Aber: Ich glaube dieses Thema doch im Grunde nur ein Symptom für ein größeres Problem. Für eine schweigende, drängende, aber nicht geführte Diskussion. Ich meine, warum diskutieren wir denn über den selbstgenügsamen Philosophierenden, der sich an die Welt, die andere Werte als er selber hat, zum Schein anpasst und in seinem privaten Bereich für sich selber philosophiert und dort auch für sich selber weiß, was wahr ist? Das sind Bilder, "Ideale" (in einem fast schon zynischen oder ironischen Sinn), die aus der Erfahrung heraus entstehen, dass die Welt in ihrem derartigen Zustand sich nichts mit uns anzufangen weiß.

Aber ich möchte darauf hinweisen, dass das irreale, unverwirklichbare Ideale sind (auch wenn ich selbst mich auch irgendwann einmal in einen Garten zurückziehen möchte, wenn ich der Welt müde bin). Denn: Alles im Menschen drängt zur Kommunikation. Und: Alles in der Philosophie drängt zur Kommunikation.

Es ist daher nicht - wie du meinst, EarlyBird - dass ich eben im Gegensatz zu deiner resignativen Haltung eine Vision und ein konkretes Ziel hätte. Nein, ich empfinde ebensoviel an resignativer Müdigkeit wie du und gar keinen visionären Elan. Aber ich weiß nur das Eine: Philosophieren ist nicht einfach sich zurückzuziehen und zu meditieren, wie das der fernöstliche Weise unserem Bild von ihm nach tut. Sondern Philosophieren ist immer wieder Sprechen über die Gedanken, die man entwickelt. Sei es innerliches Sprechen (mit den Freunden in einem selber), sei es nach außen hin das Ansprechen von realen Menschen. Aber Philosophie ist nichts anderes als dieser Umgang mit Gedanken, die sich mitteilen wollen. Man muss daher auch immer wieder diese unverständige und verständnislose Welt ansprechen, obwohl man schon weiß, dass sie nicht verstehen wird, was man sagt. Aber das hat unsere menschliche Umwelt ja auch mit der materialen Welt gemeinsam, dass sie undurchdringlich ist. Die Dichte eines Steins (wie das aller Naturdinge), meinte Albert Camus, sei uns so entgegengesetzt, dass sie unser menschliches Leben absolut verneine - und es dadurch absurd mache. Die menschliche Welt ist nicht viel weniger dicht und uns in unseren Lebensentwürfen verneinend.

Mit einem Wort, es geht nicht, dass wir immer sagen: So ist die Welt und deshalb können wir dieses und jenes nicht tun. Wir leben ja, so wie wir es wollen, weil wir es so wollen und obwohl die Welt absurd ist. Die Welt wird absurd bleiben. Ebenso unser Bemühen, anderen Menschen Philosophie nahezubringen. Das sind alles keine Gründe, um damit aufzuhören.

Meint jedenfalls Dein
philohof
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Hi philohof! :)

Da hast du mir ja eine Menge Stoff zum Überdenken gegeben! :)
Ich greife mal nach und nach Verschiedenes auf...


Was ich dir mit dem Zitat mitteilen möchte? - Dass man herausgefunden hat, dass es oft nicht hilft, mit den Menschen zu reden, hilft einem oft nichts. Man muss ja trotzdem mit ihnen reden. Und zwar muss man das, weil wir "die Freude der Mitteilung", weil wir das Gefühl mehr oder weniger geglückter Kommunikation brauchen wie das Wasser zum Trinken. Dass die Leute mich nicht einmal anhören wollen, ist also kein Grund für mich aufzuhören, ihnen meine Botschaften zu senden. Leider. Leider kann das kein Grund für mich sein. Obwohl er so logisch und folgerichtig erscheint.


Hm..... Ja, ich war wohl wirklich etwas resigniert beim Antworten. Natürlich kommt man nicht umhin, sich immer wieder mitzuteilen! Es ist auch wichtig, denn nur so hat man die Chance Geistesverwandte zu finden! :)


Ein zweiter "schwerer" Gedanke: Du schreibst, das kapitalistische System vertrete ein anderes Wertesystem als du selber. Ich denke immer mehr, dass das kapitalistische Gesellschaftssystem überhaupt keine Werte vertritt. Und dass darin gerade seine Besonderheit besteht. Im kapitalistischen Wirtschaftssystem kann alles von hohem Wert sein, wenn nur die ANDEREN es wertschätzen. Der Clou der Marktwirtschaft ist also nicht, dass sie irgendwelche bestimmten Werte hätte, sondern dass sie immer irgendwelche Werte hat, nur müssen es die Werte der ANDEREN sein.

Ich erklär dir, was ich meine: Wenn du meinst, der Nachttopf deiner Urgroßmutter besitze unermeßlich großen Wert für dich. Dann entwertet die kapitalistische Gesellschaft diesen von dir erzeugten Wert, denn in ihr gibt es keinen Preis für den Nachttopf von EarlyBirds Urgroßmutter. Dagegen besitzt du z.B. eine alte Briefmarke. Diese ist dir persönlich gar nichts wert. Aber weil sich Sammler darum streiten, weißt du, dass sie 50 000 Euro, sagen wir, wert ist. Wirtschaft, das sind also immer die Werte der anderen, egal welche es gerade sind.


Hm, das sehe ich etwas anders. Das kapitalistische System legt in erster Linie Wert auf Geld, auf materielles Vermögen. Trotzdem gibt es natürlich auch individuelle Werte, aber die bestimmt jeder selbst. Niemand wird gezwungen Briefmarken zu sammeln und viel Geld dafür auszugeben.
Und natürlich ist es auch klar, dass rein persönliche Dinge auch nur einen rein persönlichen Wert haben. Wobei ich mir auch vorstellen kann, dass es Menschen gibt, die Nachttöpfe sammeln! :D


Vielleicht kann man auch sagen: Wirtschaft hat den Zweck, dich von deinen eigenen Wertschätzungen abzulenken (um dich in die allgemeinen Wertschätzungen einzupassen).


Diesen Zweck würde ich eher der Werbung zuschreiben....
Wirtschaft hat viele Funktionen. Geld verdienen ist nur eine davon.
Ich sag mal so, wenn ich selbst weiß, worauf ich Wert lege, kann es mir auch niemand mehr ausreden. Das Leben ist u.a. auch eine Suche nach dem, was man selbst wertschätzt. Früher oder später macht sich jede Anpassung, die einem nicht wirklich entspricht, durch Frustration und Sinnlosigkeitsgefühle, vielleicht sogar Krankheit bemerkbar. Und dann beginnt man automatisch zu suchen....


(Politiker und andere gut verdienende Menschen "erkaufen" sich dann wiederum eine gewisse Befreiung aus dieser Einpassung in die allgemeine Wertschätzund, indem sie soviel verdienen, dass sie nicht mehr genau wissen müssen, wieviel ein Liter Milch oder ein Kilo Brot kostet.)


Das verstehe ich jetzt nicht. Inwiefern befreie ich mich durch Einkommen von der allgemeinen Wertschätzung?
Individuelle Wertschätzung bildet sich durch persönliche Erfahrungen aus. Meist durch Mangelerfahrungen. Erst, wenn mir etwas fehlt, kann ich es auch wertschätzen.
Insofern ist es schon ok, auch das Geld zu schätzen. Aber man sollte nie vergessen, dass es keinen Wert an sich besitzt, sondern nur Mittel zum Zweck ist.


LG

EarlyBird :)
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Hallo EarlyBird,
hier der 2. Teil meiner Reaktion. In dem, was du in diesem von mir zitierten Textstück hast, stimmt vieles. Wahrscheinlich stimmt vor allem die praktische Konsequenz, die aus dem von dir Ausgesagten folgt. Und dennoch würde ich es nicht so unkommentiert stehen lassen, denn es führt in bekannte logische Gegensatzpaare, die dem Denken hinderlich sind, weil sie für dasselbe sind wie Sackgassen für Autos.

Für jemanden, für den Philosophie Lebenselixir ist, der lässt sich von keinen Umständen davon abhalten. Ja, das ist richtig, aber. Aber: Es macht eben einen Unterschied, ob man allein philosophiert und dabei das Gefühl hat, haben muss, man ist der einzige Mensch, der das braucht, oder ob man dieses Bedürfnis auch mit anderen Mensch teilen kann. Und sei es nur, dass man weiß, dass da noch ein paar andere da draußen sind. (Ich möchte nur hinzufügen: Sokrates, den seine Mitbürger zum Tode verurteilt haben, starb dennoch in Gesellschaft von Freunden, die sogar geweint haben, als der den Schierlingsbecher trankt und mit denen er bis zum letzten Atemzug philosophieren konnte; Spinoza hatte in einer Zeit, in der es verboten und gefährlich war zu philosophieren, einen Kreis von Freunden, mit denen er sich eins wusste in seinen Erkenntnisinteressen und mit denen er eine brieflich kommunizierte. All das scheint es heute nicht mehr zu geben.)


Hi philohof! :)


Ich denke mal, dass es früher von philosophischen Freundeskreisen auch nicht grade gewimmelt hat und dass mancher Philosoph die gleiche Sehnsucht wie du hatte. Manch einer hat vielleicht nie gefunden, was er suchte...
Aber heutzutage ist die Chance - dank Internet - erheblich größer, Gleichgesinnte zu finden. :)


Ich soll mir, meinst du, Menschen suchen, die die gleichen Prioritäten setzen wie ich. Also Menschen, die philosophieren wollen. Das stimmt sicher - aus genau dem Grund bin ich hier. Alles andere hat wenig Erfolgsaussichten. Und trotzdem: Da überschätzt du die Menschen. Die Menschen sind nicht so stark und entschieden, dass sie sich auf die Seite der Philosophie stellen würden, wenn es Philosophie ist, was sie lockt. Im Gegenteil, diese Strategie beinhaltet sogar Gefahren: Ist man so orientiert, dann konzentriert man sich nur noch auf die Philosophie-Junkies, auf jene, die ohnehin schon vom Philosophievirus angesteckt sind. Das trägt nicht dazu bei, die Gruppe der Philosophierenden zu vergrößern.


Hm, höre ich da "kapitalistische" Tendenzen raus? Willst du Anderen was verkaufen, das sie eigentlich - wenn vielleicht auch noch - nicht benötigen? :D ;)


Was du mit den Leuten meinst, die die Realität noch nicht ganz akzeptieren können, weiß ich nicht - das kommt vielleicht aus deinen Erfahrungen als politischer Aktivist. Ich jedenfalls war bei deinen Zeilen errinnert an eine Diskussion, die ich mit einem sehr erfolgsorientierten Freund von mir immer wieder habe. Er als erfolgsorientierter Mensch missversteht meine Motivation in der Philosophie immer wieder als ebenfalls erfolgsorientierte, weil ich einen Haufen Texte produziere. Er versteht nicht, dass sie intrinsisch orientiert ist. Ich will also nicht in erster Linie Erfolg haben mit meinem Philosophieren, sondern ich will philosophieren. Aber. Und jetzt kommt das große Aber: Der Gegensatz, dass man entweder erfolgsorientiert ist oder intrinsisch motiviert stimmt eben auch nicht. Auch der intrinsisch motivierte Mensch - was immer er tut - benötigt nämlich ein Mindestmaß an Erfolg. Eine kleine Zahl von Freunden oder Mitstreitern, die ihm die emotionale Stütze gewähren, dass er nicht völlig verrückt ist (weil er ganz allein ist gegenüber der Welt), sondern dass es möglicherweise doch die anderen sind, die verrückt sind.


Man ist doch nicht verrückt, weil man anders ist! Menschen haben nun mal unterschiedliche Bedürfnisse. Aber es gibt auch Menschen, die andere belächeln, weil sie eine andere Automarke als sie selber bevorzugen! :D


Oder: Weil wir über Selbstgenügsamkeit in der Philosophie gesprochen haben. Auch bei der eigenen Seele erlebt der Mensch das Bedürfnis, dieselbe mit Menschen bevölkern zu können, die seinen Bemühungen mit Zustimmung und Wohlgefallen zusehen. Wir Philosophierende können uns also nicht permanent in die Einsamkeit zurückziehen - wir sind ja auf keiner Insel, auf der wir notgedrungen wären, weil wir dort als Schiffbrüchige gestrandet sind. Wären wir Schiffbrüchige auf einer Insel wären wir nicht so allein, denn wir könnten in unserer Seele allerhand Gedanken entwickeln mit der Einbildung, dass die Menschen sie uns mit Begeisterung aus der Hand reißen würden, sobald wir nur in die Zivilisation zurückkämen. Wälzen wir aber dergleichen Gedanken, während wir in einer Stadt leben und von einer Vielzahl von Menschen umgeben sind, dann spüren wir auch in unserem Inneren, dass wir diese Gedanken eigentlich GEGEN unsere Mitmenschen, gegen ihren bevorzugten Lebensstil, und gegen die Gesellschaft, in der wir leben, denken. Und wenn das so ist, dann ist das eben so: Es gibt also dieses rein private Philosophieren mit sich selber nicht. Sobald wir philosophieren, treten wir in einen Dialog mit der Welt. Und da ist es gleich, ob wir unsere philosophischen Botschaften veröffentlichen oder sie in unserem Herzen einschließen, den anderen Dialogpartner, die Welt haben wir immer bei uns. Die verlässt uns nicht und lässt uns nicht in Ruhe.


Hm, ich seh das so, man denkt nur GEGEN die Mitmenschen, solange man sie ändern möchte. Und ändern möchte man Andere, wenn man mit seinen eigenen Werten noch nicht richtig klar kommt.

Soviel mal für jetzt! :)


LG

EarlyBird :)
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

.......

Man ist doch nicht verrückt, weil man anders ist! ....

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Und wer in bestimmten Situationen/Kontexten/Lebenslagen seinen Verstand nicht verliert :wut3:, hat auch keinen zu verlieren, vermutet moebius.
Ausserdem ist ein verrückter Mensch immer auch ein ver-rückter Mensch... - und Normopathie (= Identifikation mit dem statistischen normalen unauffälligen Durchschnitt = norm-gerechten Verhalten ) ist auch eine Krankheit, oder etwa nicht ???
Man(n)/frau vgl. hierzu:
http://www.amazon.de/Irre-behandeln-Falschen-Normalen-Seelenkunde/dp/3579068792
moebius
 
AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft

Hm, ich seh das so, man denkt nur GEGEN die Mitmenschen, solange man sie ändern möchte. Und ändern möchte man Andere, wenn man mit seinen eigenen Werten noch nicht richtig klar kommt.

man muß ja nicht immer gleich den anderen Menschen ändern wollen. Manchmal reicht es auch, ihn temporär zu sperren. Na gut, manchmal vielleicht auch nicht...

Der Rote Baron
 
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