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Wissen und Unwissen

>robin

Aber ich glaube, dass es auch in Europa jede Menge philosophischer Richtungen gab, die die Integration von Gegensätzen zum Ziel hatten (Ying-Yang). Zum Beispile die Idealisten der Romantik. Verschmelzung mit dem Geliebten,mit der Natur, mit Gott usw. Selbst das "Vor Gott sind alle gleich" drückt das doch aus, oder?
Ich würde sogar paradox formulieren: Es gab in der europäischen Philosophiegeschichte einen Gegensatz von dualistischen und holistischen Ansätzen. Der Gegensatz lag zwischen Gegensatz und Einheit.
Aber ich musste mir sagen lassen, dass ich vielleicht das Intellektuelle/Spitzfindige manchmal überziehe, daher nur ganz kurz. Die Systemtheorie löst das Paradox auf, indem sie sagt, wenn ich ein Ding bezeichne, markiere ich den Gegensatz des Dinges gleich mit. Also Liebe ist, grob gesagt, die Einheit der Differenz Liebe/Nicht-Liebe.
Dieser Absatz, Robin lässt mich vermuten, dass Du Philosophie studierst hat (falls nicht, teile es bitte mit, andere sind auch Menschen).

Wie schon einmal erwähnt, habe ich ein Philosophielexikon. Ich möchte Dich bitten, mir mitzuteilen, was Du von folgendem Absatz hältst (wie seriös ist er). Ich möchte mir keinen Blödsinn einlernen:

Holismus (von griech. holos, ganz, ungeteilt).

1. Die Lehre, nach der Ganzheiten mehr sind als die Summe der einzelnen Teile. Z. B. können im Organismus bestimmte Systeme, die keine Organismen sind, nichtsdestoweniger als solche aufgefaßt werden, da die Teile der Systeme nur aus ihrem Platz und ihren Funktionen in der Ganzheit heraus erklärt werden können.

2. Metaphysische oder wissenschaftliche Theorie, nach der die Wirklichkeit aus Ganzheiten besteht, die eine Tendenz haben, sich zu ständig komplizierteren Formen hin zu entwickeln.

3. Geschichts- und gesellschaftswissenschaftliche Theorie, die soziale Ganzheiten als selbständig oder autonom begreift. In dieser Bedeutung unterscheidet man zwischen einem ontologischen und methodologischen H. Dem ontologischen H. zufolge gibt es irreduzible, soziale Ganzheiten mit besonderen Eigenschaften (Durkheim). Nach dem methodologischen H. sollen Ganzheiten als soziale Ganzheiten untersucht und nicht auf individuelle Besonderheiten, z. B. auf Handlungen von Einzelpersonen, reduziert werden (Nagel, Mandelbaum, Goldstein). Im Gegensatz zum Holismus steht der Individualismus (von lat. individuus, unzertrennlich, unteilbar). Dem ontologischen Individualismus zufolge gibt es in der sozialen Welt überhaupt nur Individuen. Der methodologische Individualismus ist dagegen die Lehre, daß alle gesellschaftlichen Erklärungen bei den Dispositionen und Handlungen der Individuen einsetzen müssen (Hayek, Popper, Watkins). Er stellt sich damit in Gegensatz zum H., der behauptet, daß in der Gesellschaft neue soziale Ganzheiten entstehen (Emergenz-Doktrin), die emergente Makro-Eigenschaften haben, welche von den Eigenschaften der Individuen unterschieden sind und als selbständige die Individuen und ihre Handlungen beeinflussen. Die Handlungen der Individuen könnten daher in vielen Fällen nicht verstanden werden ohne Hinweis auf soziale Phänomene, die nicht auf die Handlungen von Einzelpersonen zu reduzieren sind. Personen begreifen einen Teil ihrer Handlungen im Licht ihrer Vorstellungen über gesellschaftliche Ganzheiten (Mandelbaum).

Philosophielexikon/Rowohlt-Systhema​
 
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Zeilinger schrieb:
Dieser Absatz, Robin lässt mich vermuten, dass Du Philosophie studierst hat (falls nicht, teile es bitte mit, andere sind auch Menschen).

Hallo Zeili,

nein leider/glücklicherweise nicht. Ich komme auch mehr von der Soziologie, aber auch das ist nicht studiert-fundiert ;)
Habe mich aber in letzter Zeit privat für Geschichtsphilosophie interessiert. "Holistisch" benutzte ich mehr im allgemeinen, also Ursprungssinn. Auf diese Weise kann ich Philosophien zusammenrühren, die m.E. auf dem selben Prinzip beruhen (auch wenn die einzelnen Philosophen sich dagegen wehren würden eventuell).
"Holismus" ist mir auch im Zusammenhang mit Ken Wilber begegnet, einem Amerikaner, der eine Art esoterische Bewusstseinsforschung auf ein gehobenes Niveau zu stellen versucht. Dahinter steht der Gedanke, dass es im Prinzip nur ein universelles Bewusstsein, eine Energie usw. gibt, die wir alle teilen, von dem unsere Bewusstseins "Teil-Holons" sozusagen bilden.

Ich halte den Antagonismus Holismus/Differenzphilosophie auch deshalb für wichtig, weil er für eine unterschiedliche Zielrichtung im Leben steht. Die Einen glauben, dass es Einheit gab/geben kann und wollen sie wieder erreichen (durch Meditation, Beten, im Einklang mit der Natur sein usw.).
Die Anderen glauben, dass die Einheit nur ein Wunschdenken ist, der GEGENSATZ zur empfundenen Zerissenheit und Beliebigkeit unserers Lebens. Sie glauben, dass sich alles in Hierarchien und Differenzen entwickeln MUSS, sonst gäbe es nämlich keine Dynamik, keine treibende Kraft.
Und je nach Zielsetzung, baut man eben die eine oder andere Richtung weiter aus. Das interessante an dem Gegensatz Einheit/Differenz ist auch, dass er nicht mehr integrierbar ist, denn sowohl Einheit als auch Differenz tauchen in dieser Differenz ja bereits auf. Und diese Unversöhnlichkeit, ist wieder die treibende Kraft immer neuer Variationen von ENTWEDER/ODER oder EINHEIT.

Der Vorteil derer, die einheitlich denken ist, dass sie eine Art Utopie haben. Die Anderen haben keine (bis auf die vage Hoffnung, durch Evolution allein könne sich irgendwann doch ein nahezu paradiesischer Zustand einpendeln).

Grüße
 
>robin, >walter

Robin schrieb:
Hallo Robin,

habe Deinen Beitrag von

nein leider/glücklicherweise nicht. Ich komme auch mehr von der Soziologie, aber auch das ist nicht studiert-fundiert ;)...........über ...."Holismus" ist mir auch im Zusammenhang mit Ken Wilber begegnet, ............ bis zum Ende .....irgendwann doch ein nahezu paradiesischer Zustand einpendeln....

aufmerksam durchgelesen, muss aber gestehen, dass ich (noch) nicht alles nachvollziehen kann, ja teilweise noch gar nicht verstehe.
Danke Dir aber trotzdem für Deine Bemühungen. Vielleicht kann mir ja wer anderer sagen, wieviel mein Philosophie-Lexikon wert ist.

Was mich vorwiegend interessiert, ist die Moralphilosophie. Die es ansatzweise ja bereits bei Immanuel Kant - "Gut ist der sittliche Wille" - gibt. Erich Kästner wiederum sagte: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Davon könnte man ableiten: "Gut ist die gute Tat". Als Katholik könnte man risikolos sagen: "Gut ist die (Nächsten)Liebe" - da es ja das höchste katholische (ich glaube sogar christliche) Gebot ist. Sicher gibt es noch einige Definitionen von "gut", die sich nur meiner (oder auch Deiner) Kenntnis entziehen. Wenn wir alle haben, könnten wir dann eventuell zu einem Konsens kommen.

Soweit so "gut". Was machen wir aber mit Menschen, die - aus welchem Grund auch immer - die Sensibilität gar nicht besitzen, zwischen "gut" einerseits und "nützlich" bzw. "mächtig" bzw. "schön" bzw. "schmackhaft" andererseits zu unterscheiden (weswegen sie ja auch nicht zu verurteilen sind) ?

Aber wahrscheinlich passen die letzten 2 Absätze nicht zu "Wissen und Unwissen".
>Walter: bin gerne bereit, sie woanders hinzukopieren, weiß aber nicht, wohin.
 
Also ein Philosophie-Lexikon passt ja sehr gut zu diesem Thema. Manche hier im Forum lehnen ja "Schulphilsophie" ziemlich radikal ab. Ich denke, ein Lexikon ist so gut, wie es gelesen wird. Eine Geschichte der Philosphie oder Lexikon ist eines von vielen möglichen Abbildungen von der Geschichte und den Möglichkeiten philosphischen Denkens. Jedes Lexikon und jede Geschichte hat aber ihre Schwächen: Geschichte wird von Siegern geschrieben. Lexika spiegeln das Wissen wieder, das sich durchgestzt hat oder Aufmerksamkeit erregt hat. Aber ob das immer gültig ist?

Und mit der Moral ist es ähnlich. Die herrschende Moral ist diejeinige, die sich durchgesetzt hat. Wenn es Menschen gibt, die nicht in der Lage sind, die durchgesetzte Moral zu handhaben/zu verstehen, bedeutet dies für die Gesellschaft, dass sie Vorkehrungen treffen muss, um trotzdem zu bestehen. Und eine Gesellschaft muss sogar mit dem Wissen zurecht kommen, dass es keine allgemeingültige Moral geben kann. Was aus Gesellschaften wird, die einmal fest geschriebene Normen für immer konservieren wollen, wird anhand fundamentalistischer Staaten deutlich. Sie werden totalitär und versuchen dabei etwas zu erhalten, über dessen Ursprung sie sich eigentlich noch nicht einmal sicher sein können (wer weiß schon , ob der Koran korrekt übersetzt/interpretiert wurde, wer weiß, wie gültig die Texte der Bibel sind?)

Kleines Zwischenfazit: Ich bin der Meinung, dass man Wissen/Denken/Moral immer als "im Fluss" begreifen sollte. Das ist am Fortschrittlichsten, aber eine große Herausforderung für den Einzelnen!
 
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>Robin

Ich hoffe, bei Dir darf ich nicht nur wissen, sondern auch vermuten.

Ich denke, ein Lexikon ist so gut, wie es gelesen wird. Eine Geschichte der Philosphie oder Lexikon ist eines von vielen möglichen Abbildungen von der Geschichte und den Möglichkeiten philosphischen Denkens. Jedes Lexikon und jede Geschichte hat aber ihre Schwächen: Geschichte wird von Siegern geschrieben. Lexika spiegeln das Wissen wieder, das sich durchgestzt hat oder Aufmerksamkeit erregt hat. Aber ob das immer gültig ist?
Ich vermute, dass es auch hier einerseits klassische (zeitlose) Anschauungen und Theorien gibt, und andererseits Dinge, die eben der Mode unterliegen und widerlegt wurden, bzw. nicht mehr gelten.

Und mit der Moral ist es ähnlich. Die herrschende Moral ist diejeinige, die sich durchgesetzt hat.
Hier muss ich Dir widersprechen; Moral bedeutet für mich (und ich glaube auch für die Mehrheit) "gut"; Rückert sagte - meiner Meinung nach unwiderlegbar - "Das Starke muss nicht unbedingt das Gute sein." Dazu müssen wir aber zwischen "stark" und "gut" differenzieren.

Wenn es Menschen gibt, die nicht in der Lage sind, die durchgesetzte Moral zu handhaben/zu verstehen, bedeutet dies für die Gesellschaft, dass sie Vorkehrungen treffen muss, um trotzdem zu bestehen. Und eine Gesellschaft muss sogar mit dem Wissen zurecht kommen, dass es keine allgemeingültige Moral geben kann.
Stimme ich Dir großteils zu. Wen würde es aber stören, nach einer gleichen Moral wie alle anderen zu leben, wenn er diese Moral freiwillig angenommen hat ?

Was aus Gesellschaften wird, die einmal fest geschriebene Normen für immer konservieren wollen, wird anhand fundamentalistischer Staaten deutlich. Sie werden totalitär und versuchen dabei etwas zu erhalten, über dessen Ursprung sie sich eigentlich noch nicht einmal sicher sein können (wer weiß schon , ob der Koran korrekt übersetzt/interpretiert wurde, wer weiß, wie gültig die Texte der Bibel sind?)
Stimme ich Dir zu mit der Ergänzung, dass Irrtümer und Irrwege ja auch einmal erkannt und eingesehen werden müssen, bevor man etwas ändert. Ich sehe hier nur den Weg, dass eben diese fundamentalistischen Staaten einmal zu - ehrlichen und echten - Demokratien werden müssen.

Kleines Zwischenfazit: Ich bin der Meinung, dass man Wissen/Denken/Moral immer als "im Fluss" begreifen sollte. Das ist am Fortschrittlichsten, aber eine große Herausforderung für den Einzelnen!
[/QUOTE]Da gehen wir schon in die gleiche Richtung; ich finde, dass derzeit jeder nach bestem Wissen, Gewissen und Kräften seine Meinungen und Prioritäten so alle 5 Jahre einmal überprüfen und wenn nötig revidieren sollte.

Dass m.E. die Sehnsucht der Mehrheit der Menschen, an Dinge zu glauben, die Bestand haben, auf die man sich verlassen kann, weiterhin besteht, möchte ich in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen.
 
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