Giacomo_S
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Warum? Lies mal das.
Das ist mir zu schwierig, es fehlt mir auch der intellektuelle und philosophische Background dafür. Meine eher grundsätzliche Kritik an den Philosophen ist ohnehin: Sie postulieren mir zuviel, ohne wirklich aussagekräftige Belege für ihre Aussagen vorweisen zu können. Es handelt sich dann letztlich mehr um Privatmeinungen, als um echt allgemeingültige Erkenntnisse. Und Privatmeinungen haben wir heutzutage mehr als genug.
Die Philosophie hat sich seit dem Anfang des 20. Jh. - oder besser gesagt: Als die Naturwissenschaften philosophisch wurden - eingeschnappt in ihren Elfenbein zurückgezogen, schaut sich seitdem nurmehr ihren eigenen Bauchnabel an und hin und wieder bellt sie mal zum Fenster hinaus. Vielleicht wartet sie darauf, dass ein Prinz der Naturwissenschaften sie erlöst, aber bislang hat sie noch keinen Rapunzelzopf zum Fenster heraus hängen lassen. Auf einer Party mit lauter gebildeten Gästen wird man immer einen Naturwissenschaftler finden, der auch etwas von Philosophie versteht, aber kaum einen Philosophen, der auch etwas von Naturwissenschaften versteht.
Oder anders gesagt: Der Mentor eines Experimentalphysikers sagt einmal zu einem Doktoranden: Ach ihr immer, mit euren teuren Maschinen und Geräten ... nehmen Sie sich doch einmal ein Beispiel an den theoretischen Physikern, die brauchen nur Papier, Stift und Papierkorb. Nun, sagt der Doktorrand, wenn ich das gewollt hätte, dann wäre ich zu den Philosophen gegangen. Denn sie brauchen nicht einmal einen Papierkorb.
Der Rationalismus mag auf manche Menschen wie ein kaltes Monster wirken. Sein Siegeszug kommt aber nicht von ungefähr; er hat uns von vielen schrecklichen Dingen befreit, darunter Krankheit und vorzeitigem Tod. Viele dieser Errungenschaften nehmen wir heute überhaupt nicht mehr wahr, so selbstverständlich, wie sie heute sind. Dabei haben gelehrte Menschen in der Vergangenheit oft ihr ganzes Leben damit verbracht, solche Erkenntnisse zu gewinnen und nicht selten gegen den erheblichen Widerstand ihrer Zeitgenossen.
Richtig eingesetzt ist eine rationale, naturwissenschaftliche Methodik keineswegs der Mörder der Kreativität, sondern vielmehr ihr Motor.
Das gilt sogar fürs Kochen, von dem Viele immer annehmen, es wäre so "intuitiv". Es kann so sein, aber eine rationale, naturwissenschaftliche Methodik (Du ahnst es: Ich sehe mich mehr als eine Art "naturwissenschaftlicher" Koch) in den Routinearbeiten befreit mich einerseits von lästigen Fleissarbeiten, andererseits von unnötigen Fehlversuchen, die nur Zeit, Material und Geld kosten, vor allem aber Zeit.
Zeit, die mir im Anschluss dann zur Verfügung steht, um in der Praxis überhaupt kreativ werden zu können, während andere noch ihr Pflichtprogramm abzuarbeiten haben. Oder um es einmal profan zu sagen: 10 Minuten nachdenken erspart eine Stunde arbeiten. Natürlich muss man auch die gewonnenen 50 Minuten arbeiten, aber dann arbeitet man wenigstens an den Details oder neuen Ideen, die man für erstrebenswert hält.
Mystische Erklärungen für naturwissenschaftliche Prozesse führen zu nichts, man bewegt sich dann nur in einer Wolke des Aberglaubens, die keine Erklärungen für die zugrunde liegenden Prozesse liefert. Im Einzelfall mag dies zu verschmerzen sein, handelt es sich aber um immer wiederkehrende Aufgabenstellungen, dann fängt man jedesmal immer wieder bei Adam & Eva an. Eine rationale Analyse einer Problemstellung mag zunächst aufwändig und zeitraubend sein, in der Zukunft aber spart man diese Zeit oft um ein Mehrfaches wieder ein, und außerdem schont es im Anschluss die Nerven.
Konträr habe ich in meinem Berufsleben einige gesehen, die "nach Gefühl" arbeiten wollen, aber oft genug stimmt dann einfach etwas mit ihren Gefühlen nicht. Nach meiner Auffassung machen sie sich das Leben selbst schwer, dabei kann selbst die Anschaffung einer bescheuerten 5€-Eieruhr geradezu Berge bewegen ... wie ich dies kürzlich tat, und meine Azubis nach einer Weile mir auf die Schulter klopften: Klasse Ding, das.