Ich würde nicht pauschal sagen, dass die 'Glotze' uns verblödet, aber sie sorgt dafür, dass wir uns weniger mit existierenden Problemstellungen auseinandersetzen. Und dabei geht es nicht nur um den Arbeitslosen, der sich um die Mittagszeit sein Bierchen öffnet und
britt schaut, sondern auch um die Berufstätigen, die eben abends lieber den Fernseher einschalten, als sich noch wirklich aktiv geistig zu betätigen. Denn fernsehen bedeutet nunmal überwiegend
passiv sein, sich
berieseln lassen.
Was aber nunmal auch mit der
Position der Arbeit als solcher in unserer Gesellschaft zu tun hat. Wir arbeiten nicht, um zu leben, sondern wir leben, um zu arbeiten. Und da bleibt am Ende des Tages nicht mehr viel Gehirnschmalz, um noch ein Buch zu lesen. Wer jeden Tag zehn Stunden im Büro sitzt, sich die Ohren heiß telefoniert und auf den Monitor seines PCs starrt, wird abends vermutlich, wenn er sich um seinen Wohnraum und die Säuberung desselben gekümmert hat, kein Bedürfnis mehr haben, sich mit hochgeistigen Themen auseinanderzusetzen, die ihn fördern und fordern könnten.
Fernsehen bildet auch Realität. Menschen, die wirklich exzessiv fernsehen, schätzen beispielsweise bestimmte Vorkommnisse
prozentual wesentlich höher ein als sie tatsächlich sind. Dass Jugendliche Waffen zur Schule mitbringen, dass Männer ihre Frauen betrügen, dass Frauen nicht wissen, wer der Vater ihres Kindes ist und was sich sonst noch in den bekannten Talkrunden und Problemgesprächen à la
Kallwass ergibt. Fernsehen manipuliert. Das ist mir erst neulich wieder an einem ganz banalen Beispiel hinsichtlich eines Werbespots aufgefallen, als ich im Wohnzimmer saß und der Fernseher lief.
Werbung für irgendein Clerasil Anti-Pickel Elixier. Das Mädchen traute sich wegen eines Pickels nicht mehr, den Jungen ihrer Wahl anzusprechen, verbarg sich hinter irgendeiner Illustrierten, schämte sich zu Tode und konnte sich natürlich erst nach draußen wagen, nachdem sie den Pickel mithilfe von Clerasil Stay Clear oder was auch immer es war, auf ewig beseitigt hatte. Welchen Eindruck macht das wohl auf Teenager, die Hautprobleme haben ? Rhetorische Frage. Und sicherlich ein sehr triviales Beispiel, das aber meines Erachtens durchaus aufzeigt, wie subtil manipulativ Werbung und natürlich auch bestimmte TV Formate sein können.
Mal ganz davon abgesehen, dass eingetreten ist, was und Andy Warhol mit seinen '
15 minutes of fame ' prophezeit hat. Bald war jeder schonmal mit irgendeinem Talent in irgendeiner Show, um es irgendjemandem vorzuführen und von einer anonymen Masse die Anerkennung zu bekommen, die ihm sonst vielleicht verwehrt wird. Wer kann denn diese ganzen Castingshows und Rankings überhaupt noch zählen, geschweige denn überblicken ?
Popstars, Deutschland sucht den Superstar,
Das Supertalent, Ich kann Kanzler,
Die Super Lehrer, Germanys Next Top Model. Mal von der Qualität dieser Elaborate abgesehen - sie verwässern in hohem Maße das, was sich tatsächlich Kunst nennt, weil jeder mit jedem Mist irgendeine Sendung im Fernsehen findet, in der er auftauchen und sein Leid klagen kann.
Das vielleicht weniger in den Castingshows als in den zahlreichen, angeblich so dem Leben entrissenen, Dokuserien, die insgesamt bar jedweder Authentizität sind. Die dargestellten
Einzelschicksale sorgen dafür, dass man sich auf der Couch mit der Person identifizieren - oder sie freilich auch lautstark ablehnen - kann. Die Musik sorgt für die entsprechende Emotion, die Zeitlupe fast für ein Filmerlebnis. Micht Echtheit hat das allerdings nichts mehr zu tun. Es ist
Massenware. Und darum geht es ja. In möglichst kurzer Zeit mit möglichst viel Schund möglichst viel Geld machen, das sich unter möglichst wenigen Menschen aufteilt.
Und daraus resultiert zwar nicht notwendigerweise Dummheit, aber :
" Die Krankheit des 20. Jahrhunderts ist die Unfähigkeit, irgendetwas als real zu empfinden. Die Leute hocken wie gebannt vorm TV, konsumieren soap operas, Filme, Theater, Pop-Idole, lassen sich von Symbolen zu den heftigsten Gefühlsregungen hinreißen. Doch in der Realität ihres eigenen Lebens sind sie emotional tot. "
James Douglas Morrison