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Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

  • Ersteller Ersteller pispezi
  • Erstellt am Erstellt am
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

Da magst du recht haben, LaChatte.

An der Kopenhagener Deutung, die im Kreis von N. Bohr entstand, waren verschiedene Physiker beteiligt. Heisenberg, als einer von ihnen, wendete sich gegen eine subjektivistische Interpretation des Beobachters (W. Heisenberg: Die Entwicklung der Deutung der Quantentheorie, Physikalische Blätter, 1956, Heft 7, S. 299):

"Natürlich darf man die Einführung des Beobachters nicht dahin missverstehen, dass etwa subjektivistische Züge in die Naturbeschreibung gebracht werden sollten. Der Beobachter hat vielmehr nur die Funktion, Entscheidungen, d. h. Vorgänge in Raum und Zeit, zu registrieren, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beobachter ein Apparat oder ein Lebewesen ist ...".

Ich jedenfalls hatte den Eindruck, dass pispezi gerade diesem Missverständnis anhängt, und deshalb habe ich entsprechend geantwortet.



Das siehst du m. E. nicht richtig.

Aus dem Physikunterricht ist dir sicher bekannt, dass Interferenz von z. B. Lichtwellen nur unter bestimmten Bedingungen, nämlich denen der Kohärenz (feste Phasenbeziehungen der Wellen), stattfindet. Dekohärenz ist nun der entgegengesetzte Vorgang.

In der Quantenmechanik hat man es zwar auch mit einer Wellenfunktion zu tun, jedoch ist diese, im Gegensatz etwa zu den Lichtwellen, keine reale physikalische Grösse, sondern ein mathematisches Hilfsmittel, mit dessen Hilfe man Wahrscheinlichkeiten berechnen kann. Nichtsdestoweniger gilt in der Quantenmechanik ebenfalls das Überlagerungsprinzip, d. h. eine kohärente Überlagerung zweier physikalisch möglicher Zustände ist wieder ein möglicher Zustand. Dieses Prinzip scheint nun allerdings in der makroskopischen Physik nicht zu gelten. Die Wellenfunktion z. B. des Mondes ist eben nicht entlang seiner Bahn verschmiert. Und wie A. Einstein es formulierte: Der Mond ist auch da, wenn man nicht hinsieht!

Durch Wechselwirkung mit der Umgebung kann resp. wird nun ein quantenmechanisches System im Laufe der Zeit die Kohärenz, d. h. die Fähigkeit zur Interferenz, verlieren. Im Falle von Schrödingers Katze gibt es etliche Dekohärenz-Mechanismen, z. B. die Aussendung von Wärmestrahlung, die Atmung der Katze etc. Die Katze ist also kein abgeschlossenes System, und wegen der Wechselwirkungen mit der Umgebung werden die Zustände dieses Systems kaum miteinander kohärent sein. Die Dekohärenz ist nun um so stärker, je grösser das System und je höher seine Temperatur ist. Dies ist offenbar der Grund, weshalb wir im Alltag keine quantenmechanischen Überlagerungen sehen, und warum es keine Katzen gibt, die in einer Überlagerung von "tot" und "lebendig" sind. Schrödingers Katzenparadoxon ist aufgelöst.

Man kann auch folgende Überlegung anstellen. Sollte die Quantenmechanik universelle Bedeutung haben, dann wäre sie auch für uns Menschen anwendbar. Müsste uns nun laufend jemand beobachten, damit wir nicht in einer Überlagerung verschiedener Zustände a' la Schrödingers Katze verharren müssen? Und wer beobachtet diese Person (etwa Gott?).

Auf fruchtbare Diskussion dieses komplizierten Themas!


Gruss
Hartmut

Herzlichen Dank, Hartmut!

Du hast wieder etwas mehr Klarheit in meinen Kopf gebracht.

Aber die Frage aller Fragen "Gibt es Gott?" kannst und willst
Du (selbstverständlich) nicht beantworten.

Ich denke, mit dieser menschlichen "Ohnmacht" müssen wir uns
als Individuen irgendwann abfinden.

Gruß
von
Reinhard70
:):):)
 
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AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

Hallo Hartmut

ich bin leider physikalisch nicht besonders gebildet, muss ich sagen. Was ich des öftern mal bedauere. Das Thema interessiert mich trotzdem, also wähle ich einen - durchaus unwissenschaftlichen - intuitiven Zugang.


Heisenberg, als einer von ihnen, wendete sich gegen eine subjektivistische Interpretation des Beobachters

hier sagt mir meine Intuition zum Beispiel, dass Heisenberg wohl unrecht hatte. Die Idee der Objektivität, bzw der Intersubjektivität, hat die Wissenschaft sehr weit gebracht - doch jetzt ist es an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen. Mehr als mein Gefühl dafür kann ich allerdings nicht bieten.

In der Quantenmechanik hat man es zwar auch mit einer Wellenfunktion zu tun, jedoch ist diese, im Gegensatz etwa zu den Lichtwellen, keine reale physikalische Grösse, sondern ein mathematisches Hilfsmittel, mit dessen Hilfe man Wahrscheinlichkeiten berechnen kann.

hm. Materie besteht doch aus kleinen Energiebündeln, Quanten genannt. Und die Wellenfunktion ist eine mathematische Sprache, die beschreibt, wie sich diese Quanten verhalten, und mit welchen Wahrscheinlichkeiten.

Wenn du diesen Wellen nun "keine reale physikalische Grösse" zuweist, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass Materie generell "keine reale physikalische Grösse" ist? Sondern eben nur - eine Art Maya, Illusion?

Die Wellenfunktion z. B. des Mondes ist eben nicht entlang seiner Bahn verschmiert. Und wie A. Einstein es formulierte: Der Mond ist auch da, wenn man nicht hinsieht!

wer ist "man"? Natürlich ist der Mond auch noch da, wenn ich mal nicht zum Himmel gucke und ihn sehe. Allerdings besteht der Mond auch aus Milliarden von Atomen und Elementarteilchen, die sich ständig gegenseitig beobachten und so dafür sorgen, dass er sich nicht verschmiert. Wobei ja auch dieses Verschmieren in einem so winzigen Bereich stattfinden würde, dass man es wohl kaum von der Erde aus zuverlässig beobachten könnte.

Man kann auch folgende Überlegung anstellen. Sollte die Quantenmechanik universelle Bedeutung haben, dann wäre sie auch für uns Menschen anwendbar. Müsste uns nun laufend jemand beobachten, damit wir nicht in einer Überlagerung verschiedener Zustände a' la Schrödingers Katze verharren müssen? Und wer beobachtet diese Person

Bei der Menge an Elementarteilchen, die einen Menschen oder eine Katze ausmachen, reicht ja wohl die interne gegenseitige Beobachtung der Elementarteilchen längstens aus, damit wir nicht verschmieren.

Ich gehe allerdings davon aus, dass auf der molekularen Ebene - zum Beispiel bei Prozessen im Zusammenhang mit der DNA - Quantenprozesse durchaus eine Rolle spielen, und eine wichtige Rolle. Ich wäre sogar höchst erstaunt, wenn es anders wäre.

grüsse, barbara
 
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

Hallo Hartmut

ich bin leider physikalisch nicht besonders gebildet, muss ich sagen. Was ich des öftern mal bedauere. Das Thema interessiert mich trotzdem, also wähle ich einen - durchaus unwissenschaftlichen - intuitiven Zugang.




hier sagt mir meine Intuition zum Beispiel, dass Heisenberg wohl unrecht hatte. Die Idee der Objektivität, bzw der Intersubjektivität, hat die Wissenschaft sehr weit gebracht - doch jetzt ist es an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen. Mehr als mein Gefühl dafür kann ich allerdings nicht bieten.



hm. Materie besteht doch aus kleinen Energiebündeln, Quanten genannt. Und die Wellenfunktion ist eine mathematische Sprache, die beschreibt, wie sich diese Quanten verhalten, und mit welchen Wahrscheinlichkeiten.

Wenn du diesen Wellen nun "keine reale physikalische Grösse" zuweist, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass Materie generell "keine reale physikalische Grösse" ist? Sondern eben nur - eine Art Maya, Illusion?



wer ist "man"? Natürlich ist der Mond auch noch da, wenn ich mal nicht zum Himmel gucke und ihn sehe. Allerdings besteht der Mond auch aus Milliarden von Atomen und Elementarteilchen, die sich ständig gegenseitig beobachten und so dafür sorgen, dass er sich nicht verschmiert. Wobei ja auch dieses Verschmieren in einem so winzigen Bereich stattfinden würde, dass man es wohl kaum von der Erde aus zuverlässig beobachten könnte.



Bei der Menge an Elementarteilchen, die einen Menschen oder eine Katze ausmachen, reicht ja wohl die interne gegenseitige Beobachtung der Elementarteilchen längstens aus, damit wir nicht verschmieren.

Ich gehe allerdings davon aus, dass auf der molekularen Ebene - zum Beispiel bei Prozessen im Zusammenhang mit der DNA - Quantenprozesse durchaus eine Rolle spielen, und eine wichtige Rolle. Ich wäre sogar höchst erstaunt, wenn es anders wäre.

grüsse, barbara

Die "Menge an Elementarteilchen, die einen Menschen oder eine Katze ausmachen, ..."

Hallo Barbara,

welche Menge meinst Du denn? Die "interne" Menge? Und was
ist mit der riesigen Menge "externer" Einflüsse (durch "Elementarteilchen"),
die uns auf jeden Fall auch irgendwie "determinieren", aber zu einem
nicht lokalisierbaren Individuum machen? Da gibt es doch zu jeder Zeit fließende Grenzen
- bis hin zur "Unendlichkeit".
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich gerade an meine Lektüre von FUZZILOGIK vor vielen
Jahren. Diese Logik war kein Witz und sie hat mir sehr eingeleuchtet.

Ich denke, Du verstehst meine Frage richtig. Eine "schlüssige"
Antwort erwarte ich nicht. Jedenfalls nicht in den kommenden Tagen.

Mit besten Wünschen
Reinhard70
:):):)
 
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

Liebe Mitdenker,

nach Euren vielen sehr interessanten und kontroversen Beiträgen wäre ich eigentlich mal wieder dran mit einer Reaktion.

Bitte akzeptiert jedoch, dass ich dazu erst wieder nächste Woche fähig sein werde (Gesundheit + Termine). Vielleicht kann ich dann auch nicht auf jeden persönlich eingehen - so gerne ich würde! - aber ich werde beim nächsten (sicher etwas längeren) Posting versuchen, auch auf die wichtigsten Argumente von Euch reagieren.

Bis dahin lasst Euch nicht am online-Denken hindern, viele Grüße,

Euer pispezi :zauberer2
 
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

ich halte es hier mit dem physikalischen Prinzip, dass "1 + 1 = 3, für genügend grosse Werte von 1."

Dass ich meine Grenzen nicht ganz genau bestimmen kann, ist mir nicht so wichtig. Es reicht mir, wenn ich sie gut genug für praktische Zwecke bestimme, sodass ich einigermassen passende Kleidung kaufe und beim Essen mit dem Löffel auch meinen Mund treffe.

gruss, barbara
 
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

Du hast wieder etwas mehr Klarheit in meinen Kopf gebracht.

"Etwas" ist der passende Ausdruck, Reinhard.
Wie sagte doch Niels Bohr einmal:

"Denn wenn man nicht zunächst über die Quantentheorie entsetzt ist, kann man sie doch unmöglich verstanden haben."

Mit meinem Beitrag wollte ich auch das Loch ausfüllen, das pispezi durch seine temporäre Abwesenheit hinterlassen hat. :)

Aber die Frage aller Fragen "Gibt es Gott?" kannst und willst
Du (selbstverständlich) nicht beantworten.

Für mich gibt es keinen Gott, zumindest keinen, der in das persönliche Leben eingreift.

Gruss
Hartmut
 
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

ich halte es hier mit dem physikalischen Prinzip, dass "1 + 1 = 3, für genügend grosse Werte von 1."

Dass ich meine Grenzen nicht ganz genau bestimmen kann, ist mir nicht so wichtig. Es reicht mir, wenn ich sie gut genug für praktische Zwecke bestimme, sodass ich einigermassen passende Kleidung kaufe und beim Essen mit dem Löffel auch meinen Mund treffe.

gruss, barbara

Ja! Mein "Ego" ist mir auch (noch) nicht egal. Meistens
geht es nicht über die Hautgrenzen hinaus. Aber ich
wundere mich doch immer wieder sehr darüber, dass es
so etwas wie ein Identitätsgefühl überhaupt gibt, obwohl
wir von Grenzenlosigkeit umgeben sind - und oft überdeutlich
(schmerzhaft) fühlen, wie sehr sie auf uns einwirkt. Und
wenn wir mit dem Löffel nicht mehr oder noch nicht den
Mund treffen, sind wir doch sehr auf unsere Mitmenschen
angewiesen. - Nicht wahr?

Gruß
von
Reinhard70
:):):)
 
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

Hallo Reinhard

Identität und Körpergefühl sind ja nicht dasselbe... das grosse ICH BIN (Identität - Es-Seins-Heit) ist selbst grenzenlos - "Auch Ich Bin Gott" - während das kleine Ego auf den Körper und seine dazugehörigen Strukturen beschränkt ist. Doch Körpergrenzen können sich auflösen, in Halluzinationen, beim Drogenkonsum, durch extreme körperliche Belastungen... die Identität, das ICH-Gefühl, bleibt dennoch immer dasselbe.

grüsse, barbara
 
AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

"Etwas" ist der passende Ausdruck, Reinhard.
Wie sagte doch Niels Bohr einmal:

"Denn wenn man nicht zunächst über die Quantentheorie entsetzt ist, kann man sie doch unmöglich verstanden haben."

Mit meinem Beitrag wollte ich auch das Loch ausfüllen, das pispezi durch seine temporäre Abwesenheit hinterlassen hat. :)



Für mich gibt es keinen Gott, zumindest keinen, der in das persönliche Leben eingreift.

Gruss
Hartmut

Für mich gibt es keinen Gott, zumindest keinen, der in das persönliche Leben eingreift

Danke für Dein klares Bekenntnis. Ich bin da nicht so sicher.

Allerdings interessiert mich weiterhin mehr die Frage, ob
alles Leben ohne das "Absolute", ohne "Metaphysik", ohne
"Transzendenz" darstellbar und erklärbar ist. Obwohl ich
sehe, dass wir mit dieser Frage wahrscheinlich "ewig"
in einem Paradoxon landen, bewegt sie mich sehr. Mein:
Bekenntnis: Ich bin ein "Zwangsdenker" (wie möglicherweise
noch einige hier), möchte aber gerne lernen, meinen
"Geist" jederzeit zur Ruhe zu bringen. - Und daran knüpft
sich die Frage: Was ist das für ein merkwürdiger "Geist"?

Gruß
von
Reinhard70
:):):)
 
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AW: Brauchen wir Transzendenz, um die Welt zu verstehen?

Hallo Reinhard

Identität und Körpergefühl sind ja nicht dasselbe... das grosse ICH BIN (Identität - Es-Seins-Heit) ist selbst grenzenlos - "Auch Ich Bin Gott" - während das kleine Ego auf den Körper und seine dazugehörigen Strukturen beschränkt ist. Doch Körpergrenzen können sich auflösen, in Halluzinationen, beim Drogenkonsum, durch extreme körperliche Belastungen... die Identität, das ICH-Gefühl, bleibt dennoch immer dasselbe.

grüsse, barbara

Danke für Deine schnelle Reaktion, Barbara!
Ich verstehe Dich sehr gut. Wir haben oder hatten
nur eine andere Definition (begriffliche Abgrenzung)
von Identität.

So, jetzt muss ich mich mal wieder um meine Arbeit und
und meine Familie kümmern.

Einen guten Tag
wünscht
Reinhard70
:):):)
 
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