AW: Was lest ihr gerade?
An anderer Stelle habe ich schon erwähnt, dass ich mich wieder einmal an Friedemann Schulz von Thuns (SvT) „Miteinander reden“ heran gemacht habe. Vor dreißig Jahren habe ich das erstmals rezipiert.
Es ist ein Zufall, dass ich gleichzeitig auch Bunyans (B) „Pilgerreise zur Seligkeit“ (Pilgrim’s Progress) lese. Weil ich eben auch das endlich kennen lernen wollte, wie Augustins Confessiones und Thomas a Kempis Imitation Christi und ähnliche Sachen.
Und da fällt mir doch eine erstaunliche Parallelität beider Bücher auf.
Beide sind überzeugt, dass sie eine Lehre verkünden, die den, der sie befolgt, zu einem gelungenen Leben verhelfen.
Bei B findet dies freilich erst nach dem Tode statt; SvT rechnet damit, dass man schon hierzuerden erlöst werden oder wenigstens einigermaßen zufrieden leben kann.
B hat das Glück, auf eine Bibliothek zurückgreifen und hinweisen zu können, die im Lauf vom 8. Jhdt vor bis zum 2. Jhdt nach unserer Zeitrechnung entstanden – sonst missverständlich als Buch, nämlich biblia bezeichnet –, und zugleich auf eine fast zweieinhalb Jahrtausend umfassende Interpretationstradition Zugriff hat und sich sicher sein kann, dass seine Leser diese kennen, was ihm langwierige Bergriffserklärungen erspart, während SvT bloß eine sechzig- bis achtzigjährige „Wissenschaft“ zur Verfügung steht – so ab Freud und Adler –, die zum Zeitpunkt, da er schreibt, noch nicht einmal ganz etabliert ist und sich aus so zweifelhaften Teilen wie Psychologie, Soziologie, Kommunikationstheorie zusammensetzt, was ihn dazu zwingt, seinen Lesern oft umständlich deren Begrifflichkeit oder Metaphorik zu erklären.
Das lässt sein Buch wissenschaftlicher erscheinen, aber oft kommt mir der Verdacht, dass seine Bilder und Metaphern grad so stimmig sind wie Bs Sünde, Reue, Gnade, Vergebung der Sünden, Menschwerdung Gottes, Gottes Sohn, Kreuzestod, Auferstehung, Himmel, Hölle, etc.
Bei beiden ist es aber so, dass man sich ganz auf die Lehre einlassen muss, an sie glauben, nach ihr leben muss, um Erlösung zu finden.
Ich überlasse es den geneigten Lesern, sich weitere Aspekte der Übereinstimmung selber vorzustellen.
Gruß Fritz