Alleine dieser Gedanke, daß in Deutschland 75.212 Mio Deutsche und 7.288 Mio Ausländer leben, also fast 10%, also jeder 10te Deutsche ist ein Ausländer, macht mir allmählich wirklich Angst.
Auch kulturell für Deutschland keine Bereicherung!
Ich dachte halt, dass man in einem Denkforum etwas mehr erwarten könnte! Das stimmt mich traurig!
Salut!
So geht es mir oft auch. So viel Wissen haben wir uns angeeignet und denken doch nicht wesentlich anders als z.B. die Menschen im 17./18. Jh. Traurig.
...noch so nebenbei: mit den frnazosen haben es viele deutsche auch nicht so,...
Da möchte ich ansetzen und etwas Geschichte in die Ausländerdebatte einwerfen:
Friedrich Wilhelm, der Kurfürst von Brandenburg-Preussen soll 1685 einem Einwanderer gesagt haben: 'Wenn Euer König die Hugenotten noch ein wenig mehr dragonieren wollte, täte er mir damit einen grossen Gefallen!'
Der Dreissigjährige Krieg kostete immens viele Opfer und die Wirtschaft war ebenfalls am Boden. Die Flüchtlinge sollten Abhilfe schaffen. Es war also kein Akt reiner Humanität als er das Edikt von Potsdam als Einladung an die Hugenotten abfasste -verbunden mit sehr vielen Privilegien. Für damalige Zeit betrieb er auch noch eine bespiellose PR dafür.
1710 war jeder fünfte Berliner ein Hugenotte!
Die Assimilierung war sehr schwierig, die Franzosen blieben zunächst unter sich, heirateten unter sich, hatten eine eigene Verwaltung -kirchliche wie auch bürgerliche- und sahen sich als eigene Nation. Ein Staat im Staate. Eigene Kirche, Friedhof, Theater, Armen- und Waisenhaus, Altersheim, Suppenküche, Krankenhaus und Schule. Die deutsche Sprache wurde dort
nicht unterrichtet.
Die Einheimischen waren über die Vorrechte massivst erbost, mussten gar Gemeindeäcker und Wiesen den Hugenotten abtreten und sie noch mit
Zwangskollekten unterstützen.
Es herrschte ein misstrauisches, unfreundliches Klima, die Franzosen wurden gar 'angeklagt', den Grossbrand 1687 gelegt zu haben.
'Ihr lebhaftes Naturell, die Sprache, die fremdartigen Sitten und Gewohnheiten irritierten die Preussen, die Kultur bildete einen Gegensatz...' schrieb ein Historiker des 19.Jh., 'sogar ein Storch soll schon über die Hugenotten geklagt haben, er könne keine Nahrung mehr finden, seit sie ihm alle Frösche aus der Spree wegfischten.'
Den ihnen geschenkten Sandboden haben die Flüchtlinge kultiviert, bauten allerlei Gemüse und Tabak an. Es sollte aber noch gut 30 Jahre dauern, bis sie die Berliner nicht mehr 'Gemüsefresser' beschimpften, vom Markt frischen Spargel, Salat etc. holten und im Lustgarten im ersten Kaffeehaus franz. Erfrischungen einnahmen.
Die Franzosen kamen meist vollkommen mittellos an, mit der Zeit aber errichteten sie zahlreiche Manufakturen, brachten auch technische Innovationen ins Land und führten in Brandenburg-Preussen über 40 neue Berufe ein (Goldschmiede, Uhrmacher, Wollweber, Schneider, Knopfmacher ...) - eine komplette französische Gesellschaft en miniature, der der Fürst und gezwungenermassen das deutsche Volk auf die Beine half.
Die Textilindustrie wäre ohne sie damals undenkbar. Brandenburg-Preussen exportierte in der Folge (Mitte-Ende des 18.Jh.) Seide, namentlich Seidenhandschuhe und Strümpfe nach Frankreich. Der König war so begeistert, das er Kinder des franz. Waisenhauses einspannen wollte, um Nachwuchs wie auch Nachschub sicherzustellen. Die Direktion aber lehnte dies ab. Die Kinder sollten die
beste Erziehung und Ausbildung bekommen.
Es gab bereits Kinderkrippen, Grundschulen und auch das Französische Gymnasium (1689!).
Berühmte Männer wie Georg von Siemens, Hans Fürstenberg, Maximilian Harden und Kurt Tucholsky besuchten es ebenfalls.
Schon bald hiess es von den gebildeten
Deutschen: 'Wer nicht Französisch red't, der muss ein Simpel sein!' Aber durch die tägliche Begegnung nahm auch das Volk franz. Sprachelemente in sein Vokabular auf: melonklöterich/mélancolique-trübsinnig; todschick/tout chic; bonfortinös/bon+fort=gut und stark, ausserordentlich etc. Der Berliner fühlte sich blümerant (bleumourant/mattes Blau), wenn er schlechten Muckefuck (mocca faux = falschen Mokka, Ersatz aus Chicorée) getrunken hat.
Das Volk übernahm Wörter aus der Küche (Bulette, Filet, Frikassee, Püree, Kompott...), aus der Mode (Manschette, Negligé, Taille...) und der Armee (Bataillon, Gendarm, Manöver...) und somit diverse Kulturelemente.
Z.Z. der Französischen Revolution (1789) und der napoleonischen Kriege (1806/07-die 3.+ 4.Koalition) waren die Hugenotten bereits in der preussischen Gesellschaft fest integriert. Allein das Heiratsverhalten zeigt es ausreichend. Bis 1700 waren kaum 10% der Eheschliessungen in der franz. Kolonie Mischehen. Bis 1728 immerhin schon 15%. Ab der dritten Generation (ca. seit 1760) bildeten sie den Hauptanteil der geschlossenen Ehen.
Ab ca. 1750 wurde in den Familien 'des niederen Bürgerstandes' Französisch weder gesprochen noch verstanden.
Hundert Jahre nach der Ankunft der Hugenotten also, traf die nächste Welle von Franzosen in Berlin ein. Die Adligen flohen vor der Revolution. Ein beträchtliches Teil der Hugenotten grenzte sich von den ehemaligen Landsleuten ab. Sie waren in der Zwischenzeit zu den 'besten Deutschen' geworden (Zitat Otto von Bismarck).
Ihre Liebe zum neuen Vaterland manifestierten und bewiesen sie in ihrem Engagement in der preussischen Armee gegen Napoleon.
Auguste de Dumas, Ex-Zögling des franz. Waisenhauses, bat z.B. die Anstaltsleitung dringend um Geld für seine Offizierskleidung. 'In wenigen Stunden könnte der Appell ergehen, die Heimat zu verteidigen...' Die Heimat war Brandenburg-Preussen!
Bedauere, schon wieder einen überlangen Beitrag abzuliefern, aber eine Bemerkung zur kulturellen 'Nicht-Bereicherung' -Zitat oben- muss ich noch loswerden:
Die Brüder Grimm glaubten in ihren 'Kinder- und Hausmärchen' 'lauter urdeutscher Mythus' gesammelt zu haben. Die Märchen stammten z.T. von einer 'Bäuerin aus dem nah bei Kassel gelegenen Dorfe Zwehrn'. Später stellte sich heraus, dass Dorothea Viehmann -die besagte Bäuerin- Nachkömmling einer Hugenottenfamilie, die Geschichten ihrer Mutter, Gross- oder Urgrossmüttern... nacherzählte - die deutschen Volksmärchen sind zum guten Teil franz. Erzählungen.
Hoffe, es ist wenigstens jemandem überlegenswert, bevor man in Zukunft wieder mit Sätzen wie oben zitiert aufwartet. Die Parallelen zu heute sind m.E. unübersehbar, obwohl sich seit damals einiges geändert hat.
Gysi, das grosse Verdienst Atatürks war die Modernisierung des Landes, in
diesem Sinne also auch die Verwestlichung. Er beendete das Sultanat, beschränkte den Islam auf den privaten Bereich, ein Gesetzbuch und das Handels- und Strafrecht wurden geschaffen und in einigen Bereichen die Gleichstellung von Mann und Frau erreicht. Alles Grundlagen eines modernen Staates, der aber kein westlich-liberaler war. Es war ein nationalistisches, autoritäres Regime ohne Opposition, dafür einem Personenkult. Auch die Staatswirtschaft war keine westliche, eher eine dem Sozialismus gleichende.
Die Frage, ob islamische Ordnung oder westlicher Liberalismus wurde damit nicht demokratisch gelöst - bis heute nicht. Das Land ist von zwei Kulturen geprägt, daran kommt niemand vorbei.