(2007) Erinnerungen an die Worte eines Österreichers
Nun...
1998 traf ich den ersten Menschen, der sich mit mir selbstlos befasste
Hier ein paar Begebenheiten:
1) Als ich ihm gegenüber behauptete, dass ein öffentlich ausgestelltes Werk in Augsburg keine Kunst sei, (ein großer lächerlicher schlichter Metallwürfel einfach auf der Spitze festmontiert), sagte er mir:
"Die Tatsache, dass du dieses Werk kritisiert hast, macht es allein schon zum Kunstwerk. Du bist nicht unbeachtet vorüber gegangen, sondern hast dich mit diesem Werk befasst. Wenn auch nur ein Mensch sich mit diesem Werk auseinandersetzt, hat der Künstler sein Ziel erreicht und sein Machwerk ist Kunst. Die persönliche Beurteilung sagt etwas über den Geschmack des Betrachters aus, nicht ob etwas Kunst ist oder nicht.
Wenn ein Film in die Kinos kommt und er gilt als Grottenschlecht, ist dieses Werk plötzlich kein Film mehr, nur weil er einfaltslos, oberflächlich und nich für gut befunden wird?"
2) Er gab mir mal zwei Bier aus in München an der Isar in warmem Sonnenwind. Darauf meinte ich: " Ich weiß nicht, wie ich es dir wieder geben soll, du bist ja nicht mehr lange hier?" Darauf er: "Das ist vollkommen unwichtig. Das Bier, dass ich dir heute gebe, bekomm ich irgendwann von jemand anderem zurück. Und ich bin sicher, dass das Bier, welches ich dir heute gegeben habe, du irgendwann in der Zukunft einem anderen wirst geben. Wenn du das eines Tages begreifst, wirst du erkennen, dass die Menschen sich eigentlich nie etwas schuldig sind.
Nur Egoisten tanzen aus der Reihe, die wahren Viren der Menschheit. Sie wollen immer alles so schnell wie möglich wieder zurück haben oder zurück geben. Und wenns geht noch mit Zinsen."
3) Es ging um das Thema "Ehrliche, echte Freundschaft"
Wie er mir mitteilte, hatte ein Freund von ihm echten Selbstmord verübt. Er hatte mit der Welt abgeschlossen und schied mit gutem Gewissen aus dem Leben. Ich fragte:" Hättest du ihn nicht aufhalten sollen? Das wärst du ihm doch zumindest schuldig gewesen, denn du warst doch sein bester Freund"?
Da erklärte er: "Gerade weil ich sein bester Freund war, musste ich ihn LOSLASSEN. Hätte ich ihn zurückgehalten, wäre dies aus egoistischen Motiven geschehen. Er hätte für mich auf dieser Erde qualvoll ausgeharrt, ich hätte nicht als Freund gehandelt. Es war ja nicht so, dass er durch irgendwas oder irgendwen in den Tod getrieben wurde und ein Fall für die Psychiatrie war. Nein, er hatte mit sich und der Welt abgeschlossen. Er ist freiwillig und in eigener Überzeugung aus dem Leben geschieden.
Denk an deinen Jesus. Auch er ist freiwillig aus dem Leben geschieden."
Da wollte ich protestieren, doch er schnitt mir das einzige Mal das Wort ab. " Körperlich hat er keinen Selbstmord begangen, aber was ist geistig oder seelisch? Hat er Judas nicht beauftragt, ihn obligatorisch zu verraten, damit keine unschuldigen sterben müssen, wenn sie ihn bei Tage geholt hätten? Hatte er nicht die Möglichkeit, sich seine Leute zusammenzutrommeln und mit Waffengewalt Jerusalem zurückzuerobern. Nein, Jesus entschied sich für den Weg der Liebe, und der führte, was ihn betraf zum Tod. Ja auch seine Jünger mussten Jesus LOSLASSEN.
Ich weiß nicht, ob ich dich mit diesen Begebenheiten habe aufklären können, was ich oben versuchte zum Ausdruck zu bringen?
Lieben Gruß Phuchsy
(Ein alter Forenkommentar)
(2011) Weitere Erinnerungen an die Worte eines Österreichers
Mittlerweile ist die Quelle, wo ich die ersten Worte niederschrieb, aufgrund von Fortgang der Frau, auf die ich damals geantwortet habe, nicht mehr existent, somit gibt es diese Worte nur noch hier.
4) Maximal kannte ich ihn nur 2 Monate. Eine, ja ich möchte fast sagen, Ansprache, die er mal hielt, kann ich ebenso nur dem Sinn nach wiedergeben. Doch sie war so wegweisend, (drum schreibe ich, der möglichen Verwechslung wegen, das Synonym für fort ->weg gerne antilexikalisch so: wegg) dass sie einen Nachhall mitschwingen ließ.
Er sah mich mal wieder etwas verkrampft und verzweifelt bemüht, etwas tun, wozu ich mich dabei schrecklich anstellte: "Sag mal, warum tust du das eigentlich, ist doch offensichtlich, dass du es nicht kannst? Manche Dinge wirst du sowieso nie können und wenn du dich noch so sehr anstrengst." Tja, da hatte er einen Punkt getroffen, der mich zwar selber nervte, ich bis zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht abgelegt hatte, weil ich es im Trichter hatte, ich müsse es immer wieder und wieder versuchen, bis ich es irgendwann erfolgreich gelernt hätte. Es wurde ja so erwartet, verlangt. Er grinste mich etwas belustigt, man könnte auch sagen, verschmitzt an und meinte: "Weißt du, am besten ist, du ziehst dich nackt aus. Ja wirklich, komplett nackt ausziehen." Da stutzte ich erst mal und fragte dann doch wie er das meinen würde, denn ich wollte mich garantiert nicht ausziehen und schon gar nicht öffentlich in München.
Wieder grinste er: "Nein, nein, ich meine geistig. Deinen Geist leer machen, all das was in dich reingestopft wurde, quasi die Festplatte deines Kopfes leer machen. Du schüttelst deinen Kopf aus, bis nix mehr drin ist, dann betrachtest du den ganzen Haufen und sortierst. Was gehört zu mir, was gehört nicht zu mir. Jo am besten wie ein Puzzle oder ein Mosaik. Stell dir so ein Bild vor. Und in dieses Bild setzt du die Steinchen ein, die tatsächlich zu dir gehören. Es ist nicht wichtig, dass das Mosaik von heut auf morgen vollständig fertig wird, doch es ist wichtig, dass nur deine Steine oder Stückchen enthalten sind. Und im Laufe der Zeit, während das Leben weiter geht, setzt du weitere Steinchen ein, die dir über den Weg anblickend auffallen. Die du allerdings vorher geprüft hast, ist es wirklich ein Steinchen für mich oder doch nicht. Und all den ganzen Rotz, der in dich reingestampft wurde, schmeißt du auf die Müllkippe, da wo er auch wirklich hingehört. Nur so hast du die Möglichkeit, authentisch zu werden."
Ich dachte einige Zeit darüber nach und fragte ihn wie das denn einfach gehen sollte, ich nannte ihm auch einige Beispiele, die mir selbst nicht an mir gefallen, wo ich mich dann hinterher selbst ärgere, dass ich wieder mal so oder so gehandelt hatte, wie die Sache mit dem Holz stapeln bei meinem Onkel.
"Ja, stimmt, einige Sachen sind wohl schwieriger, loszuwerden, doch nicht unmöglich, arbeite daran. Du kannst einen Schlüssel finden, um die Tür sanft zu öffnen und den Inhalt hinaustragen. Du kannst dir auch mit der Gewalt einer Brechstange Zutritt ins Haus verschaffen, indem du die Tür aufbrichst. Doch das rate ich dir nicht, denn dann ist deine Tür beschädigt und jeder kann ungezwungen seinen Müll in deinem Haus abladen und es war alles für die Katz. Und eine *neue* Tür, die als Ersatz für deine Tür eingebaut werden müsste, wäre dann nicht deine Tür, denn diese müsste dir erst selbst vor Augen kommen, indem du sagst, ja, diese Tür möchte ich haben. Eine neue eigene Tür zu finden ist schwieriger als den ärgsten Mist loszuwerden, der tief drin sitzt. Schau dir all die armen Leute an, die in den Psychiatrien hocken, von den hat fast keiner mehr ne eigene Tür. Und ein solches Elend wünsche ich dir nicht. Fremder Mist und ne Fremde Tür."
Ich habe jedes Jahr immer wieder an seine Worte gedacht und auch heute, sind sie mir noch vom Sinn her im Gedächtnis, ja ich möchte fast sagen: Botschaft. Nachdem ich in einigen Esoterischen Foren mittlerweile unterwegs war, möchte ich schon sagen, das dass, was dieser Österreicher mir 1998 versuchte zu erklären, das ist, was mit Selbsterkenntnis gemeint wird. Und das alles von einem Typ in Jeans, Ohring, Tattoo, Bier, gelegentlichem Joint und der Tatsache dass er ein Österreicher war.
Er war der erste Mensch, der mich quasi väterlich geistig an die Hand nahm und auch freundlich intensiv sich um mich bemühte, was ich zuvor nicht kannte. Zuvor kannte ich nur: Entweder Herz oder Kopf. Doch in ihm fand ich beides.