AW: Ein Ort für die Philosophie in der Gesellschaft
Wenn man sich wirklich für etwas interessiert, findet man I.A. Mittel und Wege, es sich zu verschaffen.
Jemand, für den das Philosophieren ein Lebenselixier ist, der lässt sich von keinen Umständen davon abhalten. Schließlich kann man auch beim Arbeiten philosophieren. Es ist einfach so, dass Mensch Prioritäten setzen muss und an dem, was er letztendlich tut, kann man sehen, WELCHE er setzt!
D.h., besser du suchst gleich die, die die gleiche Priorotät wie du setzen!
Leute, die sagen: Wenn ich doch das und das hätte, oder wenn es so und so wäre....., hakst du besser gleich ab. Die sind noch nicht fähig, die Realität anzunehmen.
Hallo EarlyBird,
hier der 2. Teil meiner Reaktion. In dem, was du in diesem von mir zitierten Textstück hast, stimmt vieles. Wahrscheinlich stimmt vor allem die praktische Konsequenz, die aus dem von dir Ausgesagten folgt. Und dennoch würde ich es nicht so unkommentiert stehen lassen, denn es führt in bekannte logische Gegensatzpaare, die dem Denken hinderlich sind, weil sie für dasselbe sind wie Sackgassen für Autos.
Für jemanden, für den Philosophie Lebenselixir ist, der lässt sich von keinen Umständen davon abhalten. Ja, das ist richtig, aber. Aber: Es macht eben einen Unterschied, ob man allein philosophiert und dabei das Gefühl hat, haben muss, man ist der einzige Mensch, der das braucht, oder ob man dieses Bedürfnis auch mit anderen Mensch teilen kann. Und sei es nur, dass man weiß, dass da noch ein paar andere da draußen sind. (Ich möchte nur hinzufügen: Sokrates, den seine Mitbürger zum Tode verurteilt haben, starb dennoch in Gesellschaft von Freunden, die sogar geweint haben, als der den Schierlingsbecher trankt und mit denen er bis zum letzten Atemzug philosophieren konnte; Spinoza hatte in einer Zeit, in der es verboten und gefährlich war zu philosophieren, einen Kreis von Freunden, mit denen er sich eins wusste in seinen Erkenntnisinteressen und mit denen er eine brieflich kommunizierte. All das scheint es heute nicht mehr zu geben.)
Ich soll mir, meinst du, Menschen suchen, die die gleichen Prioritäten setzen wie ich. Also Menschen, die philosophieren wollen. Das stimmt sicher - aus genau dem Grund bin ich hier. Alles andere hat wenig Erfolgsaussichten. Und trotzdem: Da überschätzt du die Menschen. Die Menschen sind nicht so stark und entschieden, dass sie sich auf die Seite der Philosophie stellen würden, wenn es Philosophie ist, was sie lockt. Im Gegenteil, diese Strategie beinhaltet sogar Gefahren: Ist man so orientiert, dann konzentriert man sich nur noch auf die Philosophie-Junkies, auf jene, die ohnehin schon vom Philosophievirus angesteckt sind. Das trägt nicht dazu bei, die Gruppe der Philosophierenden zu vergrößern.
Was du mit den Leuten meinst, die die Realität noch nicht ganz akzeptieren können, weiß ich nicht - das kommt vielleicht aus deinen Erfahrungen als politischer Aktivist. Ich jedenfalls war bei deinen Zeilen errinnert an eine Diskussion, die ich mit einem sehr erfolgsorientierten Freund von mir immer wieder habe. Er als erfolgsorientierter Mensch missversteht meine Motivation in der Philosophie immer wieder als ebenfalls erfolgsorientierte, weil ich einen Haufen Texte produziere. Er versteht nicht, dass sie intrinsisch orientiert ist. Ich will also nicht in erster Linie Erfolg haben mit meinem Philosophieren, sondern ich will philosophieren. Aber. Und jetzt kommt das große Aber: Der Gegensatz, dass man entweder erfolgsorientiert ist oder intrinsisch motiviert stimmt eben auch nicht. Auch der intrinsisch motivierte Mensch - was immer er tut - benötigt nämlich ein Mindestmaß an Erfolg. Eine kleine Zahl von Freunden oder Mitstreitern, die ihm die emotionale Stütze gewähren, dass er nicht völlig verrückt ist (weil er ganz allein ist gegenüber der Welt), sondern dass es möglicherweise doch die anderen sind, die verrückt sind. Oder: Weil wir über Selbstgenügsamkeit in der Philosophie gesprochen haben. Auch bei der eigenen Seele erlebt der Mensch das Bedürfnis, dieselbe mit Menschen bevölkern zu können, die seinen Bemühungen mit Zustimmung und Wohlgefallen zusehen. Wir Philosophierende können uns also nicht permanent in die Einsamkeit zurückziehen - wir sind ja auf keiner Insel, auf der wir notgedrungen wären, weil wir dort als Schiffbrüchige gestrandet sind. Wären wir Schiffbrüchige auf einer Insel wären wir nicht so allein, denn wir könnten in unserer Seele allerhand Gedanken entwickeln mit der Einbildung, dass die Menschen sie uns mit Begeisterung aus der Hand reißen würden, sobald wir nur in die Zivilisation zurückkämen. Wälzen wir aber dergleichen Gedanken, während wir in einer Stadt leben und von einer Vielzahl von Menschen umgeben sind, dann spüren wir auch in unserem Inneren, dass wir diese Gedanken eigentlich GEGEN unsere Mitmenschen, gegen ihren bevorzugten Lebensstil, und gegen die Gesellschaft, in der wir leben, denken. Und wenn das so ist, dann ist das eben so: Es gibt also dieses rein private Philosophieren mit sich selber nicht. Sobald wir philosophieren, treten wir in einen Dialog mit der Welt. Und da ist es gleich, ob wir unsere philosophischen Botschaften veröffentlichen oder sie in unserem Herzen einschließen, den anderen Dialogpartner, die Welt haben wir immer bei uns. Die verlässt uns nicht und lässt uns nicht in Ruhe.