Ja, es ging zum einen darum, inwiefern mein provozierender Begriff "Scheindemokratie" gerechtfertigt ist und zum andern ging es mir noch darum, wer aus welchem Grund mit dem aktuellen Zustand zufrieden ist, der aus meiner Sicht eher Oligarchie (der Amtsträger und Geldbesitzer) als Demokratie ist.
Nun, wie viele Stimmen hat ein Milliardär bei unseren Wahlen und wie viele hat einer am Existenzminimum ?
Das ist die eigentliche Frage, um die es hier geht. Dass ein Milliardär eventuell Stimmen "kaufen" kann ist kein Mangel im demokratischen System. Denn in einem echten demokratischen System hat jeder mündige Bürger eine Stimme, mit der er machen kann was er will - er ist niemandem Rechenschaft schuldig. Und wenn er sie für Geld oder sonstige Vergünstigungen an einen Milliardär verkaufen mag, dann ist das sein gutes Recht. Das ist kein Mangel an Demokratie, sondern lediglich die "Kehrseite" ihrer. Wenn du so willst, ein "Mangel der Demokratie".
In Opposition zu Lehrmeinungen der Politikwissenschaft zu stehen, stört mich nicht im geringsten.
In der Regel sind aber Lehrmeinungen von Wissenschaften nicht nur "irgendwelche persönlichen Meinungen", sondern in der Regel plausibel. Genau darum finden sie auch breite Anerkennung. Wenn du eine abweichende Meinung hast, steht dir dieses Recht natürlich auch zu. Wenn du sie aber irgendwie ernst genommen sehen willst, dann musst du sie schon untermauern.
Es ist bestimmt häufig so, dass "Schuld" eher bei anderen gefunden wird, als bei sich selbst aber darum geht es mir nicht.
Das aktuelle politische System begünstigt Kapitalbesitzer, lässt Leute mit hohen und mittleren Einkommen einigermaßen leben und ist hart bis hoffnungslos für Leute mit wenig und keinem Einkommen. Je nachdem, in welcher Situation sich jemand befindet, hat er also mehr, weniger oder gar keinen Grund, das politische System zu preisen oder aber es nieder zu reißen.
Das "aktuelle politische System" ist es nicht, was Kapitalbesitzer begünstig. Es ist das Konzept des Besitzes, das das tut. Und dieses Konzept ist keine Eigenheit der Demokratie, sondern ein soziales Naturphänomen. Auch bei Tieren und Pflanzen geht es in der Regel dem Exemplar besser, das mehr "Besitz" hat.
Diverse politische Systeme mildern diesen "Vorteil durch Kapital" in verschiedenem Ausmaß. Es stimmt, dass auch unser aktuelles System den Vorteil von Besitz nicht zur Gänze verhindert. Wäre aber auch dumm, das zu versuchen. Der Kommunismus hat es versucht, war aber nicht sehr erfolgreich damit.
Wer also ein Bisschen überlegt, sollte nicht das "politische System" verteufeln, sondern eventuell das Konzept des Besitzes. Macht aber so viel Sinn, wie das Wetter zu verteufeln.
Das Dogma, nach dem es ja jeder selbst in der Hand hat, wie gut es ihm geht, wird auch nur von jenen geglaubt, die sich noch einigermaßen sicher und zufrieden fühlen und das sind längst nicht alle sondern womöglich bereits eine Minderheit.
Das ist kein Dogma, sondern ein Credo. Wer ein Problem mit der Welt hat, hat prinzipiell 2 Möglichkeiten. Er ändert sich oder er ändert die Welt. Welcher Weg ist erfolgversprechender ?
Natürlich ist dieses Dogma auch falsch, denn bei einer "Reise nach Jerusalem" muss es immer weniger Stühle geben, als Teilnehmer. Es ist logisch nicht möglich, dass es sich
alle auf dem Rücken von
allen bequem machen, das geht nur, wenn es sich eine Minderheit auf dem Rücken einer Mehrheit bequem macht.
Nicht das Dogma, sondern der Vergleich "Reise nach Jerusalem" ist falsch. Denn in der Welt -vor Allem in unseren Breiten- gibt es deutlich mehr Stühle als Teilnehmer. Und es regt sich bei uns nicht jemand auf, weil er keinen Stuhl erwischt, sondern weil er nur 473 Stühle hat aber ein anderer 658. Und das, während in anderen Ländern manche wirklich keine Chance auf einen Stuhl bekommen.
Geschenkt. Es gibt ausschließlich Oligarchien, das sind Systeme mit einer schmalen Herrscher-/Oberschicht und einer breiten Untertanenschicht.
In jedem System muss es mehr Indianer als Häuptlinge geben, ansonsten geht es in Richtung Ineffizienz. Da gab es vor vielen Jahren ein Rundmail, das zeigte Ein Bild von einer Gruppe von etwa 20 Männern in Anzügen, die rund um ein großes Loch standen. Jeder hatte eine Bezeichnung wie "Oprativer Manager", "Human Capital Manager", "Facility Manager", "Corporate Finance Manager", etc... Und im Loch steht einer im Blaumann mit einer Schaufel in der Hand mit dem Etikett "Ivan".
Sieht so deine Vision aus ?
Die Breite der Schichten, ihre Durchlässigkeit und das Gefälle der Lebensqualität ist dabei variabel.
Äußerst variabel. Ich halte die Lebensqualität in meiner aktuellen Situation für weit besser als sie sein würde, wäre ich Bundeskanzler oder Oligarch. Mit dem Besitz erhöht sich nicht unbedingt die Lebensqualität, und schon gar nicht das Glück.
Die wird ja nicht "abgeschafft" sondern die wird sich verändern. Diese Veränderung kann allerdings in verschiedene Richtungen gehen. Wenn wir bereits in einer
Demokratie lebten, dann könnten wir darüber abstimmen.
Die Wünsche einer Bevölkerung ändern sich mit den äußeren Umständen, und die äußeren Umstände sind Gegebenheiten. Auch in Demokratien sind Gegebenheiten eben solche, und über die kann nciht abgestimmt werden. Aber, auch das ist kein Mangel an Demokratie, sondern das liegt außerhalb ihrer Grenzen.