Vor einiger Zeit las ich ein Buch eines renommierten englischen Evolutionsbiologen.
Nach dessen Meinung unterscheidet sich der Mensch von (fast) allen Tieren durch eine Eigenschaft, die er Eusozialität nennt. Eusozialität bedeutet im Wesentlichen, dass der Mensch gemeinsam jagt und sammelt und die gesammelte und erbeutete Nahrung teilt.
Die einzigen Spezies, die auch ein System der Eusozialität entwickelt haben, sind staatenbildende Insekten (Ameisen, Bienen u.a.). Die Eusozialität staatenbildender Insekten unterscheidet sich aber in einigen Aspekten von der des Menschen, schon allein deshalb, weil ihre genetische Reproduktion auf eine einzige Königin beschränkt ist.
Es gibt einige wenige Spezies, die sozial in Rudeln leben und jagen (Wolf, Löwe), sie teilen aber die Nahrung nicht. Rangniedere Tiere müssen sich mit dem begnügen, was ranghöhere Tiere übrig lassen.
Die Eusozialität des Menschen ist damit einzigartig. Auch andere Primaten leben in Gruppen, teilen aber i.A. keine Nahrung.
Nunja, auch manche Tiere benutzen Waffen. Und auch manche Tiere lassen ihre Nahrung gerne reifen, bevor sie sie verzehren - und auch Haustiere verschmähen gegarte Nahrung nicht. Ja, der Mensch kann nach Belieben selbst Feuer machen.
Es kommt (selten) vor, das Tiere Werkzeuge wie ein Stöckchen o.ä. verwenden. Sie fertigen aber keine Werkzeuge an.
Tiere verschmähen gegarte Nahrung nicht, aber sie garen sie nicht.
Das Garen von Nahrung ist eine Tätigkeit, die der Homo Sapiens von Anfang seines Auftretes an tat. Er übernahm es bereits von seinen Vorfahren, als die Hominiden, die Jagd, Feuer und das Garen von Nahrungen als erste konsequent betrieben, gelten Homo Erectus und Homo Rudolfensis. Wann genau Hominiden damit anfingen, das lässt sich heute nicht mehr genau sagen.
Nach der Meinung des amerikanischen Anthropologen
Richard Wrangham liegt der Zeitraum, an dem Hominiden anfingen, Nahrung zu garen 1,2 - 1,5 Mio. Jahre zurück. Indizien dafür lassen sich indirekt aus den anatomischen Veränderungen ableiten, die mit Hominiden seitdem passierten.
Gegarte Nahrung hat mindestens den doppelten Energiegehalt wie rohe Nahrung. Der Grund dafür ist, dass sie besser verdaulich ist und daher die in ihr enthaltenen Nährstoffe besser ausgewertet werden können. Der Mensch
kann auch rohe Nahrung essen,
muss das aber nicht.
Der Mensch ist als Spezies auf gegarte Nahrung angewiesen. Er hat sich in seiner Entwicklungsgeschichte so weit an gegarte Nahrung angepasst, das er ohne sie nicht existieren kann (1).
Aber man könnte auch einen Affen darauf dressieren, ein feuerzeug zu benutzen. Wäre er dann ein Mensch ? Andererseits, wie viele Menschen könnten heutzutage selbst noch ohne Feuerzeug oder Streichhölzer ein Feuer machen ?
Sind sie dadurch wieder "natürlicher" geworden ?
Natürlich kann man Affen darauf dressieren und man hat das auch schon gemacht. Dressieren kann man auch einen Löwen, durch einen brennenden Reifen zu springen. Von selbst entwickeln sie ein solches Verhalten aber nicht.
Das machen Tiere auch, die sich ihre Bauten machen. Selbst Ameisen schaffen das, und installieren sich sogar eine ausgetüftelte Klimatisierung, und einige Arten betreiben sogar Landwirtschaft.
Wie o.g. Eusozialität von staatenbildenden Insekten, die sich aber von der Eusozialiät des Menschen in einigen Aspekten unterscheidet. Im Übrigen handelt es sich um die einzige andere Eusozialität außer der des Menschen. Nach der Vermutung des Biologen handelt es sich zudem um die beiden einzig möglichen Formen von Eusozialität, die so selten sind, das man sie als einzigartige Zufälle der Evolution auffassen muss.
Warum ist Kultur nicht ein Teil der Natur ? Wenn sich ein Mensch durch Kultur definiert, wäre Kultur doch ein Teil der menschlichen Natur, und somit eben ein Teil der Natur.
Außer, man definiert den Menschen nicht als Teil der Natur. Kann man machen, nur fällt es dann schwer, diese Definition plausibel zu begründen.
Wie es derzeit aussieht, sind alle Kunstobjekte die wir kennen, ausschließlich vom Homo Sapiens angefertigt worden: Höhlenmalerei, Petroglyphen, Skulpturen, Schmuck - alles Homo Sapiens. Selbst andere Hominiden haben dergleichen nicht hinterlassen, auch der Neandertaler nicht (2).
Es mag Objekte geben, die von Tieren angefertigt werden, die wir als "künstlerisch" empfinden, sie sind es aber nicht. Ein Nestbau einer Vogelart mag aufwändig sein, er hat aber eine Funktion, für die er angefertigt wird, die für das Überleben der Spezies notwendig ist.
Die o.g. Beispiele menschlicher Kunstobjekte mögen für ihre Schöpfer magische Funktionen gehabt haben, für das Überleben der Spezies waren sie aber ohne Bedeutung. Wenn man so will, dann handelt es sich um "Luxusprodukte", die erst dadurch möglich wurden, dass der Mensch die Zeit dafür überhaupt hatte. Letztlich sind sie auch vergleichsweise "jung", denn die ältesten bekannten Kunstwerke sind "nur" 35-40.000 Jahre alt, während der Homo Sapiens nach neuesten Erkenntnissen auf eine Entwicklungsgeschichte von rund 300.000 Jahren zurückblicken kann.
Der Neandertaler wiederum kam 400.000 Jahre ohne Kunst aus.
(1) Es gibt bekanntlich Rohköstler, wie geht das zusammen?
Anlässlich der vor ein paar Jahren Gießener Rohkoststudie mit über 600 Teilnehmern stellte sich heraus, dass bei rund 50% der Frauen im reproduktionsfähigen Alter keine Menstruation mehr stattfand. Bei weiteren 10% war sie unregelmäßig. Das wurde von den Teilnehmerinnen als "nicht mehr notwenige Reinigungsmechanismen des Körpers" und ähnlicher Unsinn schön geredet, tatsächlich bedeutet es aber, das der Körper den Eisprung eingestellt hat, da eine Schwangerschaft nicht durchzustehen wäre. Aber auch beteiligte Männer berichteten von deutlich reduzierter Sexualfunktion.
Eine Spezies mit einer so geringen Reproduktionsrate wäre als Spezies nicht überlebensfähig und ist in der Natur ohne Beispiel.
Es wird auch immer wieder mal behauptet, die ursprünglichen Inuit ernährten sich ausschließlich von rohem Fisch u.a. Man kann das aber in das Reich der Legenden verweisen, resp. handelt es sich um eine Fehldeutung. Auch Inuit garen Nahrung. Roher Fisch wird nur von Gruppen auf Jagdzügen verzehrt, weil Kochen zu aufwändig wäre.
(2) Es gibt mittlerweile einige wenige Funde künstlerischer Objekte, die dem Neandertaler zugeordnet werden können. Sie entstanden aber in der letzten Endphase kurz vor seinem Aussterben und es ist nicht klar, ob sie ggf. erst durch Kontakte mit dem Homo Sapiens entstanden.