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Christlich-jüdische Traditionen

Timirjasevez

New Member
Registriert
14. Oktober 2010
Beiträge
2.060
In den aktuellen politischen Diskussionen in Deutschland berufen wir uns zunehmend (vor allem wohl kulturell im weitesten Sinne:verwirrt1) - auf "christlich-jüdische Traditionen" (des Abendlandes). Das wäre für mich aber eher eine ethnisch-religiöse Prägung, mit der ich momentan zuwenig anfangen kann.
Da auch gern ein paneuropäischer Zusammenhang hergestellt wird, wäre es doch interessant zu hören, was die Forengemeinde unter diesem Begriff versteht.
 
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AW: Christlich-jüdische Traditionen

Ich vermute mal, dass die eilige Besinnung auf jüdisch-christliche Wurzeln, in dieser Phase nichts anderes als die nette Form der Abgrenzung gegen den Islam darstellen soll.
Allerdings ist schon insofern etwas Wahres dran, dass auch viele Strömungen die heute als postkonfessionell, humanistisch oder explizit atheistisch gelten, mehr in einer kirchlichen Tradition steht und die ist ein Amalgam aus jüdischen, ägyptischen, griechischen Wurzeln, mit einigen „heidnischen“ Versatzstücken – Osterhase und Weihnachtsbaum sucht man in der Bibel vergebens – als diese zuweilen selbst glauben.

Was uns flöten zu gehen droht ist aber in der Tat eher der humanistische Aspekt Europas und da sollte man auf der Hut sein. Die übrigens auch vom eher linksintellektuellen Jürgen Habermas geforderte Revitalisierung der Religionen, er meint zur Überraschung vieler das katholischen Christentum, ist vielleicht nicht der schlechteste Ansatz.
Habermas hatte den Katholizismus zwar im Blick, um gegen den die drohende Deutungshoheit des Naturalismus vorzugehen, aber im Hinblick auf einen überschwänglichen Multi-Kulti Kurs dürften konservativen Kirchenanhänger schon länger gewisse Sorgen gehabt haben.

Inzwischen ist die post-postmoderne, neoatheistische, neofundamentalistische Gemengelage etwas unüberschaubar, aber die Zeit in der sich neue Koalitionen bilden ist doch recht spannend.
 
AW: Christlich-jüdische Traditionen

Ich vermute mal, dass die eilige Besinnung auf jüdisch-christliche Wurzeln, in dieser Phase nichts anderes als die nette Form der Abgrenzung gegen den Islam darstellen soll.

Ich würde das Wort Besinnung mit Bezeichnung ersetzen, ansonsten pflichte ich bei. Das ist auch mein Eindruck. Es ist eine ethnisch-religiöse Diskussion in historischer Betrachtung. Genannte Traditionen lassen sich im weiteren Sinne natürlich nicht leugnen. Unsere Breiten wurden nun einmal in den letzten 2000 Jahren christlich-jüdisch geprägt. Es ist nicht der einzige Einfluss, aber wohl der Wichtigste. Was dabei außer Acht gelassen wird, ist freilich die neuzeitliche Fortentwicklung. Heute können wir nunmehr von einer christlich-jüdischen Mitprägung sprechen, sie hat allerdings ihren vorherrschenden Status verwirkt. Der Ruf nach Freiheit führte hier zu einer vielschichtigeren Realität. Das Anzuerkennen benötigt noch Zeit und Spucke. Rückfälle sind nicht auszuschließen. In Zeiten globaler Zivilisationsverschmelzungen sind multi-kulturelle Tendenzen kaum zu verhindern. Lernen wir damit umzugehen und Fehler der Vergangenheit abzustellen. Ein Stück weit leben darin fundamentale Elemente der christlichen Traditionen und Werte fort. Und nicht nur sie, preußisch-progressive Gedanken fehlen gewiss nicht.

Was uns flöten zu gehen droht ist aber in der Tat eher der humanistische Aspekt Europas und da sollte man auf der Hut sein.

Das darf gerne etwas ausführlicher abgehandelt werden. Danke.
 
AW: Christlich-jüdische Traditionen

Hallo Neuklon.

In wesentlichen Teilen würde ich mich den Ausführungen Henryk M. Broders in Hurra, wir kapitulieren anschließen, der eine oder andere wird das Buch vielleicht kennen. Manche halten Broder zwar für einen Hetzer, was ich ihm aber anrechne, ist, bei aller Polemik, dass er einer der ersten "Intellektuellen" war, die hier einen klaren Standpunkt bezogen haben.
 
AW: Christlich-jüdische Traditionen

Hallo Neuklon.

In wesentlichen Teilen würde ich mich den Ausführungen Henryk M. Broders in Hurra, wir kapitulieren anschließen, der eine oder andere wird das Buch vielleicht kennen. Manche halten Broder zwar für einen Hetzer, was ich ihm aber anrechne, ist, bei aller Polemik, dass er einer der ersten "Intellektuellen" war, die hier einen klaren Standpunkt bezogen haben.



Ach so: demnach sind "klare Standpunkte" auch dann , wenn sie menschenverachtende Hetze sind doch immerhin was Gutes ?
Zur Erinnerung:H.M.Broder wollte Herrn Bröckers, der die Story des 11.9.2001 kritisch hinterfragt hatte " als Fettfleck an der Wand des WTC" sehen.-
Sind solche Äußerungen Beispiele jüdischer Tradition ?
Perivisor
 
AW: Christlich-jüdische Traditionen

Hallo Perivisor.

Ach so: demnach sind "klare Standpunkte" auch dann , wenn sie menschenverachtende Hetze sind doch immerhin was Gutes ?


Es tut mir leid, ich kann in dem erwähnten Buch keine menschenverachtende Hetze finden, vielleicht gibst Du mir ein Beispiel für das, was Du meinst?

Zur Erinnerung:H.M.Broder wollte Herrn Bröckers, der die Story des 11.9.2001 kritisch hinterfragt hatte " als Fettfleck an der Wand des WTC" sehen.-
Sind solche Äußerungen Beispiele jüdischer Tradition ?

Ich kannte Herrn Bröckers bislang nicht, habe mir eben seien Website angeshaut, er scheint mir eine Nähe zu Verschwörungsideen zu haben, die ich zwar insgesamt spannend finde, die aber doch oft beknackt sind.
Ich kann das nicht abschleißend beurteilen, so wie ich das sehe kommt er etwas reißerisch daher.
Eine gewisse Nähe zum Antisemitismus wird ihm schon bei wiki nachgesagt, was ich tendenziell unappetitlich finde. Wenn Du auf den Zug aufspringen willst bin ich nicht der richtige Diskussionspartner.
 
AW: Christlich-jüdische Traditionen

An dem Publizisten Henryk M. Brother scheiden sich heute die (interessierten!) Geister, wie wohl kaum an einem anderen Vertreter seiner Zunft.
Das benannte Buch habe ich nicht gelesen, wohl aber einige seiner Publikationen, habe ihn im Gespräch und coram publico erlebt und lese unregelmäßig seinen Blog.
Irgendwie aber habe ich immer das Gefühl, er will mir einreden, dass ich ein Antisemit und Judenfeind bin, zumindests eine "gewisse Nähe zum Antisemitismus" habe, was nun wieder ich mehr als nur unappetitlich finde. Ähnlich ergeht es mir manchmal bei den anderen Herren seines "Dreigestirns": Ralph Giordano und Michel Friedman.
Kurz und gut: Müssen wir über HMB an dieser Stelle als engagierten jüdischen Publizisten in weltanschaulich-kontroversen Aspekten sprechen oder aber könntest Du @Pirogge hier vielleicht einige seiner "klaren Standpunkte" inhaltlich skizzieren? Danke!

PS: Können wir uns einigen, hier eine der Lieblingswaffen der Deutschen in politischen Debatten - die Antisemitismus-Keule - stecken zu lassen und versuchen, godwin's law ad absurdum zu führen?
 
AW: Christlich-jüdische Traditionen

Bei Broder habe ich wohltuenderweise gerade nicht das Gefühl, dass er mir ständig einreden will, ich sei ein Antisemit, im Gegensatz zu Friedmann.
Die Kernthese des Buches ist im Grunde genommen die, dass eine Appeasement-Haltung gegenüber Extremisten nichts bringt, sondern diese nur noch mehr reizt.
Und dass wir mit einer jovialen Gelasssenheit linker Genese, die jahrelang alles bejubelt hat, solange es nicht deutsch (und christlich) war, denjenigen die Diskurshoheit überlassen, die mit nackter Gewalt darüber bestimmen, wen man zu kritisieren hat und wen nicht.
Broder war der erste der handfest dagegen angeschrieben hat, als die anderen noch zitternd unter dem Einfluss des unsäglichen Karikaturen-Streits standen. Ihm gebührt dafür mein Respekt.

Das Thema der Grenzen der Toleranz hat schon Popper behandelt, vor ihm vermutlich andere, aber dies im Sturm zu wiederholen: Chapeau!

Ich gedenke nicht irgendwelche Keulen einzusetzen.
 
AW: Christlich-jüdische Traditionen

Bei Broder habe ich wohltuenderweise gerade nicht das Gefühl, dass er mir ständig einreden will, ich sei ein Antisemit, im Gegensatz zu Friedmann.
Die Kernthese des Buches ist im Grunde genommen die, dass eine Appeasement-Haltung gegenüber Extremisten nichts bringt, sondern diese nur noch mehr reizt.
Und dass wir mit einer jovialen Gelasssenheit linker Genese, die jahrelang alles bejubelt hat, solange es nicht deutsch (und christlich) war, denjenigen die Diskurshoheit überlassen, die mit nackter Gewalt darüber bestimmen, wen man zu kritisieren hat und wen nicht.
Broder war der erste der handfest dagegen angeschrieben hat, als die anderen noch zitternd unter dem Einfluss des unsäglichen Karikaturen-Streits standen. Ihm gebührt dafür mein Respekt.

Das Thema der Grenzen der Toleranz hat schon Popper behandelt, vor ihm vermutlich andere, aber dies im Sturm zu wiederholen: Chapeau!

Ich gedenke nicht irgendwelche Keulen einzusetzen.
Ja, gut. Das habe ich verstanden und sehe es im Grundsatz gleich. Über Details könnte man ja streiten.
Aber Thema war ja nicht Absage, ja gar restriktives Handeln an resp. gegen islamistischen Terroristen oder Extreme (Das ist ein weites Feld!) oder die Causa Westergaard (Der Acker ist ja noch größer!), sondern welches jene "christlichen-jüdischen Traditionen" es sind, die wir jetzt gegen die "Überfremdung durch den Islam" in Stellung bringen. Oder anders formuliert: Was beinhaltet die abendländische Wertegemeinschaft, die wir jetzt bollwerkähnlich gegen die orientalische Wertegemeinschaft (Gibt es diese überhaupt?) zumindest politisch krampfhaft aufbieten? Bekommen wir hier Hungtintons Clash of Civilizations durch die Hintertür in populärer Form?
 
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AW: Christlich-jüdische Traditionen

Hallo Perivisor.




Es tut mir leid, ich kann in dem erwähnten Buch keine menschenverachtende Hetze finden, vielleicht gibst Du mir ein Beispiel für das, was Du meinst?



Ich kannte Herrn Bröckers bislang nicht, habe mir eben seien Website angeshaut, er scheint mir eine Nähe zu Verschwörungsideen zu haben, die ich zwar insgesamt spannend finde, die aber doch oft beknackt sind.
Ich kann das nicht abschleißend beurteilen, so wie ich das sehe kommt er etwas reißerisch daher.
Eine gewisse Nähe zum Antisemitismus wird ihm schon bei wiki nachgesagt, was ich tendenziell unappetitlich finde. Wenn Du auf den Zug aufspringen willst bin ich nicht der richtige Diskussionspartner.


Das sind alles alte Kamellen - die mit der Verschwörungstheorie. Heute springt da noch kaum jemand auf. Entweder man glaubt die Bush-Lügen, oder sieht die Zusammenhänge mit der US-Geopolitik, die in dieser Form (Überfall auf Afghanistan) erst durch den WTC-crash möglich wurde.
Ob Bröckers seriös ist oder nicht spielt doch garkeine Rolle, wenn jemand wie Broder ihn als Fettfleck an der WTC-Wand sehen will. Ich möchte das Theater erleben, wenn solcherlei Äußerungen gegen Broder getan worden wären.-
Broder hat zum Irak-Krieg genauso gehetzt, wie zum Afghanistan-Krieg. Er greift Leute wie Uri Avneri, ja, eigentlich alle gemäßigten israelkritischen prominenten Juden als Dummköpfe an.
Was alles an Diskriminierung und Unterstellungen bis hin zum Antisemitismus Leute auszuhalten haben, die die Märchen der Bush-Ära kritisch zu hinterfragen wagten, dürfte bekannt sein. Dabei tun Leute wie Broder kräftig mit. Ob das jetzt einen Zusammenhang mit Christlich-Jüdischer Tradition hat: ich hoffe nicht, daß Leute wie Broder als Exponenten jüdischer Tradition gesehen werden sollen. Sonst müßte das für diese Form der Hetze insgesamt gelten.
Perivisor
 
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