Eine interessante Ausgangsfrage, mit der ich mich seit Beginn meines Studiums beschäftige. Als ich meinen Vater über meinen Entschluss zum Philosophiestudium unterrichtete, antwortete dieser typisch wienerisch: „Philosophian kaun jo a jeder.“ Ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Sinnspruch zu beabsichtigen, kann man recht wertvolle Erkenntnisse über die eigene Auffassung von Philosophie gewinnen, wenn man sich eine passende Erwiderung auf diese Behauptung überlegt. Dabei unterliegt die jeweilige Entgegnung in dem Sinne einer naturgemäßen Kontingenz, dass sie stark davon abhängt, auf welcher Stufe seines philosophischen Werdegangs man sich gerade befindet. Das eigene Verständnis von Philosophie ist einem stetigen Wandel ausgesetzt und je nach der aktuellen Auffassung, mag sich die gegebene Antwort ändern. Inzwischen denke ich, dass eine befriedigende Antwort auf die Frage "Was ist Philosophie?" mit einer einschlägigen Zweiteilung des Begriffs "Philosophie" anheben könnte:
(1) Philosophie als existenzielles Bedürfnis des Menschen: Als geistige Tätigkeit des Menschen in Auseinandersetzung mit der Welt, als Ausdruck des tief im Menschen verwurzelten intellektuellen Bedürfnisses nach Sinngebung und nach Reflexion seiner Stellung im Kosmos. Dieses Philosophieren ist frei und muss sich nicht rechtfertigen. Der Wunsch nach Reflexion, Kontemplation und Erkenntnis muss nicht noch eigens motiviert oder begründet werden.
(2) Philosophie als akademische Wissenschaft: In dieser Begriffsverwendung trägt Philosophie wie die anderen Wissenschaften zur systematischen, methodisch kontrollierten, ergebnisoffenen, fehlbaren Erkenntnissuche bei. Die Philosophie ist ein Wissenschaftssystem bzw. ein Forschungssystem, das sich mit Fragen beschäftigt, die durch eine gewisse Grundsätzlichkeit und Allgemeinheit gekennzeichnet sind sowie Themenfelder behandelt, die für das menschliche Leben wichtig sind und auf diese Weise nicht in anderen Einzelwissenschaften untersucht werden.
Ich wünsche dir viel Freude und Durchhaltevermögen bei deinem Studium und hoffe inständig für dich, dass dir der wirtschaftliche Aspekt (das liebe Geld) nicht zu sehr in die Quere kommt bzw. in deinem philosophischen Werdegang tonangebend wird.
Da du die Frage des Threaderstellers, was Philosophie sei, schon recht systematisch beantwortet hast, möchte ich nur noch beisteuern, dass man Philosophie ruhig einfach verstehen sollte als das, was es meint: Die Lust am Grübeln, am Hinterfragen (vor)gegebener Antworten und Erfragen neuer Begebenheiten. Oder wie ich meinen Schülern noch einfacher sage: Ihr alle seid Philosophen, ihr müsst nur neugierig sein und euch über die Welt Gedanken machen.
Da der Threadersteller schon mit ironischen Sprüchen hantierte, steuere ich ebenfalls einen bei: "Nachdem sich die Philosophie selber zum Thema wurde, hängt sich sich nun zum Hals heraus." (Seiler).
Also: Nicht zu viel über die Philosophie nachdenken, sonst baut man Luftschlösser und dreht sich um sich selbst und sein Tun, verfehlt dabei aber die eigentliche Intention, das Wesentliche: Denkerisch die Phänomene zu ergründen.
Und noch zur Klarheit der philosophischen Sprache: Wer wirklich etwas zu sagen hat, der kann das (und möchte das naturgemäß) in einfacher und intersubjektiv verständlicher Weise unternehmen. Nirgends ist es so verfänglich, sich hinter Begriffen zu verschanzen, die am Ende auf nichts mehr verweisen und damit einen beliebigen Charakter gewinnen.
Als Student sollte man also immer kritisch bleiben und sich nichts vorgaukeln lassen. Sonst geht es einem wie jenem Physikstudenten, der einst einer Heideggervorlesung beiwohnte, nichts von dem verstand, was dieser von sich gab und dennoch am Ende mit Begeisterung ausrief: "Das ist wahre Philosophie!" Nein, das ist Quacksalberei, das ist Blendertum im Gewand der Philosophie und zwar von der gefährlicheren Sorte. Die philosophische Bühne ist voll solcher Protagonisten, die mehr der Redekunst und Selbstdarstellung frönen und gar nicht wirklich bei (einer) Sache sind.