• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Die Schattenseiten der Philosophie?

Ich erinnere mich dabei für die Rechtfertigung gerne an deine Vorwürfe bezüglich Mogelpackung, Abgreifung von Drittwissen etc., deine Anspielungen auf „los“ und deine wiederholte Patentmetapher. Und das natürlich im Zusammenhang von „wir beide kennen uns doch gar nicht“ - da kann ich dann nur jaein sagen, während „los“ halt klar ist, hat sich Bernies Sage noch nicht zu erkennen gegeben, kokettiert aber damit, gleiche Foren besucht zu haben und somit auch ein bereits schriftliches Kennen nicht auszuschließen. Also entweder Du hättest deine Anspielungen für dich behalten oder mit deinem Nick selbiges wie ich tun sollen, aber so fehlt mir schlicht die Gutbürgerliche.

Insofern gebe ich dein „Schämen Sie sich“ nur wieder weiter an dich, Entschuldigung, wir sind ja wieder beim Sie angekommen, an Sie weiter...

Echt schade, dass hinter einem interessanten Menschen wie Ihnen/dir, eine solch verlogene Type stecken kann, eben nach dem Motto von Bernies Sage als Mensch und Schausteller, der sich wohl je nach Belieben in seine Kunstfigur inkarnieren kann, um hernach noch behaupten zu können: "Künstler lügen, um die Wahrheit aufzuzeigen, Politiker, um die Wahrheit zu vertuschen."?
 
Zuletzt bearbeitet:
Werbung:
Ist vergleichbar mit einem Luftballon, als Kind versucht man damit zu spielen und irgendwoher taucht irgendwas auf und macht ein Loch hinein. Und was ausgeblasen wird, ist das, was den Luftballon erst lebendig gemacht hat. So ähnlich geht es mir dann mit den Psychosauriern, deren Selbstverblendung ist soweit fortgeschritten, dass sie sogar Eindruck machen: Sie können einem das Fleisch bei lebendigem Leibe abziehen, ziehen sich das noch an und verteilen dann Modetips für die zurückgebliebenen Fleischlosen.

Unter den Psychosaurieren gibt es neben den Narzissten noch die Paranoiden, die sind mir da schon fast lieber, mit ihren permanten Anspielungen und Mutmaßungen, dass man mit dem Teufel im Bünde stünde und dann noch zum wiederholten und unzähligen Male das Gegenteil beweisen soll, obwohl man, also ich, mich in diesem Boot mit Teufel sehe und eben wie der Alternativator für Deutschland der selben Partei angehöre?! So sitzt man halt im selben Boot, je nach hierarchischem Geist und behauptet ein solches Boot träfe schon die Rechten, wenn es untergeht. Dass man allerdings im selben Boot sitzen kann und dennoch nicht wie Freund und Freund zusammengehört, das beweisen doch auch die Flüchtlingsboote?! Um diesem auszuweichen unterstellt man sicherheitshalber wirtschaftliche Interessen, so als ob man mit seinem Gutmenschengetue vom hierarchischen Geist Stopp, sich nicht vorstellen könnte, das erste und dritte Klasse in einem Boot sitzen: Wer will sich schon in seiner eigenen Sage nachsagen lassen, im selben Boot gesessen zu haben!

Im Übrigen, @Bernies Sage, wenn Du mich schon zwingen willst Position zu „Hau den Lukas“ zu beziehen bzw. mich als lästiges Schuppengetier aus den Haaren von jenem entlarvst, dann sollte dir zumindest auch noch gesagt sein, dass es in deiner postulierten Funktionssprache um Universalität und Räumlichkeit geht, dass eine solche Sprache dann Begehrlichkeiten weckt, weil man sich selbst darin finden muss, aber eben halt nicht will, weil, eben, wegen dem verschissenen hierarchischen Geist, dann muss ich deine Käuflichkeit geradezu dir in die Schuhe schieben, mit deinem Patent für Biologen und handkehrum für deine Partei, die eben wie die Wissenschaften selbst, nicht weniger zum Zustand unserer Welt beigetragen haben, wie die Alternativatoren für Deutschland.

Wäre es dir um etwas anderes gegangen, hättest Du dich auf die freudvollen Aspekte meines Beitrags gestürzt. Aber vielleicht ist da im hierarchischen Geist auch erst noch etwas zu klären, also im niederen oder höheren Beweggrund, der ja irgendwoher auch kommen muss, außerhalb der Zeit vom Grund der Bewegung.

Naja, tatsächlich hat sich da mein Mut ein Gespräch zu suchen als alternativlos für mich erwiesen - Schade, oder so!
Also ich würd' ja sagen: Beim Luftballon geblieben wär' rundherum besser gew(i)esen! :D
 
Hoppla, was sind denn das für unsaubere Querschläger, mit welchen Sie mir hier "in die Schuhe helfen" wollen? - Schämen Sie sich!

Schade eigentlich um die Vergiftung der Gesprächskultur, die ich nicht zu vertreten habe. Wir beide kennen uns doch gar nicht und die mir von Ihnen zugewiesenen Unterstellungen sind bewusst von Ihnen völlig aus der Luft gegriffen, um mich aus der Reserve zu locken.

Immerhin vermag ich zu erkennen, dass ich es hier nicht mit einem Philosophen zu tun haben kann, der hätte sich gewählter ausgedrückt.



Gut zu wissen: << Ganz unten auf dem Grunde des Lebendigseins treffen wir auf die Metapher. >> (Gregory Bateson)

Bernies Sage
Hölderlin auf Mathematik-Visionen zur Zeit des Faschismus hin zu lesen bedeutet sicher etwas ganz anderes, als mit der gleichen Frage an Platon, Kepler oder Leibniz zu gehen. Er war kein Mathematiker und hat sich auch nicht wie Novalis oder Hegel intensiv mit Mathematik beschäftigt. Hier geht es um ein besseres Verständnis der tiefen Beunruhigung, die die Mathematik bei immer mehr Intellektuellen hervorrief und die zur Vorgeschichte des Faschismus gehört.

Zwei Beispiele, was gemeint ist: Robert Musil (1880 - 1942) war einige Zeit in einer österreichischen Elite-Schule ausgebildet worden und hatte dort die Generation kennen gelernt, die später Wortführer des Faschismus werden sollte. Schon 1902 begann er in "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" aufzuschreiben, was dort los war. Die Lehrer kommen einfach nicht vor. Kein Lehrer ist fähig zu einer "Seelenerziehung", wie sie z.B. noch wenige Jahrzehnte vorher Adalbert Stifter erfahren hat. Sie werden nicht ernst genommen. Die Schüler revoltieren nicht einmal gegen sie, nirgends auch nur eine Andeutung von "Feuerzangenbowlen"-Humor. Der Mathematiklehrer blamiert sich ebenso wie der Religionslehrer. Den Schülern fehlte jede Orientierung. Wenn überhaupt, fühlen sie sich verstanden in Gedichtzeilen wie "Sobald wir etwas aussprechen, entwerten wir es seltsam" (Maeterlinck). Nur vor der Mathematik hatte Törleß "Respekt" und vor den "fürchterlichen Dingen", die da gedacht werden. Weiß sie eine Antwort auf das Irrationale und Imaginäre, auf das Transzendente, wo es doch irrationale, imaginäre und transzendente Zahlen gibt? Der Besuch bei seinem Lehrer wird eine einzige Enttäuschung. Die Mitschüler haben solche Fragen schon lange aufgegeben und verstehen sich als eine neue Generation, wie es noch kaum eine vor ihr gegeben hatte, mit einer Freude am hemmungslosen Quälen und dem Verlust jeder Selbstachtung, die ohnegleichen sind.

Alfred Baeumler war 7 Jahre jünger als Musil. Kunsthistorische Studien bei Wölfflin hatte er bald zugunsten der "strengeren Schule" des Neukantianismus aufgegeben. "In der Atmosphäre dieser Begriffsarbeit lebte ich auf." (Baeumler, "Mein Weg als Schriftsteller", S. 241). Offenbar suchte er in einer an der Mathematik orientierten Philosophie eine Klarheit und Lösung, die ihm sonst nicht geboten werden konnte. Doch dann kamen der erste Weltkrieg, die Schriften von Pfitzner, Thomas Manns "Betrachtungen eines Unpolitischen", das Hegel- und Kierkegaard-Studium, und schließlich brach er seine logischen Studien ab. Unbewältigt blieb eine große Enttäuschung zurück. 1967 schrieb er im Rückblick:

"Ich stand im Banne einer Philosophie, die nichts anerkannte, was sich nicht auf logische Grundformen zurückführen ließ. Als ich einsah, dass aus der logischen Entwicklung der kategorischen, hypothetischen und disjunktiven Form nichts zu gewinnen war, ließ ich die Arbeit liegen." (Baeumler, "Irrationalitätsproblem", S. 353)

Stattdessen entdeckte er mit Bachofen die chthonischen Mächte und das Mutterrecht, aber auch den Hass auf die Juden. Kurz vor seinem endgültigen Bekenntnis zum Nationalsozialismus hielt er 1931 ein letztes Mal Rückschau auf "die geistesgeschichtliche Lage im Spiegel der Mathematik und Physik", bevor er 1933 als Höhepunkt seiner Antrittsvorlesung in Berlin gemeinsam mit Goebbels die erste Bücherverbrennung organisierte und damit symbolisch nicht nur die politischen Gegner vernichten, sondern die gesamte überlieferte Tradition des Wortes auslöschen wollte.

Wie ist ein Ansatz zu finden, diese Tragödie zu verstehen, ohne bei psychiatrischen Deutungen oder dem Vorwurf hemmungslosen Machtwillens stehen zu bleiben? Wie sind Verständnis und Beschönigung auseinander zu halten? Hölderlin trifft den Punkt: Eine Tragödie hat die Worte zu finden, in denen "Gott in der Gestalt des Todes gegenwärtig ist" (Hölderlin, "Anmerkungen zur Antigonae", HSA 2, S. 373). Bei den Griechen waren das solche Worte, "wo das Wort den Körper ergreift, daß dieser tödtet" (ebd., S. 374). So geschah es Ödipus, den die bloßen Worte des Orakels, die er nicht verstand, gegen allen seinen Willen zum Töten des eigenen Vaters und in die Katastrophe trieben.

Dagegen gilt heute, dass "das Wort aus begeistertem Munde schreklich ist, und tödtet" (ebd.). Hier wird nicht mehr jemand mit Worten angesprochen und dadurch zum Töten verleitet, sondern die Worte, die jemand ausspricht, haben eine eigene tötende Macht, die sich dem Willen des Sprechenden entziehen oder sogar gegen ihn richten kann. Solche Worte haben sich verselbständigt, sind unberechenbar, treffen den, der sie wie unter Zwang ausspricht, ebenso wie den, der sie hören muss. Die Worte sind wie von einer aus der Fremde kommenden Macht von innen aufgeladen mit einem Eigengewicht, das eigene Wege geht. Der Redner kann nicht mehr mit rhetorischen Mitteln die Wirkung der Worte planen und einsetzen, sondern muss erleben, wie sie ihre eigene tötende Wirkung entfalten, die sich seiner Sprachmächtigkeit entzieht.

Wer auf diese Weise vom Wort überwältigt zu sprechen vermag, den kann entweder Entsetzen ergreifen bis zu verweifelten Versuchen, die eigene Sprachmächtigkeit wieder abzuschütteln und zu verstummen, oder er lässt sich berauschen von der Woge einer Macht, die ihn weit über die eigenen Möglichkeiten hebt und andere Menschen zu steuern und zu beherrschen erlaubt. Um hier einen Ausweg zu finden, will Hölderlin mit dem Mittel der Tragödie das Wort treffen und festhalten. Wenn das nicht gelingt, bricht die im Wort enthaltene tödliche Gewalt aus dem Wort aus und ist frei entfesselt, während die zurückbleibenden Worte leer, nichtssagend und bloße Worthülsen bleiben, mit denen keine Verständigung mehr möglich ist, sondern nur endloses Missverständnis und Streit, bis niemand mehr reden, lesen oder schreiben will.

Gegenüber Aristoteles hat sich die Bedeutung der Tragödie für Hölderlin nicht umgekehrt, sondern radikal erweitert: Es geht nicht mehr nur um Krankheit und Gesundung, sondern um Leben und Tod. Für Aristoteles bot die Tragödie die Möglichkeit, in kleinen, medizinischen Dosierungen große Gefühle auszudrücken und kathartisch zu reinigen. Bei Hölderlin entscheidet sich in der Tragödie, ob es dem Menschen gelingt, mit den Mitteln seiner Sprachmächtigkeit die richtigen Worte zu gestalten. Wenn das auf der Bühne misslingt, brechen die Worte mit ihrer tödlichen Macht in die Geschichte ein und es kommt zur wirklichen Tragödie, wie es dann in den Zeiten des Faschismus geschehen ist. Das ist die Gefahr der Entmächtigung des Wortes: Wenn es dem Dichter misslingt, die richtigen Worte zu finden und seine Tragödie scheitert, kommt es zur richtigen Tragödie.

Solche Worte, nach denen Hölderlin suchte, können nur gefunden werden, wenn die Tragödie aus dem rechten Geist geboren wird. Nietzsche hat das in gewisser Annäherung getroffen, als er von der "Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik" sprach. Später hat er im "Versuch einer Selbstkritik" gespürt, dass mit seinem Buch über die Tragödie das "Problem der Wissenschaft" überhaupt erst angesprochen war. Hölderlin hatte nach ersten Ideen für einen "Tod des Sokrates" in dem Naturphilosophen Empedokles die Gestalt gefunden, an der er zeigen wollte, wie das Wort verfehlt wurde. Dies in den richtigen Worten sagen zu können wäre die Lösung. Alle Entwürfe führten ihn jedoch nur immer wieder auf die Tragödien von Sophokles zurück und auf die Erkenntnis, dass für die Worte ein Grund gefunden werden muss, der weiter reicht, wo auch die Mathematik ihren Anfang nimmt, zum Beispiel ganz elementar vom "Zählen" her. Wenn das nicht gelingt, isoliert sich das Wort, und die Beherrschung der Sprachmächtigkeit verkümmert. Gegen diese Gefahr wird von der Mathematik ein Schutz erwartet. Es ist seine negative Mathematik-Vision, dass die Mathematik solchen Schutz nicht zu geben vermochte. Dies ist die Mathematik-Vision, um die es im folgenden gehen soll. Nicht nur Hölderlin hat dies gespürt, sondern alle, die ohne es weiter erklären zu können zunehmend von der Mathematik irritiert waren, am wenigsten allerdings die große Mehrheit der Mathematiker, die wie schon der Lehrer des Törleß die Mathematik nur als eine Sammlung von auswendig zu lernenden und ingenieurmäßig weiter zu entwickelnden Techniken ansehen.

Das Verhältnis der faschistischen Intellektuellen zu Hölderlin war gebrochen. Ihm fühlten sie sich viel näher als etwa den Klassikern Goethe und Schiller. Wurden sie vor sich selbst unsicher über ihr Bekenntnis zum Nationalsozialismus, genügte zu erinnern, was Hölderlin als Vaterlandsliebe verstanden haben soll. Aber passt ein Dichter zum Idol der Bewegung, der von der Französischen Revolution noch begeistert war, als alle anderen verbittert stumm wurden oder sich anzupassen begannen, und der ausgerechnet in dem Moment aufhörte vom Tod für das Vaterland zu schwärmen, als "Tod für das Vaterland" nicht mehr bedeutete, sich für republikanische Verhältnisse bis zur letzten Konsequenz einzusetzen, sondern für eine neu erstarkende nationale Idee? Mit Hölderlin ins reine zu kommen hätte für die faschistischen Intellektuellen bedeutet, sich ihren eigenen innersten Intentionen stellen zu müssen, und das war das letzte, was sie sich zutrauen konnten.

Der Zugang zu Hölderlin ist auch deshalb schwierig, weil die Lektüre vorbelastet ist durch die verschiedensten und fast immer problematischen Begeisterungswellen. Am Anfang standen die Wiederentdeckung im George-Kreis und seine Vereinnahmung für die nationalkonservativen und nationalsozialistischen Ideen. Dann folgten erst 1945 und nochmals nach 1968 weitere Renaissancen, fast immer verbunden mit einer Abwendung gegen Kant und die Aufklärung. Konsequenterweise wurden im gleichen Zug Leibniz und Kepler und die mit ihnen verbundenen Fragen weitgehend verdrängt, und die ganze Last, den Bruch in der deutschen Geschichte zu verstehen, wurde auf die Interpretation der Hölderlinschen Texte geladen. Als schließlich schon wenige Jahre nach 1968 alles in Desillusion umschlug, schien die Schwer-Verständlichkeit der Hölderlinschen Texte am besten der eigenen Verunsicherung und Enttäuschung gerecht zu werden, zumal er ja 1794 in Jena eine vergleichbare Situation erlebt hatte.

Hölderlin schien die Möglichkeit zur Aussöhnung mit den verblendeten Vätern zu geben, ohne ihnen wirklich nahe gehen zu müssen. So wie diese sich in der Stunde der persönlichen Selbstrechtfertigung im Zweifel auf Hölderlin zurückzogen, glaubte die nächste Generation bei Hölderlin im Reich der Poesie eine Ebene zu finden, um wenigstens hier zu einem Verständnis für das Tun und Denken der Väter und ihrer Todessehnsucht zu kommen, und zugleich einen Ort der Besinnung und Abgeschiedenheit zu finden, nachdem auch der Schwung der eigenen Jugendtaten ausgelaufen und enttäuscht war. Das ging alles viel zu schnell und zu oberflächlich, und so droht Hölderlin ein weiteres Mal zu scheitern.

In wenigen Worten lässt sich vielleicht zusammenfassen: Die Neuinterpretation in den 1950er und 1960er Jahren wollte zeigen, dass im Grunde bereits Hölderlin den Weg gegangen ist, um aus der faschistischen Faszination hinauszufinden. Heidegger, Otto und anderen Hölderlin-Interpreten wurde daher nahegelegt, Hölderlin nur konsequenter zu lesen, dessen Weg zu folgen und sich so aus der faschistischen Verblendung zu lösen. Ihrer Meinung nach waren sie bei der Lektüre Hölderlins an einem bestimmten Punkt stehen geblieben und hatten nicht dessen letzte Arbeiten berücksichtigt, insbesondere auch die letzten Versionen seiner großen Gesänge. Daher entging ihnen "der späte Widerruf" (Jochen Schmidt), mit dem Hölderlin seine eigene Entwicklung umkehren wollte. Hölderlins Enttäuschung über den Gang der Geschichte und die heute übrig gebliebenen Möglichkeiten des Einzelnen, in der Gemeinschaft mit anderen glücklich zu werden, wurde subjektiviert zu einer wachsenden Angst verrückt zu werden.

Es darf nicht vergessen werden, dass 1950 - 70 die Täter des Nationalsozialismus noch lebten und auch im Bereich von Kunst und Wissenschaft wieder auf breiter Front in führende Positionen eingerückt waren als wäre nichts gewesen. Diese Selbstverständlichkeit und erst recht die Selbstgerechtigkeit, mit der sie das eigene Engagement in den Zeiten des Nationalsozialismus nachträglich als "verlorene Jahre", als Opfer gegenüber den Zeitläufen der Geschichte sahen statt als Tat und Schuld, übte auf alle Nachfolgenden eine ungeheuer lähmende Wirkung aus, die sich im weiteren von Generation zu Generation eher noch steigert. Diese Gefahr war bereits abzusehen, und so klang die neue Hölderlin-Lektüre geradezu wie ein Flehen an die Eltern-Generation, doch bitte bei Hölderlin zu lernen, dass ein "später Widerruf" möglich ist, und endlich ein Einsehen zu haben. Wie bekannt prallte das ungehört ab an einer Mauer des Schweigens und Zusammenstehens.

Aber sind die faschistischen Intellektuellen wirklich mit Hölderlin vergleichbar, so sehr sie ihn im Munde führten? So weit ich sehe, hat sich keiner der neuen Hölderlin-Interpreten wirklich mit der Hölderlin-Begeisterung im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Warum wird z.B. Kurt Hildebrandt geradezu totgeschwiegen? Weil er aussprach, womit keiner sich wirklich auseinandersetzen wollte? Weil er den Überzeugungen der eigenen Väter zu nahe kam?

Trotzdem lohnt es, die Arbeiten von Kerényi, Gaier, Jochen Schmidt, Henrich, Szondi, Pöggeler und dessen Umfeld zu lesen, wobei Kerényi als dem Älteren die vermittelnde Rolle zukam. Auch wenn es ihnen nicht gelungen ist, die verstockte Haltung der faschistischen Intellektuellen aufzulösen, haben sie die Fragen sehr deutlich gestellt. Und inwiefern sie persönlich von den hier angesprochenen Konflikten berührt waren oder nur eine Zeitströmung aussprachen, muss ohnehin offen bleiben. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer deutlichen Zäsur, und es ist wie ein Aufatmen, wenn etwa Theresia Birkenhauer den "Tod des Empedokles" oder Helmut Hühn das Gedicht "Mnesomyne" völlig neu verstehen und von aller Todes-Romantik befreien wollen.

Schließlich bleibt ein letzter Punkt. Die Bewältigung der Vergangenheit ist auch daher so schwer gefallen, weil mit der "Dialektik der Aufklärung" von Adorno und Horkheimer zu früh gültige Antworten gegeben schienen. Gemessen an ihrem Buch war eine offene Klärung der Fragen, die von den faschistischen Intellektuellen aufgeworfen wurden, praktisch nicht mehr möglich. Ganze Themen und Wissenschaftsgebiete wurden für tabu erklärt statt bestimmte Antworten zu kritisieren. Zu glatt wurde mit Etiketten wie Anti-Semitismus, Verblendungszusammenhang, Jargon gearbeitet. Zu einfach war es, diese Art von Kritik zurückzuweisen, oder im geschickten Gegenzug sich an die Spitze dieser Kritik zu setzen, um die eigene Beteiligung am Faschismus zu vertuschen. Dafür gibt es inzwischen genügend Beispiele gerade auch von prominenten Vertretern und "Botschaftern der Frankfurter Schule". Es geht nicht um eine falsche Schonung in der Sache und im Urteil. Aber es ist ein anderes Verständnis von "Dialektik der Aufklärung" zu entwickeln, wodurch all diese Fragen neu gestellt werden können. Das Thema war richtig gewählt, und das allein genügte als Anziehungskraft für dies Denken. Dass Dialektik der Aufklärung viel mehr und anders mit Mathematik zu tun hat, als es das Buch von Adorno und Horkheimer nahelegt, wo Mathematik kaum von Positivismus und Unterwerfung unter das "instrumentelle Denken" zu trennen ist, wird sich ebenfalls zeigen. Und was ist davon zu halten, dass sich trotz aller maßlosen Polemik Adorno und Horkheimer nirgends so gut mit ihren vermeintlichen Gegnern verstehen wie in der Ablehnung der Mathematik? Das gehört selbst zur Dialektik der Aufklärung.

Spuren und böse Pfade
Als die Aufklärung ihren Höhepunkt erreicht hatte und alle Fragen der Natur und ihrer Strukturen offen vor dem Menschen zu liegen schienen, wagte Leibniz den Gedanken, dass es die Spuren in der Natur sind, denen die Vernunft folgen kann. Die Bewegungsfreiheit liegt beim Wissenschaftler, der mit offenem Blick die Spuren übersieht und ihnen folgt. Und es sind die Spuren, die ihm die Sicherheit der Orientierung geben, um den Weg des Fortschritts zu halten. Leibniz konnte es wagen, hier an die Spuren des sich aus der Welt zurückziehenden Gottes zu denken, dessen Licht die Spuren für den Menschen sichtbar hält, auch wenn die Lichtquelle dem Menschen verschlossen bleibt. Den Spuren folgend ist dem Menschen eine großartige Zukunft versprochen. Völlig konträr dichtet Hölderlin:
 
Hölderlin auf Mathematik-Visionen zur Zeit des Faschismus hin zu lesen bedeutet sicher etwas ganz anderes, als mit der gleichen Frage an Platon, Kepler oder Leibniz zu gehen. Er war kein Mathematiker und hat sich auch nicht wie Novalis oder Hegel intensiv mit Mathematik beschäftigt. Hier geht es um ein besseres Verständnis der tiefen Beunruhigung, die die Mathematik bei immer mehr Intellektuellen hervorrief und die zur Vorgeschichte des Faschismus gehört.

Zwei Beispiele, was gemeint ist: Robert Musil (1880 - 1942) war einige Zeit in einer österreichischen Elite-Schule ausgebildet worden und hatte dort die Generation kennen gelernt, die später Wortführer des Faschismus werden sollte. Schon 1902 begann er in "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" aufzuschreiben, was dort los war. Die Lehrer kommen einfach nicht vor. Kein Lehrer ist fähig zu einer "Seelenerziehung", wie sie z.B. noch wenige Jahrzehnte vorher Adalbert Stifter erfahren hat. Sie werden nicht ernst genommen. Die Schüler revoltieren nicht einmal gegen sie, nirgends auch nur eine Andeutung von "Feuerzangenbowlen"-Humor. Der Mathematikle.... <snip>
Aha - aber "was wollte der Dichter uns" hier nun "damit" eigentlich "sagen"? Ja, frag' ich mich zumindest...
 
Echt schade, dass hinter einem interessanten Menschen wie Ihnen/dir, eine solch verlogene Type stecken kann
< Echt schade >? Dem widerspreche ich doch freudig gerne, man tut schließlich was man "kann"! :)

Und Sie können einiges: Denn das, was Sie hier gesagt haben berührt mich dahingehend, Sie dafür relativierend und überaus verständnisvoll in "geistige Schutzhaft" nehmen zu dürfen: "Jeder Mensch lügt mindestens zwei mal am Tag", so berichtet die Berlinger Morgenpost:

http://www.morgenpost.de/web-wissen...-Mensch-luegt-mindestens-zwei-Mal-am-Tag.html

Und wenn der Mensch die Lüge aufgreift, damit sie zu einem Gerücht werden kann, dann kann sie auch schnell eine doppelte Zehnerpotenz (2 x 10² =200) am Tag erreichen.

Ist das nicht auch Wasser auf die geistigen Mühlen der Verschwörungstheoretiker?

Im Übrigen finde ich die Diskussion über die Lüge hier ganz gut in diesen thread passend, wo es um die Schattenseiten der Philosophie geht, die man natürlich im Lichte besehen aus sehr verschiedenen Strahlungswinkeln zu beleuchten vermag, aber mit hierarchischen Wertungen doch gerade deshalb überaus vorsichtig sein sollte, um den Blendwert von seinem Schöpferwert auseinanderhalten zu können...

Gerne erinnere ich in diesem Zusammenhang daran, dass die Lüge nicht "meinem" Gebot einer gebotenen Zukunft widerspricht, wenn ich wie folgt formuliere: << Du wirst nicht falsch Zeugnis ablegen gegenüber deinem Nächsten. >>

Gut zu wissen, dass man sich sein Gegenüber als "der Nächste bitte" wie in einem "Warte-Saal" aus der eigenen Warte aussuchen darf.

Was mich persönlich in eigener Sache betrifft, so mag ich es gar nicht, wenn jemand versucht mich ungefragt zu instrumentalisieren und mir Worte in dem Mund legt, die seine eigenen Worte sind!

Das war's! - Das war's ? - Nö, natürlich nicht.

Ich habe nicht gelogen und ich habe nicht fertig, schließlich bin ich hier in diesem Forum nicht derjenige, der ich hier nicht bin!

Bernies Sage
 
Hast du schon Empedokles gelesen?
Nein. Wenn ich aber sollte, sagst Du mir bitte, warum, wozu?
Muss dem aber vorausschicken, dass mir längst klar ist, überhaupt nicht 'alles' lesen, geschweige denn auch hinreichend verstehen, gesamtsinnig erfassen zu können. Selbstverständlich aus mehreren Gründen. Dass mir 'kleines Menschlein' somit gar nichts anderes übrig bleibt bzw. blieb, mich um Fazite, deren Verstehen und dem 'geeigneten' Zusammenfügen derselben zu bemühen, wenn ich überhaupt die Chance haben will/wollte, zu einem 'meinigen' solchen kommen zu können. Worin ich 'übrigens' aber auch sowieso die vornehmliche Aufgabe eines 'Lebensteilnehmers' meiner Art nur erblicken kann.
Interpretieren oder nur verstehen ist nicht dasselbe,wo Gefühle mitspielen.
Nun, muss jedenfalls nicht. Und ganz unabhängig von der Frage, ob letztere wirklich ausschließbar seien. Und zweifelsfrei ist ja wohl auch, dass zweites erstem jedenfalls vorausgehen sollte, oder?
Die Bedeutung des Wortes ist hier vielleicht das Maßgebende.
Ganz sicher nicht nur "hier (und des Wortes)", sondern ausnahmslos 'immer und überall', die Bedeutungen. Jedenfalls nach dem "meinigen"... :)

Ja. Nun ist sie aber immer noch da, meine Frage an den "Dichter" bezüglich dessen Fazits, nicht wahr? Wärst Du also doch noch so freundlich bezüglich einer Antwort, bitte? :)
 
Die positive Schattenseite der Philosophie entdeckt der wahre Philosoph selten nie?

Hast du schon Empedokles gelesen?
Interpretieren oder nur verstehen ist nicht dasselbe,wo Gefühle mitspielen.
Die Bedeutung des Wortes ist hier vielleicht das Maßgebende.

Vielen Dank für den Hinweis auf Empedokles. Die Geschichte der Atommodelle ist übrigens übersichtlich und chronologisch anschaulich in Raumzeitwellen.de sehr gut beschrieben.

Die Bedeutung des Wortes ist tatsächlich der Schlüssel zu einem etwas anderen Verstehen, das seinem eigenen Selbstverständnis gar nicht widersprechen muss, wenn Bijektivität (=eineindeutige Umkehrbarkeit) und Bifurkation (=Zweiwegegabelung) in seiner philosophischen Ur-Bedeutung dem menschlichen Geist verständnisvoll nahegebracht werden können, zum Beispiel auch über eine parallel (ent-)gegenläufige Multifunktionsprache, jeweils zuweisend und/oder abweisend in ur-quantenspezifischen Relativierungen!

Bernies Sage
 
Zuletzt bearbeitet:
Werbung:
Nein. Wenn ich aber sollte, sagst Du mir bitte, warum, wozu?
Muss dem aber vorausschicken, dass mir längst klar ist, überhaupt nicht 'alles' lesen, geschweige denn auch hinreichend verstehen, gesamtsinnig erfassen zu können. Selbstverständlich aus mehreren Gründen. Dass mir 'kleines Menschlein' somit gar nichts anderes übrig bleibt bzw. blieb, mich um Fazite, deren Verstehen und dem 'geeigneten' Zusammenfügen derselben zu bemühen, wenn ich überhaupt die Chance haben will/wollte, zu einem 'meinigen' solchen kommen zu können. Worin ich 'übrigens' aber auch sowieso die vornehmliche Aufgabe eines 'Lebensteilnehmers' meiner Art nur erblicken kann.
Nun, muss jedenfalls nicht. Und ganz unabhängig von der Frage, ob letztere wirklich ausschließbar seien. Und zweifelsfrei ist ja wohl auch, dass zweites erstem jedenfalls vorausgehen sollte, oder?
Ganz sicher nicht nur "hier (und des Wortes)", sondern ausnahmslos 'immer und überall', die Bedeutungen. Jedenfalls nach dem "meinigen"... :)

Ja. Nun ist sie aber immer noch da, meine Frage an den "Dichter" bezüglich dessen Fazits, nicht wahr? Wärst Du also doch noch so freundlich bezüglich einer Antwort, bitte? :)
"Aber bös sind
die Pfade. Nemlich unrecht,
wie Rosse, gehn die gefangenen
Element' und alten
Geseze der Erd. Und immer
ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles aber ist
zu behalten. Und Noth die Treue.
Vorwärts aber und rükwärts wollen wir
nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie
auf schwankendem Kahne der See."
 
Zurück
Oben