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verloren im Meer der Möglichkeiten ?

tanne

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27. November 2005
Beiträge
90
Freiheit, wie viel vertrage ich davon?

Ich frage mich manchmal, ist Freiheit wirklich das wichtigste was zählt?

Wie viele Entscheidungen treffe ich täglich?
Beim Kauf einer Jeans, beim Essen - Honig oder Marmelade zum Toast, Ketchup oder Majo zu meinen Pommes, Spaghettis oder Kartoffeln, Wurst oder Käse?
Beim Gehen - ein Bein vor das andere setzen, in der U-Bahn den Blick umherschweifen lassen?
Bluse oder T-Shirt, Kanaren oder Sylt, ein Geländewagen oder doch lieber ein Coupe, ein Kind bekommen oder nicht (Vergangenheit für mich :-))
allein leben oder lieber zu zweit, die ganze Wahrheit sagen oder nur die halbe ...usw. usf.... Hunderte von Entscheidungen, bewusst oder unbewusst.
Je mehr Wahlmöglichkeiten ich habe, desto schwerer fällt es mir, mich zu entscheiden, und desto kritischer betrachte ich im Nachhinein meine Entscheidung, denn jede Festlegung auf eine Möglichkeit schließt andere Alternativen aus, die sich hinterher als vorteilhafter erweisen könnten. Das bedeutet permanente Angst, mich falsch zu entscheiden.
Die Freiheit, Tun und Lassen zu können was man will, gilt heute als Selbstverständlichkeit. Unsere Vorfahren konnten davon nur träumen.
Gehorchen hieß es, Frauen den Männer, Kindern den Eltern, heirate keinen Katholiken, wenn du protestantisch bist, gehe täglich in die Kirche, mindestens einmal in der Woche zur Beichte. Abendessen gab es, wenn die Sonne unterging, der Pflug hatte keine Scheinwerfer!
Wohnortwechsel war undenkbar, Mobilität sicher ein Fremdwort.
Mit der Reformation begann wohl die Befreiung des Menschen aus seiner Abhängigkeit und mit der 68er Bewegung erreichte sie den Höhepunkt.
Heute können wir selbst bestimmen, was für uns wichtig ist und was nicht. Wir müssen uns nichts mehr von der Tradition und/oder Kirche vorschreiben lassen, wir müssen uns nicht mehr den Toten beugen.

Das bedeutet, ich bin in einem permanenten Entscheidungszwang und damit in einem ständigen Unruhezustand, weil ich selber für mein Tun verantwortlich bin und die Risiken ganz alleine trage.
Der Arzt diagnostiziert Down-Syndrom bei einem Ungeborenen.
Abtreibung oder nicht... können/wollen wir mit einem behinderten Kind leben? Eine Entscheidung muss her und das schnell.
Überfordert uns diese Freiheit? Wie viel ertragen wir davon?

Für mich hat die Freiheit zwei Gesichter, Segen und Fluch...
Freiheit zu... ist das nicht auch bedrohlich?
Verantwortung für mein Tun zu übernehmen, die Schuld für eine falsche Entscheidung lässt sich nicht mehr abschieben.
Ich bin allzeit mobil, eben frei, dafür aber wurzellos, ich bin permanent ‘gut drauf’, muss dafür u.a. meine täglichen Nahrungsergänzungspillen schlucken...
ist das wirklich erstrebenswert?

Fühlt Ihr Euch durch das Überangebot an Freiheit auch manchmal überfordert?

Einen schönen Sonntag
tanne
 
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Hallo!

Ich persönlich sehe mich als Profiteur höherer Freiheitsgrade. Um mit höherer Freiheit umgehen zu müssen, ist eventuell Fähigkeit zum komplexen Denken vonnöten, sowie Methoden, diese Fähigkeit auf Entscheidungen anzuwenden. Dazu gehört dann auch, Zufälle zu akzeptieren und die Grenzen des eigenen Urteils zu akzeptieren, das unmöglich alle Handlungmöglichkeiten zuverlässig in ein hierarchisches Schema pressen kann.
In differnezierter Weise wurde das Thema in diesem Thread vor zwei Jahren behandelt.
 
AW: verloren im Meer der Möglichkeiten ?

Ein schönes, und vielschichtiges Thema, Tanne – und ich muss gestehen, dass ich mir erstmal erlaube so frei wie nur möglich ranzugehen.
Und schon stellt sich die Frage: ist das überhaupt möglich? Ein ganz freies Schweben mit anderen Worten?

Nein, ich glaube nicht, dass das möglich ist oder sogar erstrebenswert. Das Freischweben kennen wir aus unseren Träumen – und Traum und Realität sind zwei fast gleich wichtige Aspekte in unserem Leben – sollten aber nicht verwechselt werden. Um sich richtig auf beides einlassen zu können, gilt es sie auch voneinander zu unterscheiden und sogar bis auf wenige Augenblicke der Ausnahme, sie auch getrennt zu belassen.

Doch wie sieht es mit unserer Freiheit aus? Ist die unbegrenzt? Wäre dies überhaupt wünschenswert?
Ich denke eher, dass wir uns in der Realität eine Art von Gerüst erst erbauen, das uns dann erlaubt einen Freiraum innerhalb der Unfreiheit in der wir leben zu erstellen – und, dass diese Freiheit uns eigentlich mehr oder weniger auch genügt.

Genügt sie uns tatsächlich? Ich denke, wir haben da eine Wahl (rein theoretisch) zu treffen: eine unbegrenzte Freiheit würde nämlich auch bedeuten, durch das was andere unter ihrer Freiheit verstehen, in unseren Grenzen gestört zu werden.
Die Vorstellung eines anderen was seine eigene Freiheit betrifft, könnte für mich eine Grenzüberschreitung bedeuten, die ich aber nicht wünsche. Denn nichts raubt uns mehr von unserer individuellen Freiheit, als die Grenzüberschreitungen die wir durch andere erleiden.
Ich glaube auch, dass dieser Freiraum den wir uns individuell erstellen, immer wieder Korrekturen benötigt, eine Art Anpassung an unser inneres Wachstum - wenn ich die Änderungen die wir im Leben durchlaufen, als Wachstum bezeichnen darf.
Doch innerhalb des Freiraums den wir uns geschafft haben, da gilt es die Freiheit für sich zu erlernen. Denn meines Erachtens ist dies an einem Lernprozess gekoppelt.

Schönes Thema – werde mich sicherlich nochmals zu Wort melden.

Liebe Grüße

Miriam
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: verloren im Meer der Möglichkeiten ?

Fühlt Ihr Euch durch das Überangebot an Freiheit auch manchmal überfordert?
nein
alles was mich einengt, würde mich auf Dauer krank und schwach machen.
jeder hat (zum Glück) einen anderen Charakter.
Gruß Muckel

p.s. Dein Text ist mir sympathisch
 
AW: verloren im Meer der Möglichkeiten ?

Mir gehts wie Muckel, denn für mich ist Freiheit das Größte, selbst wenn sie mich Tag für tag vor die Qual der Wahl stellt.
Die Frage, ob Freiheit überfordert, stellt sich sicher nur Derjenige, der immer schon in Freiheit gelebt hat. Menschen, die in der Dritten Welt, in kommunistisch-sozialistisch regierten Ländern leben, oder unter diktatorischen Herrschern, stellt sich diese Frage sicher nicht. Die gäben was darum, sich zwischen den uns alltäglichen "Problemem" entscheiden zu müssen.

Trotzdem erinnert mich diese Fragestellung an die Aussage, dass man sich am einsamsten innerhalb großer Menschenansammlungen fühlen kann, ebenso wie in Metropolen, wo das Leben doch eigentlich pulsiert.

Was du, Tanne, verspürst, hat nichts mit dem "Problem" Freiheit zu tun, sondern mit Übersättigung.
Würdest du woanders leben, würdest du dir die wünschen, dich zwischen Mayo und Ketchup entscheiden zu müssen. Sorry, dafür, dass ich gerade das Beispiel herauspicke.
Verantwortung für dein Tun musst du immer tragen, egal, ob als Überfluss-Konsumentin als Freie in einem freien Land lebst, oder als Insassin eines Gulags.

Rhona
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gefangen in der Zelle der Unfreiheit

Meine erste Reaktion auf tannes Theraderöffnung war ein tiefer Seufzer, stellvertetend für rd. 1 Mrd. Menschen, die Dir tanne, könnten sie Deinen Beitrag lesen, zurufen würden: Deine Sorgen möchten wir haben, komm, laß uns sie tauschen mit den unsrigen!
Wollte man die Thematik auf die philosophische Ebene heben - aber das wollte die Autorin ja nicht, sonst hätte sie dies unter Allg. Philosophie eingestellte - dann könnte man freilich mit der Existenzphilosophie von Sartre sagen: Der Mensch ist ein zur ständiger Entscheidung Verdammter.
Ein paar Bemerkungen, und ich stimme den anderen Diskutanten - insbesondere Rhona, die den Widerspruch auf den Punkt gebracht hat - ausdrücklich zustimme.
1. "Tun und Lassen was man" will kann auch heute niemand. Die Freiheit hört da auf, wo die Rechte anderer verletzt werden - das steht sogar schon in der Verfassung (Art.2,1 GG).
2. Vieles von dem, was tanne als Entscheidungszwänge charakterisiert hat, sind solche unbewußter Art, z.B. ein Bein vor das andere zu setzen. - Spätestens seit S. Freud wissen wir, daß rd 80% unserer Entscheidungen so gefällt werden.
3. Dazu kommen Zufallsentscheidungen, die gar nicht vom Willen gesteuert werden, z.B. nimmt man Ketchup statt Mayo, weil vielleicht die Ketchup-Flasche gerade in Griffnähe stand.
4. Das Wesen der Freiheit liegt ja gerade - auch für mich ist sie das höchste - daß man seine Entscheidung verantworten muß. Das und nun das kreiert den mündigen Menschen. - Wir sind inzwischen sehr weit fortgschritten auf dem Weg der Entmündigung, eine Vielzahl von Entscheidungen hat uns der Staat längst abgenommen; verzweifelt stemmen sich Persönlichkeiten wie Paul Kirchhof gegen diesen Trend.
Ich stimme Muckel zu, der Text kann sympathisch berühren, denn der Entscheidungszwang kann auch ein Fluch sein - aber bestimmt nicht der Zwang zwischen Bluse und T-shirt zu wählen. (Ich bitte die Damen ausdrücklich um Entschuldigung; aber ich fürchte, man muß schon eine Frau sein, um diese Wahlentscheidung als lästig zu empfinden.)
Führt man tannes Überlegungen zuende, dann müßte man die kommunistische Kommandowirtschaft als Ideal empfehlen, wo es etwa nicht die Qual der Wahl zwischen Bananen und Apfelsinen gab, weil beides nicht vorhanden. Und vor den Zwängen, persönliche Lebensentscheidungen zu treffen - wie etwa Heirat, Zusammenleben, Kinderkriegen -schützt vortrefflich das Archipel Gulag, notfalls tut's auch schon ein humanes deutsches Gefängnis.
Ich bitte Dich, allein schon Deiner Photos wegen geschätzte tanne, meine Extremformulierung mir nicht zu verargen; aber Freiheit ist ein so hohes und verletzliches Gut, daß man ihren Wert nicht relativieren sollte.
Grüßte an alle Diskutanten gerade auch jene, die ich nicht namentlich erwähnte.
Ziesemann
 
"Qual" der Wahl!

Ziesemann schrieb:
Ich bitte Dich, allein schon Deiner Photos wegen geschätzte tanne, meine Extremformulierung mir nicht zu verargen; aber Freiheit ist ein so hohes und verletzliches Gut, daß man ihren Wert nicht relativieren sollte.

Tanne soll es dir nicht verargen, nicht wahr? Also ich darf? Ich tu's auf jeden Fall.
Mit diesem Thread, so wie ich ihn verstehe, wird keinesfalls der Wert der Freiheit relativiert. Der Thread heisst ja auch "Verloren im Meer der Möglichkeiten"! Würde auch sehr gut in "Psychologie" passen. Und dass man sich darin verlieren kann, ist wahrscheinlich unbestritten. Ich finde es sehr unfein und auch anmassend, eine Frage dermassen zu relativieren und abqualifizieren.

Auch du, Ziesemann, stellst dir sehr wahrscheinlich manchmal die Frage: "Die blaue oder die graue Krawatte?", aber selbstverständlich würdest du es nie thematisieren, dafür ist es zu banal. Aber flüsterst du dir dann auch jeweils stellvertretend für die rund 1 Mrd. Menschen zu: "Deine Sorgen, Ziesemann, möchte ich haben?"
Relevant ist doch, dass wir im Moment der Entscheidung (selbst der banalsten) nur uns im Blickfeld haben und erst, ist sie gefallen, kommt vielleicht die Erkenntnis, wie schön es ist, sich entscheiden zu dürfen und zu können (oder eben auch nicht, weil mancher der Tanne-Beispiele ist durchaus sehr ernsthafter Natur!) Ich schätze es, mich entscheiden zu können und ich schätze es, mich manchmal nicht zu entscheiden, d.h. "es soll sich einfach selbst entscheiden" oder auch für mich entscheiden zu lassen. Ich schätze es, die Wahl zu haben.

...der Text kann sympathisch berühren, denn der Entscheidungszwang kann auch ein Fluch sein - aber bestimmt nicht der Zwang zwischen Bluse und T-shirt zu wählen. (Ich bitte die Damen ausdrücklich um Entschuldigung; aber ich fürchte, man muß schon eine Frau sein, um diese Wahlentscheidung als lästig zu empfinden.)

Warum "lästig"? Und warum nur Frauen? Die Qual der Wahl kann auch freudig sein und die Freude kann auch ein Mann haben. Ich kann mir sogar vorstellen, dass du mir jetzt beipflichten wirst. Mein kürzlich verstorbener Patenonkel (in etwa in deinem Alter) tröstete mich jeweils als ich mich (noch sehr kleines Kind) bei ihm beklagte, ich müsse mir jedes Paar Jeans erkämpfen und täglich aufs Neue darum kämpfen, sie auch in den Kindergarten/Schule anziehen zu dürfen mit den Worten: "Ich wäre froh gewesen, darum kämpfen zu können. Ich ging noch als 14-Jähriger mit kurzer Hose und Kniesocken zur Schule. Kämpfe du nur, ich schäme mich heute noch, mich damals nicht widersetzt zu haben. Ich hatte einfach keinen Mut dazu." Später als wir manchmal zusammen ausgingen, stand er vor dem Kleiderschrank und fragte mich: "Was soll ich anziehen? Ich habe zu grosse Auswahl und bin ratlos, was angemessen ist." Du kannst dir vielleicht vorstellen, was ich ihm jeweils die 3-4mal geantwortet habe. Jedesmal konnten wir darüber wieder lachen. (Allerdings verdächtige ich ihn, dass das nur beim 1.Mal ungewollt geschah.)
Er wusste mit Sicherheit genauso um die Banalität der Frage wie ich...oder du jetzt, aber in dem Moment waren uns (mit Verlaub) all diejenigen, die immer so gescheit sagen oder die, die berechtigt sagen würden: "Deine Sorgen möchte ich haben!" echt egal. Und ich möchte jetzt ernsthaft fragen, wem es nicht so geht? (Es dürfen natürlich auch ernsthaftere Beispiele dafür herhalten, damit "das Zugeben" leichter fällt.)

Im Grunde ist doch (meine/deine/ihre oder seine) Freiheit etwas extrem Egoistisches, nicht? Per se bringt sie der Gesellschaft kaum was, sie bringt nicht mal einer kleiner Gruppe, wie es die Familie ist, etwas. Erst die "koordinierte" Freiheit ist dazu imstande und somit schon wieder ein bisschen unfrei.
 
AW: "Qual" der Wahl!

Tanne soll es dir nicht verargen, nicht wahr? Also ich darf? Ich tu's auf jeden Fall.
Mit diesem Thread, so wie ich ihn verstehe, wird keinesfalls der Wert der Freiheit relativiert. Der Thread heisst ja auch "Verloren im Meer der Möglichkeiten"! Würde auch sehr gut in "Psychologie" passen. Und dass man sich darin verlieren kann, ist wahrscheinlich unbestritten. Ich finde es sehr unfein und auch anmassend, eine Frage dermassen zu relativieren und abqualifizieren.

Céline, mit deinem Beitrag kritisierst du Ziesemann, aber trotzdem fühle ich mich angesprochen, weil ich ebenso relativiert habe. Abqualifiziert jedoch nicht.

Die von Tanne genannten "Probleme", sind, bis auf die beiden, die sich mit dem Thema Schwangerschaft oder nicht, und der Frage, ob man ein behindertes Kind zur Welt bringen sollte, befassen, absolut banal.
Überlegen zu dürfen, was man anzieht, was man isst, wohin der Urlaub geht, welchen Wagen man kauft und, und, und.......sollte sicher nicht als "Qual" empfunden werden, höchstens vielleicht als Wohlstandsstress.

Starre und unsinnige Reglementierungen, wie sie früher die Regel waren, als man etwas tat, weil es immer schon so gemacht wurde, werden heute kaum noch angewandt. Natürlich gibt es auch heute noch Familien, in denen ein strenges Patriarchat herrscht, oder die sich von ihrer Religion oder anderer Gesinnung selbst unter Druck setzen, aber die Norm sind sie in Mitteleuropa nicht.

Die Entscheidung für oder gegen ein Kind, wurde unseren Groß- und Urgroßeltern abgenommen. Verhütungsmittel gabs damals nicht oder wenn, dann nur höchst unzuverlässige.
Erst seit der Pille oder anderen Verhütungsmitteln haben wir das Problem, uns für oder gegen ein Kind entscheiden zu müssen/dürfen. Heute kann man gegeneinander abwägen, was ein Kind einem "gibt" bzw. auf was man seinetwegen zu verzichten bereit ist.
Selbst die Frage, ob man ein nachweisbar behindertes Kind zur Welt bringen soll, stellte sich damals nicht, weil es keine med. Möglichkeiten der Vorsorgeuntersuchungen gab, ganz zu schweigen von Fruchtwasseruntersuchungen, die evtl. genetische Defekte des Ungeborenen nachweisen konnten.
Erst die Wissenschaft und der med. Fortschritt haben diese Qual der Wahl (und besonders bei meinem letzten Beispiel ist es eine) ermöglicht.

Trotzdem bleibe ich dabei, dass Millionen Menschen uns nur allzu gerne die alltäglichen "Qualen", die uns die Freiheit bereitet, abnehmen würden.

"Verloren im Meer der Möglichkeiten" kann ich mich nur dann fühlen, wenn ich Entscheidungen treffen muss, die u.U. mein weiteres Leben nachhaltig beeinflussen.

Rhona
 
AW: "Qual" der Wahl!

Trotzdem bleibe ich dabei, dass Millionen Menschen uns nur allzu gerne die alltäglichen "Qualen", die uns die Freiheit bereitet, abnehmen würden.

"Verloren im Meer der Möglichkeiten" kann ich mich nur dann fühlen, wenn ich Entscheidungen treffen muss, die u.U. mein weiteres Leben nachhaltig beeinflussen.

Rhona, ich kritisiere nur den Zugang zum gestellten Thema. Dass uns Millionen Menschen die Qual der Wahl liebend gerne abnähmen, daran besteht kein Zweifel, schon deshalb steht bei mir "Qual", aber im Moment meiner "Qual" der Wahl sind für mich diese Menschen irrelevant (dabei rede ich aber jetzt nicht über "Bluse oder T-Shirt?", das ist wohl klar?) und meine Entscheidungen beeinflussen das Leben dieser Millionen nicht. Tut mir Leid, dass ich dann nicht mitfühlen kann. Hinterher ist es durchaus auch anders.

Für dich muss es ja nicht zutreffen, aber dass man sich in den Möglichkeiten auch verlieren, verzetteln...und das bis zur Verzweiflung... kann, lässt sich doch auch nicht bestreiten, oder? Gerade, weil wir so viele Möglichkeiten haben, verfehlen wir vielleicht leichter das Ziel.

Und ausserdem ist für mich dieser Satz

Das bedeutet, ich bin in einem permanenten Entscheidungszwang und damit in einem ständigen Unruhezustand, weil ich selber für mein Tun verantwortlich bin und die Risiken ganz alleine trage.

alles andere als banal. Er beinhaltet auch (oder besser: ich interpretiere hinein) eine Portion Angst. Hast du nie Angst im Hinterkopf, wenn du laut und selbstsicher eine Entscheidung verkündest? Vielleicht sogar eine Spur zu laut, um die Angst "nicht zu hören"?
Ausserdem: woher willst du wissen, ob nicht gerade eine deiner ganz banalen Entscheidungen dein Leben beeinflussen könnte?
 
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AW: verloren im Meer der Möglichkeiten ?

[
QUOTE=tanne;124822]Freiheit, wie viel vertrage ich davon?

Ich frage mich manchmal, ist Freiheit wirklich das wichtigste was zählt?

Hallo Tanne,

Mir gefällt das Thema VERLOREN IM MEER DER MÖGLICHKEITEN. Ich hätte gern ein MEER VON MÖGLICHKEITEN, doch ich würde mich darüber freuen und nicht verloren fühlen.

Die FREIHEIT an sich würde ich als etwas sehr Kostbares betrachten. Alle Freiheit dieser Welt zu haben ist bestimmt nicht wichtig, wobei ich glaube, dass der Mensch nie ganz frei ist. Aber einen gewissen Freiraum braucht der Mensch um sich darin bewegen zu können. Bin ich in meiner FREIHEIT eingeengt, fühle ich mich gefesselt und ohnmächtig. Ein schreckliches Gefühl!

Wie viele Entscheidungen treffe ich täglich?
Beim Kauf einer Jeans, beim Essen - Honig oder Marmelade zum Toast, Ketchup oder Majo zu meinen Pommes, Spaghettis oder Kartoffeln, Wurst oder Käse?
Beim Gehen - ein Bein vor das andere setzen, in der U-Bahn den Blick umherschweifen lassen?
Bluse oder T-Shirt, Kanaren oder Sylt, ein Geländewagen oder doch lieber ein Coupe, ein Kind bekommen oder nicht (Vergangenheit für mich :-))
allein leben oder lieber zu zweit, die ganze Wahrheit sagen oder nur die halbe ...usw. usf.... Hunderte von Entscheidungen, bewusst oder unbewusst.
Je mehr Wahlmöglichkeiten ich habe, desto schwerer fällt es mir, mich zu entscheiden, und desto kritischer betrachte ich im Nachhinein meine Entscheidung, denn jede Festlegung auf eine Möglichkeit schließt andere Alternativen aus, die sich hinterher als vorteilhafter erweisen könnten. Das bedeutet permanente Angst, mich falsch zu entscheiden.

Die Angst mich nicht richtig zu entscheiden, habe ich auch. Allerdings nicht in allem, was Du hier anführst. So fallen mir die Entscheidungen beim Essen nicht so schwer. Schwieriger wäre es schon, wenn ich eine Fastendiät einhalten müsste.

Beim Einkauf von Bekleidungen jeder Art, ist es mir wichtig, Zeit zu haben und eine nette Verkäuferin, die mich versteht. Eingeengt würde ich mich fühlen, wenn sie mich drängt, mich endlich zu entscheiden.

Ansonsten befällt mich bei größeren Käufen, wie Möbel, Vorhänge, etc. also bei langlebigen Dingen, die Angst, die richtige Wahl zu treffen oder getroffen zu haben. Schließlich will ich mein Geld nicht für Dinge ausgeben, die mich gar nicht so richtig überzeugen und welche ich dann in der Folge noch Jahre um mich haben muss.

Die Freiheit, Tun und Lassen zu können was man will, gilt heute als Selbstverständlichkeit.

Ich glaube nicht, dass es für alle Menschen so ist. Gewisse moralische Vorstellungen sind der so viel gepriesenen Freiheit hinderlich. Auch darf ich durch meinen Freiheitsanspruch die Freiheit des anderen nicht verletzen.

Unsere Vorfahren konnten davon nur träumen.
Gehorchen hieß es, Frauen den Männer, Kindern den Eltern, heirate keinen Katholiken, wenn du protestantisch bist, gehe täglich in die Kirche, mindestens einmal in der Woche zur Beichte. Abendessen gab es, wenn die Sonne unterging, der Pflug hatte keine Scheinwerfer!
Wohnortwechsel war undenkbar, Mobilität sicher ein Fremdwort.
Mit der Reformation begann wohl die Befreiung des Menschen aus seiner Abhängigkeit und mit der 68er Bewegung erreichte sie den Höhepunkt.
Heute können wir selbst bestimmen, was für uns wichtig ist und was nicht. Wir müssen uns nichts mehr von der Tradition und/oder Kirche vorschreiben lassen, wir müssen uns nicht mehr den Toten beugen
.

Genauso war es.

Das bedeutet, ich bin in einem permanenten Entscheidungszwang und damit in einem ständigen Unruhezustand, weil ich selber für mein Tun verantwortlich bin und die Risiken ganz alleine trage.

Jeder Mensch ist für sein Handeln eigenverantwortlich. Dass dies eine gewisse Unruhe hervorrufen kann, ist verständlich aber ganz normal.

Der Arzt diagnostiziert Down-Syndrom bei einem Ungeborenen.
Abtreibung oder nicht... können/wollen wir mit einem behinderten Kind leben? Eine Entscheidung muss her und das schnell.
Überfordert uns diese Freiheit? Wie viel ertragen wir davon?

Also für diese spezielle Entscheidung sollte man sich viel Zeit nehmen. Sie wird trotzdem sehr unangenehm sein, weil man die Folgen fürchten muss.

Für mich hat die Freiheit zwei Gesichter, Segen und Fluch...
Freiheit zu... ist das nicht auch bedrohlich?

Für den reifen Menschen sollte die Freiheit Segen bedeuten. Jeder muss selber daraufkommen, wie und wann er diese beanspruchen darf. Möglicherweise ist dazu auch ein gewisser Lernprozess Voraussetzung.

Verantwortung für mein Tun zu übernehmen, die Schuld für eine falsche Entscheidung lässt sich nicht mehr abschieben.

Jeder ist angehalten für sein Leben, für seine Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen. Es gilt ja auch Gesetze zu beachten.

Ich bin allzeit mobil, eben frei, dafür aber wurzellos, ich bin permanent ‘gut drauf’, muss dafür u.a. meine täglichen Nahrungsergänzungspillen schlucken...
ist das wirklich erstrebenswert?

Ist man frei, wenn man mobil ist? Was heißt "gut drauf sein"? Sich wohl fühlen hat bestimmt etwas mit Freiheit zu tun. Wieso musst Du deswegen Nahrungsergänzungspillen schlucken? Reicht nicht das normale Essen um sich wohl zu fühlen? Mir reicht es, doch ich koche uns auch einmal am Tag eine ganz normale Hausmannskost. Hin und wieder gehe ich natürlich auch gern in ein gutes Restaurant.

Fühlt Ihr Euch durch das Überangebot an Freiheit auch manchmal überfordert?

Wenn ich zur gleichen Zeit auf vielen Kirtagen tanzen will, dann schon.

Mit lieben Grüßen

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