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Tod?

AW: Tod?

von Andreas: Habt Ihr Euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie nah Ihr ihm jeden Tag seid? Dies soll jetzt kein depressiver Thread für Lebensmüde sein, sondern ein zum nachdenken anregender. Der Tod wird gerne ignoriert. Er ist oft etwas, das anderen passiert. Was aber, wenn man plötzlich damit konfrontiert wird?

Das ist ungefähr der Text, mit dem bei mir die Zeugen Jehovas hin und wieder dauergrinsend am Zaun stehen. *lächel*

Wenn ich heute morgen gestorben wäre, wäre ich nicht mehr da. Also warum kann ich heute nicht so leben, alsob ich heute morgen gestorben wäre. Frei von Verpflichtungen, frei von Verantwortung, frei von hindernder Angst und frei von fesselnden Wünschen oder angeblicher Schuld. Ich könnte meine Welt einfach erkunden und das was ich ausdrücken will, ausdrücken. Wo wäre der Widerspruch zwischen dem was ist und dem was sein sollte.

Mein Tod gibt mir interessante Anstubser um meine Sorgen und mein Zögern und Zweifeln manchmal anders zu beleuchten. Ich behaupte nicht, wie es heute modern geworden ist, ich würde jeden Tag leben, alsob es der letzte sei...das halte ich für typische Eigenverdummung, a la Carnegie oder „positives Denken“ und Co.

Worauf ich keine Lust habe, ist, den Tod mit einem Gedankengerüst zuzudecken. Wiedergeburt, Auferstehung oder irgendeinen Energiekörper kann es meinetwegen geben, aber ich sehe keinen Sinn darin, meinem Kopf das Ende auf diese Weise abzunehmen. Was auch immer daran wahr ist, das Gerüst da ringsherum soll m.E. dem Kopf noch einen kleinen Aufschub geben.

In der als mystisch bezeichneten Literatur wir der Tod mit dem „Tod“ des Arbeitsspeichers gleichgesetzt. Das ist eigentlich das einzige, was ich tatsächlich nachvollziehen kann. Man muss die Schlussfolgerung m.E. nicht unbedingt in ein wissenschaftliches oder religiöses Schema packen.

Dann wäre jeder neu beginnende Tag eine Art „Leben“. Was morgens mit einem unschuldigen Gesicht auf(er)steht und abends erschöpft und überfordert, benutzt und verletzt zu Bett geht. Es ist durchaus interessant, seinen eigenen Tagesablauf mal mit dem Verlauf seines Lebens zu vergleichen. Kommst du morgens schwer aus dem Bett, weil es alles sinnlos ist? Oder holt dich abends die Einsamkeit ein? Oder ist es besonders Mittags schlimm, weil du so erschöpft bist? Oder hast du das Gefühl es ist schon um 16.00 Uhr und du bist noch nicht weit genug gekommen?
Das gibt m.E. interessante Hinweise.

Mir stellt sich hier die Frage, warum morgen früh nicht mein „neues Leben“ beginnen kann. Und dann merke ich, das ich ziemlich blöd bin. Und immerzu nur rede rede rede.

Bernd
 
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AW: Tod?

(...) Mir stellt sich hier die Frage, warum morgen früh nicht mein „neues Leben“ beginnen kann. Und dann merke ich, das ich ziemlich blöd bin. Und immerzu nur rede rede rede.

Bernd

Sooo blöd bist du anscheinend doch nicht, lieber Bernd! Immerhin bist du schon draufgekommen, dass du redest und redest und......
Das ist ja schon mal ein guter Anfang für ein neues Leben. :)

Aber das ist schließlich auch ein Teil deines Lebens. Das Reden. :reden:
Wenn du mal gestorben bist, wird dir wahrscheinlich keiner mehr zuhören, was immer du auch quasselst. :zunge3:
 
AW: Tod?

Sooo blöd bist du anscheinend doch nicht, lieber Bernd! Immerhin bist du schon draufgekommen, dass du redest und redest und......
Das ist ja schon mal ein guter Anfang für ein neues Leben. :)

Aber das ist schließlich auch ein Teil deines Lebens. Das Reden. :reden:
Wenn du mal gestorben bist, wird dir wahrscheinlich keiner mehr zuhören, was immer du auch quasselst. :zunge3:

Naja, wir hören doch vielen schon längst Verstorbenen immer und immer wieder zu, soweit sie ihr Gerede schön in Buchform verpackt haben.....
 
AW: Tod?

leben und tod - wie kann das eine ohne das andere sein?
wie könntest du das leben als das leben erkennen, wenn du noch nie den tod gesehen hättest?
und wie kannst du dem tod begegnen, wenn du noch nie gelebt hast?

wo warst du vor deiner geburt?
warst du etwa tot?
- oder nur wo anders?

wieviele menchen leben wie tote und merken es nicht (offenbar macht es ihnen auch nichts aus!)?
und wieviele menschen schauen täglich dem tod ins auge und fühlen sich dabei quitetschlebendig?

fragen über fragen.
im nächsten augenblick sind sie schon vergangenheit.....und damit unbelebt - tot.

was ist denn der tod überhaupt?
vielleicht nur das "weg-sein" von leben?
 
AW: Tod?

Hi Forum,
ich möchte Euch mal mit einem Tabu behafteten Thema konfrontieren.

Wie steht Ihr zu Eurem eigenen Tod?

Habt Ihr Euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie nah Ihr ihm jeden Tag seid? Dies soll jetzt kein depressiver Thread für Lebensmüde sein, sondern ein zum nachdenken anregender. Der Tod wird gerne ignoriert. Er ist oft etwas, das anderen passiert. Was aber, wenn man plötzlich damit konfrontiert wird?

Guten Tag Andreas!

Du fragst nach eigenen Gedanken, ich will sie Dir gern mitteilen.
Die folgende Ansprache hielt ich anläßlich einer Gedenkstunde, im November 2004, als Redner.

„Zum Gedenken der eigenen Zeitlichkeit“​

Immer wieder fragt der denkende Mensch, der das Thema Tod nicht verdrängt und in dem Bewußtsein lebt, dass das ewige Leben nicht im Stoff und den irdischen Eitelkeiten zu suchen ist, wann werde ich von dieser Bühne abtreten, um zu neuen Ufern aufzubrechen, wie es von Hermann Hesse am Ende seines Gedichtes „Stufen“ ausgedrückt wird; ich zitiere:

„Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden....
Wohl an denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“


Bisher hat noch kein Mensch darauf Antwort geben können, wann dieser Termin sein wird, und wenn eine Kartenlegerin die Todeszeit voraussagt und diese dann tatsächlich pünktlich eintritt, handelt es sich meines Erachtens eindeutig um Selbstsuggestion.
Die wahre Antwort gibt das Buch der Bücher, wo es heißt: „Wir kennen weder Zeit noch Stunde.“

Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt. Normalerweise können wir den Zeitpunkt beider nicht bestimmen, aber worauf wir Einfluss haben, ist das Leben zwischen diesen beiden Ereignissen.
Dafür wurde uns von Gott der freie Wille gegeben. Im Gegensatz zum Tier, das nur reflexmäßig auf die Gesetze des Lebens reagieren kann, ist der Mensch in der Lage, sein Tun zu überdenken und abzuwägen, um selbst zu entscheiden, wie er wann und worauf reagieren will.

Dies gilt sowohl in der Familie wie im Freundeskreis, im Beruf, im Volk und in der Welt.

Wir finden viele ausgefallene Gründe als Entschuldigung, um uns zu rechtfertigen, wenn wir unsere Zeit und Energie auf Dinge verwenden, die eigentlich gar nicht so wichtig sind, die wir aber für äußerst wichtig halten.
Das Leben ist aber zu wichtig, um es nicht ernst zu nehmen!
Deshalb sollten wir jeden Tag so leben, als wäre es der letzte auf dieser schönen Erde und sich an Gottes Schöpfung erfreuen, denn wo wir auch wachen Blickes hinsehen, die Welt ist voller Schönheit, wir brauchen nur die Stärke und die Weisheit, um das Wesentliche vom Nutzlosen zu unterscheiden.

Der bekannte amerikanische Indianerhäuptling Seattle hat Mitte des 19. Jahrhunderts seine poetischen Naturbetrachtungen geschrieben, er war sich der Isolation des weißen Mannes von der Natur und ihrem wahren Wesen bewußt, und er drückte es folgendermaßen aus:
„Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys – und des Menschen - sie alle gehören zur gleichen Familie.“

Hier kommt unsere besondere Verantwortung für die Erde und die Natur zum Ausdruck! Stattdessen gilt weiterhin das alttestamentliche Bibelwort: „Nach uns die Sintflut“, und die Menschen tun alles Erdenkliche, um unseren Lebensraum zu schädigen.

Wenn es uns vergönnt war, naturverbunden aufzuwachsen und wir in unserer Erinnerung weit zurückgehen, waren wir alle gewissermaßen solche Naturkinder, denn in unserer Kindheit haben wir ähnlich empfunden, jedenfalls ist es mir so ergangen und ich erinnere mich gern daran, wie ich damals die Natur um mich herum entdeckte, wie ich am Abend zum gestirnten Himmel aufsah, die wechselnden Mondphasen waren mir lange Zeit ein Rätsel. Wie schön war es, an einem Bach zu sitzen und dem Wasser zuzusehen, wie es Steine umspülte und sprudelte, oder wie fasziniert war ich von jedem Gewitter, von der Folge von Blitz und Donner.

Wie berauschend ist nicht nur die sommerliche Blütenpracht, sondern auch das Farbenspiel der herbstlichen Wälder! Wie wunderschön ist ein winterlicher Spaziergang, wenn die Sonne den mit Rauhreif geschmückten Wald bescheint, und wenn man dann das einzelne von Eiskristallen geränderte Blatt betrachtet, oder die feinen Fäden der Spinnenweben bewundern kann. Und wenn nach dem vermeintlichen Tod der Natur, im Frühling wieder alles erwacht, ist dies in jedem Jahr ein neues Wunder.
Vieles von all dem ist uns im Laufe des Lebens abhanden gekommen, da der tägliche Kampf ums Dasein Vorrang hatte. Deshalb müssen wir versuchen, unsere Innen- und Außenwelt, das heißt unsere Seele, also unser Harmonieempfinden mit der stofflichen Welt bzw. mit der Umwelt und somit unser Erleben, in Einklang zu bringen.

Begnadete Komponisten haben uns wunderschöne Musiken hinterlassen. Von großen Denkern durch alle Zeiten hinweg sind uns weise Gedanken und Texte überliefert, die uns sehr viel geben können, und hervorragende Künstler haben uns Kunstschätze gegeben, die uns in Museen zugänglich sind.
Die Freude an der Kunst, aber auch die Freude an der Natur, also an Gottes Schöpfung, hilft uns, den Staub des Alltags von der Seele zu waschen. Wir müssen uns nur umschauen, es liegt alles bereit, um uns zu erfreuen. Vielleicht müssen wir nur eine neue, besser gesagt „alte ganzheitliche“ Sicht entwickeln, um zu uns selbst zu finden. Dazu gibt es ein schönes Wort:
„Alles Sein ist Werden. Es ist gut. Wanderer der Welten hier auf Erden hör zu mit dem Herzen, versteh‘ mit offenem Geist und du wirst niemals den Mut verlieren.“
Ja, die ganze Schöpfung in all ihren Erscheinungsformen, ob Mineral, Pflanze oder Tier, das ständige Werden und Vergehen, alle vier Jahreszeiten, alles hat seinen ganz eigenen Reiz und seinen besonderen Zauber, und hinter allem steht ein weiser nie begriffener Geist.

Es wird Zeit zu lernen, das Leben wieder aus dieser ganzheitlichen Sicht zu betrachten. Auch die modernen Physiker gehen davon ab, alles nur nach Maß und Zahl zu beurteilen. Sie sind mittlerweile sehr wohl bereit, eine nicht nachweisbare aber doch vorhandene Kraft zu akzeptieren, die die verschiedenen Religionen Gott nennen.

Es liegt an jedem selbst, ob er sich treiben und manipulieren lässt oder ob er das Leben aktiv erlebt, und was er daraus macht oder wie er dieses verinnerlicht.
Keiner hat es treffender formuliert als Goethe in seinem Gedicht: „Selige Sehnsucht“, wenn er sagt:

„Und solange du das nicht hast,
dieses: Ewige Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
auf dieser dunklen Erde.“​

Der November mit seinen trüben Tagen ist besonders geeignet, über uns selbst nachzudenken, damit wir uns der Zeitlichkeit bewusster werden, aber es soll nicht dazu führen, dass wir depressiv werden.
Jeder möge an seinem Platz, an den er vom Schicksal gestellt wurde, daran arbeiten, dass die Welt für alle Menschen ein Ort des Friedens wird und wo Friede herrscht, dieser nicht mutwillig in Gefahr gebracht wird.


Im November 2004

MfG Jan Amos
 
AW: Tod?

„Gewöhne dich daran zu glauben, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat. Denn alles, was gut, und alles, was schlecht ist, ist Sache der Wahrnehmung. Der Verlust der Wahrnehmung aber ist der Tod. Daher macht die richtige Erkenntnis, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat, die Vergänglichkeit des Lebens zu einer Quelle der Lust, indem sie uns keine unbegrenzte Zeit in Aussicht stellt, sondern das Verlangen nach Unsterblichkeit aufhebt. […] Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“ ~ Epikur
 
AW: Tod?

Jedesmal, wenn ich versuche eine Antwort auf solch Fragen zu geben, überlege ich mir, was überhaupt Leben und Tod ist.

Aus dem Biologieunterricht weiß ich noch, falls mich das Gedächtnis nicht trübt, dass einige Eigenschaften vorhanden sein müssen, um etwas als lebendig zu bezeichnen:
- Wachstum
- Fortpflanzung
- Nahrungszunahme
- Bewegung
- Reize wahrnehmbar

Wenn ich Tod sein werde, werde ich diese Eigenschaften nicht mehr besitzen, aber was ist mit den anderen Facetten?

Das Denken, also der Geist/Seele, ist eine Eigenschaft des Gehirns, also ein Prozess, und wenn das Subjekt nicht mehr ist, dann gibt es auch das Prädikat nicht mehr. Wo soll also mein Geist/Seele also hin?

Keine Ahnung.

Und mein Körper wird von Destruenten zersetzt.

An diesen Punkt frage ich mich, welche Fragen bezüglich des Todes noch nicht beantwortet sind. Mir fallen keine ein, denn Fragen, wie ich den Tod empfinden werde und was ich fühlen werde, sind unbrauchbar und falsch gestellt, weil keine Reize mehr wahrnehmbar sind, wenn ich Tod bin.

Der Tod scheint gelüftet und ich die Ansicht habe, dass man sich nur vor dem Unbekannten fürchtet, also Angst hat, habe ich keine Angst vor dem Tod.

Doch was ist mit dem Sterben? Wie, wann und wo werde ich sterben? Wie werde ich es empfinden? Dies sind Fragen, worauf ich keine Antwort habe, was einem mit Angst erfüllen kann, jedoch schlägt an diesen Punkt meine ignostische Haltung durch, dass eine Beantwortung dieser Fragen unmöglich ist und sowieso bedeutungslos wäre. Würde sich mein Leben dadurch ändern? Nein, würde es nicht, also wozu sich mit unnötigen Wissen quälen? Der Unwissende lebt doch glücklicher. :)

Und die Furcht wäre trotz der Beantwortung vorhanden, denn der Prozess wäre trotz aller Versuche unbekannt. Der Tod dagegen ist kein Prozess, sondern das Ergebnis eines Prozesses.

Doch ist dieses Ergebnis, also dieser Zustand, greifbar?

Man sagt doch, dieser Mensch ist Tod, doch ist man dann noch ein Mensch, wenn man nicht mehr existiert? Es doch nur noch ne Ansammlung von Materie. Wann hört das Menschsein also auf? Direkt nach dem Sterben. Ist der Tod dann eine Marke, die den Übergang von Menschsein zum Nichtsein beschreibt?

Dann müsste er aber greifbar sein. Ist der Tod der Zustand eine Sekunde nach dem Sterben und eine Sekunde vor dem Nichtsein? Aber dies geht doch nicht, weil das Nichtsein nahtlos am Sterben anknüpft. Ist der Tod also nur was Künstliches? Von Menschenhand gemacht, um zu zeigen, dass dieses Häufchen Materie mal ein Lebewesen, also ein Mensch war? Es scheint so.

Also gibt es den Tod nicht, sondern ist ein Abstraktum. Kann man vor ein Abstraktum Angst haben? Nein. Sind deshalb die Fragen bezüglich dem Tod zu Beginn meines Beitrags nutzlos? Eigentlich schon, denn sie beschreiben das Abstraktum nur näher, wie der Betrag einer Zahl. Kann man vor einer Zahl Angst haben? Eigentlich nicht, denn ein Abstraktum ist immer Produkt unser Hirns und ich kenne keinen Schöpfer, dem das eigene Werk unbekannt ist.

Was bleibt also übrig? Das Sterben.

Bringt das Sterben was Neues? Nein, da das Leben bereits Leid ist, es beendet nur das Leiden. Dennoch verspüre ich Angst vor dem Sterben.

Merkwürdig, man hat Angst vor dem Nichtsein, vor der Bedeutungslosigkeit.

Wieso eigentlich? Man kennt es doch gar nicht? Aber vielleicht deshalb.

Reicht dies als Antwort?

Gruß.
 
AW: Tod?

Hey, da bin ich ja als Hypochonder genau beim richtigen Thema gelandet. :)

Das Thema Tod (vor allem mein eigener) spielt in meinem Leben schon seit längerer Zeit eine Rolle, da ich an einer Angststörung leide, die sich unter anderem in der Angst vor Krankheiten, vor allem natürlich tödlicher Krankheiten, ausdrückt.

Daher habe ich mir schon öfters Gedanken über meinen Tod gemacht.

Die von mir bevorzugte Art zu streben wäre natürlich als alter Mann, satt und erfüllt von einem glücklichen Leben, umringt von gesunden Kindern und Enkelkindern, mit einem Lächeln auf den Lippen und den letzten Worten: "Ich bekenne, ich habe gelebt." Und alle anderen sagen dann auf meiner Beerdigung: "Mein Gott, der Sunny, der war ein Teufelskerl!"

Die Art zu sterben, vor der mir graut ist jung, aber durch eine Krankheit geschwächt, leidend und depressiv dahinzuvegetieren, während mich alle anderen mitleidig anschauen und sagen: "Mein Gott, der arme Sunnyboy, er ist gestorben, bevor er richtig gelebt hat!"

Als ich noch überzeugt religiös war und glaubte, man könne mit Gott oder wer auch immer da oben ist verhandeln, habe ich gebetet, dass wenn es mir vorherbestimmt sein sollte, vor Erreichen eines hohen Alters zu sterben, dann bitte plötzlich und unerwartet- ohne langes Siechtum, ohne mitleidige Blicke der "Gesunden".

Das hat mir zu denken gegeben: Was ist es, vor dem ich mich fürchte? Ist es die biologische Tatsache des Todes, die wir alle früher oder später am eigenen Leib erfahren werden (wobei "erfahren" nicht der richtige Ausdruck ist, da nicht sicher ist, ob es nach der "Erfahrung" noch eine Möglichkeit gibt, diese zu verarbeiten.) Nein, der Tod an sich ist es nicht.
Ist es die Angst vor Schmerzen, die der Tod mit sich bringen könnte. Aber dann könnte man sich ja trösten, dass der Zeitraum des Leids nur begrenzt ist, und der Tod selbst eher eine Erlösung. Nein, die Schmerzen sind es auch nicht.
Ist es die Angst vor der Hölle? Ich habe noch nie an eine Hölle geglaubt, denn weder wenn man an Gott glaubt, noch wenn man nicht an ihn glaubt, macht eine Hölle Sinn.

Ich habe vor allem Angst vor dem Tod, weil "Tod" Nicht-leben bedeuted. Und ich hänge am Leben.

Ich hänge an der beeindruckenden Natur, die sich auf so vielfältige Weise offenbart.
Ich hänge an all den Schönheiten dieses Lebens- der Geschmack einer eisgekühlten Cola im Sommer oder einer heißen Tasse Kakao im Winter, einem hübschen, nett lächelnden Mädchen in der Innenstadt, an guten Gesprächen mit Freunden.
Ja, ich hänge sogar an den Herausforderungen des Lebens, der Anstrengung um Leistung zu erbringen und Erfolge zu erzielen.

An all dem hänge ich. Und es gibt noch vieles, was ich erleben möchte: Ich möchte nach Asien, Afrika und Südamerika reisen, ich möchte mit den netten Mädchen aus der Innenstadt mehr machen, als ihnen nur beim Lächeln zuschauen, ich möchte studieren und einen Beruf ergreifen, möchte heiraten und Kinder haben.

Und doch ist mir auch klar, dass es, trotz meiner Jugend keine Garantie dafür gibt, dass ich das alles erleben werde- das ist mir erst neulich beim Urlaub in Südtirol wieder klargeworden: Die vielen Kreuze und Gedenksteine in den Bergen und an den Straßen und die äußerst kurzen Zeitspannen, die zwischen dem Geburts- und dem Todesdatum auf diesen liegen, haben mir klargemacht, dass es keine Garantie gibt und auch keinen Anspruch, dem man bei einer höheren Macht geltend machen kann.

Daher habe ich mir eines geschworen: Ich werde versuchen, jeden Tag zu nutzen und zu genießen, ich werde versuchen mich auf das Wichtige zu besinnen. Ich werde versuchen ein reines Gewissen zu haben und dort zu helfen wo ich kann. Aber, ich werde versuchen auch den Tod nicht zu fürchten, gleichzeitig aber zu kämpfen um zu Überleben, denn ich glaube, dass dieses Leben alle Anstrengungen wert ist.

Ein amerikanischer Rapper nannte sein Album "Get rich or die tryin'"- "Werde reich oder stirb bei dem Versuch." Ich finde, ohne mich groß mit der US-amerikanischen Ghetto-Kultur auszukennen, dass dieser Spruch auch für unser Leben Geltung haben kann- wir brauchen Ziele im Leben, Ziele, die wir uns allen Umständen zum Trotz setzen müssen und nach denen wir, wenn es sein muss bis zum letzten Atemzug, greifen, um die Spanne zwischen Geburt und Tod mit Sinn und Freude erfüllen- aber stets mit der Erkenntnis, dass wir keine Garantie haben diese Ziele zu erreichen- ich glaube, das ist Leben.

So dass wir, wenn der unvermeidbarste aller Augenblicke eintritt sagen können:
"Ich bekenne, ich habe gelebt."

Lg,
Sunnyboy
 
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AW: Tod?

Du machst Deinem Nicknamen wirklich alle Ehre, Sunnyboy.

Und was Deine Angst vor dem Tod betrifft. Du erinnerst mich, obgleich Du ja noch recht jung zu sein scheinst, sehr an meine Großmutter. Die hat auch mit jeder Faser am Leben gehangen bis zum letzten Moment. Ihr Mann starb 1977, was sie sehr traf, aber sie nicht brechen konnte, es gab ja noch andere Menschen um sie herum. Die Ärmel wurden hochgekrempelt und weiter ging es bis zum 93. Lebensjahr und bis zuletzt körperlich fit. Obgleich auf eine völlig unscheinbare Weise durchaus gläubig (oder nicht, ich weiß es nicht genau), immer diese fast kindliche Angst vor dem Tod bei gleichzeitigem hundertprozentigen Bejahen des Lebens und der Menschen. An einem wirklich traumhaft schönen Herbsttag ging sie vor die Haustür und fiel einfach um, ganz lautlos.

Ich erfuhr es, seinerzeit Referendar in Paderborn. Und obgleich damit ja wirklich zu rechnen war, hat es mich völlig aus den Socken gehauen, aber das hing auch sehr damit zusammen, daß wir alle zusammen unter einem Dach Jahrzehnte gelebt haben. Heute sehe ich es als fast wunderbares Ende eines verdienten Menschen an.

Wer weiß Sunny, vielleicht geht es Dir ja mal ähnlich. Dann kannst Du Deine Todesangst begraben.

Gruß
Zwetsche
 
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