AW: Ukraine: vom Westen einverleibt ?
Im März schrieb der Journalist J.P. Sottile über die besonderen Interessen großer transnationaler Unternehmen in der Ukraine. Unter anderem wollte Cargill den achtgrößten Agrarbetrieb und die zweitgrößte Hühnerfarm der Welt, die Gruppe UkrLandFarming, übernehmen. Auch Monsanto, dessen Führungspersonal immer wieder für eine gewisse Zeit als Personal ins US-Agrarministerium abgeordnet wird, wollte sich in der Ukraine „engagieren“ und die gemeinnützige U.S.-Ukraine Foundation (gegründet u.a. von ExxonMobil, Coca-Cola und Raytheon) wollte “das Investitionsklima in der Ukraine verbessern“ (The Washington Post am 21. 4.) Doch dann traten Schwierigkeiten mit der regulären Regierung auf. Das war ein Problem.
Die Schwierigkeiten wurden dank der „Demokraten auf dem Maidan-Platz“ behoben. Das zeigt sich unter anderem daran, dass jetzt Hunter Biden, der Sohn des US-Vizepräsident Joe Biden, als Syndikus der Burisma Holdings, des größten Erdgasproduzenten der Ukraine mit Feldern im Donets-Becken, den Karpaten und im Azow-Kuban Becken, engagiert werden konnte. Chef des Unternehmens war seit 2013 bereits der US-Investmentbanker Alan Apter. Im gleichen Jahr gelangte auch der frühere polnische Präsident Alex. Kwasniewski, (der Polen in die EU und NATO geführt hatte,) in den Burisma-Vorstand. Hunter Biden leitete lange Zeit eine Abteilung der National Endowment for Democary (NED), die offen mit Geld das besorgte, was die CIA vor 25 Jahren im Geheimen mit Gift und Waffen betrieb, nämlich Regime Change. (Näheres auf der Burisma Holdings website).
Allerdings hat der „grüne“ Ex-Außenminister Joschka Fischer für die Vorgänge in der Ukraine eine einfachere Erklärung: “Putin will die Weltmacht.” So am 2.5.14 brav oder reflexhaft gesagt in der Schweizer Zeitung “Blick” , wie er es zur Qualifizierung für das frühere Amt gelernt hatte und wovon die bis 1990 sozialisierten kalten Krieger bis heute überzeugt sind. Vielleicht sagte er es auch nur unbedacht wie sein Kollege John Kerry. Dieser hatte in Israel anlässlich seiner Pendeldiplomatie im Nahen Osten am 30.4. an die Adresse Russlands gewandt gesagt: „Man verhält sich im 21. Jahrhundert einfach nicht mehr wie im 19. Jahrhundert, indem man in ein anderes Land aufgrund eines völlig erfundenen Vorwands einfällt“ (invading). Das ist auf der Krim nicht geschehen, wohl aber im Irak, Afghanistan, Libyen etc. Derartige „Freudsche Fehler“ können in den USA leicht passieren, wo man gewohnt ist, problematisches eigenes Tun anderen zu unterstellen.
Der frühere Antikommunist und Mitarbeiter des US-Außenministerium, William Blum, wurde nach dem Vietnamkrieg zum Historiker und Kritiker der US-Außenpolitik. Er bietet eine “aktualisierte Zusammenfassung der Berichte zur US-Außenpolitik” an. Daraus kann man ersehen, dass die USA seit 1945 am Sturz von über 50 Regierungen aktiv, meist initiativ beteiligt waren. Viele davon waren „demokratisch gewählt“ gewesen (wie in der Ukraine). Blum führt auch über 30 Länder auf, bei denen die USA massiv in die Wahlen eingegriffen haben. In 30 Ländern haben die USA die Zivilbevölkerung bombardiert, sie haben vielfach chemische und biologische Waffen eingesetzt und mehrfach die Ermordung ausländischer „Führer“ versucht und durchgeführt.
Kerry hatte bei der Gelegenheit in Israel auch gleich eine Philippika gegen Nicholas Maduro von Venezuela losgelassen und ihm vorgeworfen eine “Terrorkampagne gegen sein eigenes Volk“ zu führen. „Krieg gegen das eigene Volk zuführen“, war ein beliebter Vorwurf der US-Regierung bei der Provozierung und Inszenierung von Regime Change z. B auch in der Ukraine (nach den Schüssen der als Regierungstruppen ausgegebenen Scharfschützen). Im Irak oder in Libyen und jetzt in Syrien geschah es mit Hilfe von Rebellen, die aus dem Ausland eingeschleust und bewaffnet werden. Wenn sich die ausgewechselte Regierung in der Ukraine nun gegen die Bevölkerung, die sie ablehnt, gewaltsam durchsetzen will und sogar Gespräche verweigert, ist das etwas anderes. Darin sind sich Obama und sein trauriges Schoßhündchen Merkel einig. Wenn die Putschregierung Soldaten, ausländische Söldner (BamS vom 11.5.) und einen rechtsradikalen Mob mit gepanzerten Fahrzeugen, Kampfhubschraubern und -flugzeugen gegen „prorussische Separatisten“ hetzt, dann hat „die ukrainische Regierung das Recht und die Verantwortung auf ihrem Territorium für Recht und Ordnung zu sorgen.“ Und um dieses „Recht“ zu bekräftigen führte Obama auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel am 2.5.2014 vor dem Weißen Haus aus: “Was sie (die neue Regierung) verständlicherweise nicht hinnehmen kann, ist die Vorstellung, nur ein Anhängsel, eine Erweiterung Russland zu sein, und dass der Kreml ein Vetorecht bei Entscheidungen der ordnungsgemäß gewählten („duly elected“) Regierung in Kiew ausübt“ (laut Wall Street Journal, vom 2.5.). „Duly elected government“ war wohl eine dreiste Lüge, aber Lügen ist man von dieser Seite inzwischen gewohnt.
Die beiden fuhren sogleich fort: “und Russland muss seinen Einfluss auf diese paramilitärischen Gruppen ausnützen und sie entwaffnen und daran hindern, Gewalt zu provozieren. … Wenn die russische Führung ihre Einstellung nicht ändert, wird sie wachsenden Kosten wie auch einer diplomatischen und wirtschaftlichen Isolation entgegensehen.” Abgesehen davon, dass es sich bei den Aufständischen um Ukrainer handelt, die eine ihnen von den USA vorgesetzte Interimsregierung nicht akzeptieren wollen, soll nun die russische Regierung „die Vorstellung hinnehmen (offensichtlich wie die übrigen Regierungen im Westen), dass sie nur ein Anhängsel, eine Erweiterung der USA sind, und dass Washington ein Veto- oder Anordnungsrecht bei Entscheidungen der ordnungsgemäß gewählten Regierung in Moskau ausübt.“ Doch da liegt nicht einmal das Problem, es liegt für die USA bei den Stichwörtern „Kosten“ und „diplomatische und wirtschaftliche Isolation“.
Wieder handelt es sich um Projektionen der Amerikaner. Die USA haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts zahlreiche militärische Interventionen durchgeführt. Dabei haben sie viel Geld verbrannt, ganze Länder zerstört, Millionen Menschen, die man angeblich „schützen“ wollte, umgebracht, aber keines der Länder befriedet, sondern überall Chaos hinterlassen und in unvorstellbarem Umfang Schulden an die Welt aufgehäuft. Nicht nur die Bevölkerung weltweit änderte angesichts dessen ihre Einstellung gegenüber den USA, selbst die Yellow Ribbon Fans in den USA verlieren die Lust an militärischen Interventionen im Ausland, die nichts als das Erwähnte bringen. Kaum noch 20% unterstützen angeblich das Vorgehen ihrer Regierung in der Ukraine.
Warum betreibt Washington trotz anstehender Midterm-Wahlen und zaghafter Vorstöße europäischer Diplomaten zur Deeskalation offensichtlich die Eskalation der Krise. Der Wunsch, Russland für seine diplomatischen Initiativen in Bezug auf den Iran und Syrien bestrafen zu wollen, liefert eine zu oberflächliche Antwort. Die von Deutschland mit initiierte Krise in der Ukraine bietet den USA eine ideale Gelegenheit, an der Grenze Russlands einen permanenten Krisenherd zu unterhalten, durch den Washington Russland schwächen und seiner Regierung Kompromisse in anderen Teilen der Welt abnötigen kann. Gleichzeitig kann Washington damit den politischen und vor allem wirtschaftlichen Einfluss des „alten Europas“ in Osteuropa, der Europa Spielraum gegenüber den USA einräumen könnte, untergraben. George Friedman vom geopolitischen US-Thinktank STRATFOR hatte schon früher vorgeschlagen, „parallel zur weitgehend unnütz gewordenen NATO“ innerhalb der EU einen von den USA angeführten Korridor osteuropäischer Staaten vom Baltikum über Polen, die Ukraine und die südosteuropäischen Staaten bis nach Zentralasien zu schaffen, um allzu enge Verbindungen zwischen Europa, speziell Deutschland, und Russland zu blockieren. Denn diese Staaten hätten anders als das alte Europa „ein primäres Interesse, sich russischen Machtansprüchen zu widersetzen“.
Sprecher dieser Bestrebungen ist der polnischen Präsident Bronislaw Komorowski, der am 10. 5. (laut meta.tagesschau.de) von Deutschland „mehr Entschlossenheit im Konflikt (in der Ukraine)“ forderte; er habe „wenig Verständnis für die Art, wie manche in Deutschland heute auf Russland schauen. … Es entsteht der Verdacht, dass manche Politiker in Deutschland einen Weg in der Außenpolitik suchen, der für uns Polen schwer zu akzeptieren ist.“
Aber worum geht es den USA in der Ukraine? „Nicht um Krieg“, schrieb Friedman am 11.2.2014 in seinem Aufsatz „New Dimensions of U.S. Foreign Policy Toward Russia“. Zwar habe „die Ukraine für eine moderne Macht, die keine bösen Absichten gegen Russland hegt, nur einen geringen strategischen Wert“. Für eine feindliche Macht bietet die Ukraine jedoch das gefährliche Einfallstor nach Russland. Trotzdem sind die USA wie Deutschland (noch)nicht an einem Krieg mit Russland interessiert. Sie treiben nur einen Stachel in Russlands Hintern. Denn die USA befürchten, Führungsansprüche in Europa an Deutschland zu verlieren. „Die USA will (aufgrund der Spannungen) wieder stärker als Alternative zu Deutschland und zu Russland hervortreten (re-emerge). Es ist ein brillanter Streich, jemanden in die Defensive zu treiben, und der verlangt nicht einmal, dass der erste Schlag gleich erfolgreich sein muss. Schon die bloße Bereitschaft zum Engagement der USA verändert die Erwartungen in Zentraleuropa, wird Spannungen zwischen den Europäern und den Deutschen erzeugen und für neue Öffnungen gegenüber den USA sorgen. Im besten Fall sorgt es für ein Regime, – vielleicht nicht als Gegenmacht zu Russland – das Pipelines und Häfen gefährdet (make vulnerable) – speziell mit US-Hilfe.“ So etwas kommt wörtlich vom großen Verbündeten!
Friedman stellt auch einiges zu Nulands “Fuck EU” Telefonat richtig. Bei dem Gespräch handelte es sich nicht um eine aufgedeckte Indiskretion, sondern es wurde absichtlich über eine ungesicherte Telefonleitung geführt. “Es zeigte der Welt, dass die USA und nicht Deutschland die Ereignisse in der Ukraine in der Hand haben. … Nulands obszöne Abfuhr an die Europäer und die Herausstellung Russlands als Problem, mit dem umgegangen werden müsse, bekräftigt die US-Politik: Die USA starten zwar keinen Krieg, aber ihre Passivität ist vorbei.“
Ist das ein Verhalten für eine demokratische Regierung, die als Hegemon der demokratischen Welt ernst genommen werden will? Mit der Illusion, dass es sich bei der US-Regierung (oder vergleichbaren Regierungen), um so etwas wie ein Werkzeug der Wähler, das Produkt eines “sozialen Vertrags” oder Ausdruck eines “Allgemeinen Willens” handeln könnte, räumte jüngst die 42-seitige Studie der Professoren Marting Gilens (Princeton) und Benjamin J. Page (Nordwest Universtät) Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens” (im Internet als PDF verfügbar) auf. Demokratische Regierungen werden von der Elite genutzt, um von den Bürgern Reichtum, Status und Macht abzuziehen und der eigenen Gefolgschaft zuzuführen. Die Studie analysierte umfangreiche Daten und verglich ca. 1.800 amerikanische politische Maßnahmen zwischen 1981 und 2002 und deren Auswirkungen (..) sowohl auf durchschnittliche und wohlhabende Amerikaner als auch auf spezielle Interessensgruppen. Sie kam zu dem Schluss, „dass die US-Regierung nicht den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung entspricht, sondern denen der Reichen und Mächtigen.”
“Die Ergebnisse verifizieren empirisch, dass die US-Politik durch die wirtschaftliche Elite bestimmt wird.” Wie eine Oligarchie bestimmt sie, wo es langgeht. Elite sind die Privatleute, die seit 1913 über die Federal Reserve Bank Geld aus dem Nichts schöpfen können. Es läuft nichts „falsch“ in Washington oder Berlin. Niemand macht Fehler. Es läuft genauso, wie Regierungen unter der Fuchtel der Elite eben funktionieren. Demokratie ist die Formsache, die die Machtfrage verdecken soll. Typisch amerikanisch daran ist, dass Politik immer auch als einträgliches Geschäft betrieben wird. Ohne Verdienstmöglichkeit für „die da oben“ keine politische Aktion.
Quelle: Der Spatz im Gebälk