Du hast recht. Aber sieht sich der Mensch nicht anderen Säugetieren intellektuell haushoch überlegen? Er hat ein größeres Gehirn, das komplexe Aufgaben meistert.
Ja, und beides trifft auch zu.
Warum verhält er sich dann immer noch wie die Affen, von denen er nachweislich abstammt?
Als kürzestmögliche Antwort: Genau deswegen. Aber, lediglich diese beiden Worte würden noch nicht viel erklären.
Affen (für sich, wie auch stellvertretend für alle Lebewesen, inklusive Pflanzen, Mikroorganismen) reagieren wie sie reagieren auf Grund der Naturgesetze, die die Evolution antreiben. Leben an sich ist ein instabiler Zustand (zweiter Hauptsatz der Thermodynamik!), und Leben muss selbst dafür sorgen, dass es sich erhält, denn, wenn es das nicht tut, wird es sehr schnell ausgelöscht.
Diese Naturgesetze gelten natürlich (sic!) auch für den Menschen, warum sich seine prinzipielle Verhaltensstrategie und seine grundlegenden Antriebe auch nicht von jenen anderer Lebewesen unterscheidet.
Laien glauben, der Selbsterhaltungstrieb der Individuen hätte den ultimativen Zweck, das Leben des Individuums zu erhalten. Das stimmt aber nicht ganz. Die gesamte Existenz der Individuen dient biologisch nicht ihrer selbst, sondern der Existenz ihrer Gene. Daher verhalten sich Individuen so, wie es der Existenz und der Verbreitung ihrer Gene dient, und nicht dem eigenen (man kann sich auch selbst schlecht verbreiten, auch wenn meine Waage letztlich da nicht so 100%ig zustimmt). Und nicht nur das Verhalten, sondern die gesamte Natur der Individuen ist darauf aufgebaut. Nur daher erklärt sich, warum Individuen sterblich konzipiert sind (dass praktisch alle Lebewesen selbst bei unbeschränktem Nahrungsangebot, völliger Abwesenheit von Feinden und Konkurrenz dennoch eine endliche Lebenszeit haben ist eine spezielle Einrichtung, die sich evolutionär entwickelt hat, und in dem Maß, wie sehr sich dieses Feature durchgesetzt hat sieht man, wie erfolgreich bzw notwendig es ist), während die Gene von sich aus unbegrenzt lange existieren könnten. Und aus diesem Grund erklärt sich, warum die Individuen den Drang haben sich fortzupflanzen und sich damit nicht nur während des Prozesses in Gefahr begeben, sondern damit für unmittelbare Konkurrenz um Ressourcen sorgen.
Und, da das Leben nun einmal Ressourcenverbrauch bedeutet und Ressourcen knapp sind, kommt es zu Konkurrenz, und folglich unvermeidlich zu Kämpfen. Diese haben den tiefen Grund (der zumeist nicht bewusst wahrgenommen wird), die eigenen Gene zu schützen und zu verbreiten. Darum kämpft man zumeist für sich selbst, für seine Angehörigen, für Mitbürger (die Gene seiner Mitbürger stimmen mit den eigenen in der Regel mehr überein als jene anderer Länder). Und aus diesem Grunde opfern sich Eltern auch oft für ihre Kinder. Denn, die Kinder führen die Existenz der eigenen Gene oft eher fort als man selbst. Diese Aufopferung ist keine selbstlose Eigenheit von liebenden menschlichen Eltern, sondern eine von vielen Taktiken im strategischen Kampf der Gene.
Damit wären, so denke ich, die Ursachen der "affengleichen Kämpfe" erklärt. Aber, diese fundamentale Erklärung schafft es auch, das "Gegenteil", die Liebe, den Respekt, die Zusammengehörigkeit, etc.... zu erklären. Ich diese Verhaltensmuster sind keine ausschließliche Eigenheit der Menschheit, sondern sind vom Prinzip her (natürlich in unterschiedlichen Ausformungen) in der gesamten Biosphäre zu finden. Denn, neben dem Konkurrenzkampf kann auch Kooperation zu besseren Überlebens- und Verbreitungschancen der eigenen Gene führen.
Was den Unterschied zwischen Mensch und Affe (und im Vergleich zu anderen Lebewesen noch mehr) ausmacht ist, dass er die konkreten Folgen seines konkreten Handelns besser und zeitlich weitreichender abschätzen kann. Aber seine tiefen Motive bleiben natürlich die gleichen, denn er ist nicht von einem Gott als überlegenes Wesen erschaffen, sondern entstand aus der Natur und hat sein Gehirn und seine Intelligenz nur zu dem natürlichen Zweck, seine Gene zu erhalten und zu verbreiten. Und, dazu nutzt er es offensichtlich gut, manche mögen meinen, zu gut.
Auch ist der jeweilige Nutzen von Kampf bzw Kooperation situationsabhängig - was dazu führt, dass jeder zu beiden Strategien fähig ist und sie je nach Bedarf nutzt, und in der Regel beide zu gleichen Zeit (Russland kooperiert mit Weissrussland und kämpft gleichzeitig gegen die Ukraine, zum Beispiel).
Warum beruft er sich noch immer auf das "natürliche Recht" des Stärkeren?
Ich glaube, das tut aktiv niemand. Aber wie viele Handlungen setzen wir, ohne darüber nachzudenken, einfach weil wir es können und weil wir uns davon einen Nutzen erwarten ? Wie viele Mikroorganismen bringt man bei der täglichen Hygiene um, ohne darüber nachzudenken, einfach weil man sich einen Nutzen (man stinkt nicht, es juckt nicht und man wird nicht krank) erwartet ? Man kann diese Mikroorganismen töten, weil man stärker ist, das ist ein Faktum. Aber niemand geht der täglichen Hygiene nach in dem Wissen mit dem "natürlichen Rechts des Stärkeren" abermillionen Lebewesen zum eigenen Vorteil zu meucheln. Und auch wissend darum, wird jetzt wohl auch kaum jemand den moralischen Aspekt der täglichen Hygiene neu bewerten wollen.
Warum sind so wenige Menschen fähig sich aus dieser "Diktatur" der Evolution zu befreien?
Weil der Mensch mit seiner Veranlagung aus der Evolution entstanden ist, und die Evolution wie auch seine Natur sich nicht schlagartig ändern - und schon gar nicht auf Geheiß einer Ideologie. Wir hatten das Glück, uns in der äußerst seltenen und ich darf wohl behaupten einzigartigen Situation aufgewachsen zu sein, in der wir uns im Alltag praktisch nicht um unsere Grundbedürfnisse wie Ernährung, unmittelbare Sicherheit und Bleibe sorgen mussten. Und auch wenn in diesem Paradies unsere natürlichen Fähigkeiten, die wir lieber den Affen zuschreiben als uns selbst nur wenig gebraucht haben und sogar als schädlich bezeichnen wollen sind es doch sie, die dieses Paradies, in dem wir leben dürfen, erschaffen haben. Zu meinen, sie wären "lästige Altlasten aus der Evolution" wäre naiv und verantwortungslos und würde sich rächen. Denn, so wie das Leben an sich ein instabiler Zustand ist und permanent für dessen Erhaltung gekämpft werden muss (ja das ist so, auch wenn einem das im Alltag nicht bewusst ist. Man muss tagtäglich abermillionen Mikroorganismen neutralisieren, um nicht an einem Infekt zu sterben, und man muss andere Lebewesen überwältigen und verzehren, um sich zu ernähren) gilt selbiges auch für unser Paradies - unsere Demokratie, unser Friede, unsere Freiheit. Und zur Erhaltung braucht es nun einmal Macht, Entschlossenheit, und wie man am Beispiel der Ukraine auch sieht, Gewalt.
Wer dazu nicht fähig ist, wird früher oder später untergehen. Sei es durch Konkurrenz (menschliche oder sonstige biologische) oder einfach durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.