In der
hellenistischen Epoche wurde der Name der Schlucht in prophetischen Texten auf ein als Strafort gedachtes Totenreich übertragen. Dieser Bedeutungswandel ist in den Quellen nicht in allen seinen Schritten belegt, doch lässt sich der Vorgang ungefähr rekonstruieren. Nach einer Hypothese von Lloyd R. Bailey bildete den Ausgangspunkt eine Kultstätte der
chthonischen (in der Erdtiefe waltenden) Gottheit Moloch im Hinnomtal.
[4] Altäre wurden nach einem verbreiteten Brauch möglichst an Orten errichtet, die als Kontaktpunkte zum Reich des betreffenden Gottes geeignet waren, weil sie sich nach Ansicht der Gläubigen in der Nähe dieses Reichs befanden oder gar dessen Eingangspforte bildeten. Die Kultstätte im Hinnomtal, wo das Blut der geopferten Menschen und Tiere zur Erde geleitet wurde, war demnach in der Vorstellung der Opfernden der Eingang zu einem unterirdischen Totenreich. Dieses erhielt daher seinen Namen von dem Ort, an dem sich sein Eingang befand.
[5]
Die
eschatologische Konnotierung des Tales als Ort einer künftigen Bestrafung Verstorbener knüpft an Jeremias 7,30–8,3 an, wo der Molochkult im Hinnomtal als Grund für eine künftige Strafe (die Eroberung Jerusalems durch
Nebukadnezar II.) genannt wird. Dieser Text ist erst nach der Katastrophe der Eroberung entstanden. Sein Verfasser legt die Prophezeiung Jeremias in den Mund, womit er beabsichtigt, erfahrenes Unheil als Strafe zu interpretieren. Durch diese fiktive Rückdatierung wird erstmals das bisher nur als Schauplatz vergangener Vergehen bekannte Tal zum Ort einer künftigen Strafe. Die dabei gewählten Formulierungen kündigen das zu erwartende Unheil so an, dass es zu jedem späteren Zeitpunkt als Ansage noch immer bevorstehender Strafen gedeutet werden konnte. Die offene Formulierung ermöglichte es den Lesern, ihre Gerichtserwartung immer weiter in die Ferne und schließlich bis ans Ende der Geschichte zu rücken