Ah ja, aber wer sagt denn so etwas? Mit Platon beginnt die Etablierung der Erzählkunst in der Philosophie und Aristoteles erzählt uns streng wissenschaftlich Geschichtchen vom natürlichen Ort der Dinge. Weil der Darm nicht der natürliche Ort des Spermas ist, muß folglich die unnatürliche Anreicherung von Sperma im Darm naturwidrig sein, also gewissermaßen abartig.Streng wissenschaftlich betrachtet wäre dem doch so, nicht wahr?
Zweifelsfrei und da ist Ihr Weitblick doch sehr zu bewundern. Wenn aber das Böse einem andern als Eigenschaft zukommt, so muss es zuvor selbst etwas an und für sich sein, wenn es auch keine bestimmte Wesenheit ist. Insofern widerspricht Plotin der Heideggerschen Sicht und erkennt, daß die Natur der Körper durch die Teilhabe an der Materie böse ist und das ist gleichbedeutend damit, daß die Homosexualität im Tierreiche nicht nur widernatürlich, sondern obendrein auch noch böse ist und zwar durch die Teilhabe an der Materie.
Warum also sollte man die Metaphysik überwinden wollen, wo uns doch schon die Beschäftigung mit den Dingen der Physis, deren Natur betreffend, so vorzügliche Dienste in der Redekunst erweist?
Nun Sie werden in jeder deutschsprachigen Philosophiegeschichte, die Sie auf dem Buchmarkt finden können sehen, dass Platon/Sokrates meist als der Beginn der (europäischen) Philosophie im eigentlichen Sinne darstellt . Mit Platon wird der griechische Begriff der "philosophia" für sein denkerischen Unternehmen eigens geprägt. Die sog. Vorsokratiker hatte noch nicht den Begriff von Philosophie, den sowohl Platon als auch Aristoteles hatten. Als Beispiel -Lektüre in diesem Punk kann ich dieses Philosophie-Lexika empfehlen dazu:
https://www.amazon.de/Historisches-Wörterbuch-Philosophie-Gesamtwerk-1-13/dp/3796507026/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1464304776&sr=1-1&keywords=historisches+wörterbuch+der+philosophie
Ich bin der Meinung, dass hier die philosophische Forschung richtig urteilt, also wenn man so will der philosophische "common sense". Auch die Vorsokratiker wie Heraklit oder Parmenides waren im Grunde schon Philosophen, aber sie haben sich selbst so nicht bezeichnet. Erst mit Platon erfährt der Begriff der Philosophie (der "philosophia") seine eigene Profilierung. Sie können das selbst überprüfen , in dem Sie den Wortgebrauch von philosophia im griechischen Text Platons mal herausfinden und diesen mit den Denkern vor Platon vergleichen. Sie werden feststellen, dass bei Platon dieser Begriff überdurchschnittlich oft vorkommt. Oder nehmen Sie das Platon-Lexikon und lesen Sie einfach dort mal den Artikel zum Begriff der Philosophie dort. Kurz die Sichtweise der Forschung leuchtet mir dort ein und ich habe mir selbst da auch einen Eindruck gemacht. Ich unterschreibe nicht alles was die philosophische Forschung sagt, aber in dem Punkt würde ich sagen , hat sie durchaus Recht. Platon hat bevor er ja Philosoph wurde, Tragödien gedichtet (so die Legende) und diese später verbrannt. Anders gesagt Platon ist der "Dichter unter den Philosophen" wie Nietzsche der "Philolog unter den Philosophen" ist. Dieser griechische Denker hat eben auch literarische Qualitäten, er ist eben Schriftsteller-Denker, sein philosophisches Werk befinden sich im Bereich zwischen Literatur und Philosophie. Es ist aber eben philosophisch (auch). Ich denke mal schon, dass es seine Berechtigung von der platonischen Philosophie zu sprechen. Aristoteles hingegen sehe ich im Vergleich zu Aristoteles als wissenschaftlicher, denn die Politik, die Poetik, die Metaphysik, die Rhetorik, die Ethik , De Anima (Peri Psyches) sind für mich philosophisch-wissenschaftliche Abhandlungen, die in verschiendenen philosophischen Bereichen angesiedelt sind. Aristoteles spricht in der Metaphysik zudem von seiner "ersten Philosophie". Was aber Aristoteles und Platon unter Philosophie verstehen ist grundverschieden, was ich aber jetzt nicht weiterausführen werden, sondern nur andeute..
Kritiker des Aristoteles meinen das bestimmte Aspekte seiner Philosophie überholt sind, darauf scheinen Sie auch anzuspielen...Aristoteles war ja auch Biologe bzw. Naturwissenschaftler wie wir heute sagen würden, dass sich bestimmte naturwissenschaftliche Modelle bei Aristoteles als überholt erweisen, kann man z.B. in der Physik sehen, aber wenn man so will auch in der Biologie... Es wäre nett, wenn Sie da die Quelle nennen können, worauf Sie sich da beziehen bei Aristoteles. Ich weiß nicht ob das polemische Wort "abartig" angemessen ist, sachlicher wäre eher von "überholt" zu sprechen, damit könnte ich mich schon mehr anfreunden geistig,..
Ich danke Ihnen für das Kompliment und fasse das mal so auch auf...Was Plotin und Heidegger anbetrifft sind das zwei unterschiedliche Denker, die eben "anders " über das Böse nachdenken wie mir scheint. Was Plotin betrifft sei aus wikipedia zitiert:
"Plotins Auffassung von der Materie (
hýlē) geht von der einschlägigen Vorstellung und Terminologie des Aristoteles aus. Wie bei Aristoteles ist bei ihm die Materie an sich formlos und daher als solche nicht wahrnehmbar, doch entsteht alles sinnlich Wahrnehmbare dadurch, dass sie immer Formen aufnimmt. Alles Körperliche beruht auf einer Verbindung von Form und Materie. Dieses aristotelische Konzept baut Plotin in seinen Platonismus ein. An und für sich ist die Materie „nichts“, aristotelisch ausgedrückt reine
Potenz, etwas nicht Verwirklichtes, nur als Möglichkeit Bestehendes. So gesehen ist die Materie als „Nichtseiendes“ dasjenige, was sich am stärksten von der geistigen Welt, dem Bereich der im eigentlichen Sinn seienden Dinge, unterscheidet. Damit ist sie das ontologisch Niedrigste und Unvollkommenste."
Und hier besonders wichtig:
"
Da der Nous als das Gute und Seiende bestimmt ist und nichts vom Sein weiter entfernt sein kann als die Materie, liegt aus platonischer Sicht die Folgerung nahe, dass die Materie etwas absolut Schlechtes oder Böses sei. Diese Konsequenz hat der Mittelplatoniker
Numenios, dessen Lehre Plotin intensiv studierte, tatsächlich gezogen.
Sie führt mit der Annahme eines eigenständigen bösen Prinzips in den Dualismus. Auch Plotin bezeichnet die Materie als schlecht und hässlich; nichts kann schlechter sein als sie. Dabei ist aber zu beachten, dass dem Schlechten in Plotins monistischer Philosophie keine eigenständige Existenz zukommt, da Schlechtigkeit nur in der Abwesenheit des Guten besteht. Somit ist die Materie nicht in dem Sinne schlecht, dass ihr „Schlechtigkeit“ oder „Bösartigkeit“ als reale Eigenschaft zuzuordnen ist, sondern nur in dem Sinne, dass sie in der ontologischen Hierarchie am weitesten vom Guten entfernt ist. Außerdem kommt die formlose Urmaterie als solche nicht wirklich vor, sondern sie ist bei Plotin wie bei Aristoteles nur
ein gedankliches Konstrukt.
[39] In Wirklichkeit unterliegt der physische Kosmos immer und überall der Leitung der Seele und damit der gestaltenden Einwirkung der formenden Ideen.
Real gibt es Materie nur in Verbindung mit Formen. Daher ist die Unvollkommenheit der materiellen Objekte in der Praxis nie absolut, denn durch ihre Formen empfangen sie die Einwirkung der geistigen Welt. Allgemein gilt der Grundsatz, dass das Aufnehmende das Maß des Aufnehmens bestimmt. Das Niedrigere kann das Höhere nur insoweit empfangen, als seine begrenzte Aufnahmefähigkeit dies zulässt."
Ich glaube wenn Sie den letzten Absatz , den ich hier zitiert habe und die Unterstreichungen besonders beachten, dann habe ich offen gesagt, dass Ihre Interpretation Plotins hinsichlich des Bösen die Sache nicht ganz trifft. Für mich der entscheidende Satz hier nochmal aus dem ganzen Zitat:
"
Somit ist die Materie nicht in dem Sinne schlecht, dass ihr „Schlechtigkeit“ oder „Bösartigkeit“ als reale Eigenschaft zuzuordnen ist, sondern nur in dem Sinne, dass sie in der ontologischen Hierarchie am weitesten vom Guten entfernt ist".
Ich denke mal, dass das was Sie bezüglich Plotin und dem Bösen gesagt haben , der Sache eben nicht korrekt ist, wenn Sie das Zitat hier mit ihren Ausführungen vergleichen. Für mich ein Beispiel wieder einer Fehlbeurteilung ihrerseits, wenn ich das nüchtern und sachlich konstatieren darf. Natürlich könnte man das noch anhand des Primärtextes untersuchen. Aber das erspare ich mir wegen der Länge hier, um den Beitrag nicht noch länger zu machen. Ich weiß nicht, ob Plotin die Homosexualität verurteilt und als etwas Böses ansieht, dass müsste ich erst überprüfen , indem ich einen Blick in seine Enneaden werfen müsste usw.
Wenn man die Metaphysik als die Philosophie begreift , könnte man sich natürlich fragen, warum die Redekunst dann auf Philosophie verzichten sollte..wobei mich interessieren würde , was für Sie "die Dinge der Physis " (deren Natur betreffend) sind , aber das noch eher nebenbei...Metaphysik in ihrer traditionellen Gestalt wie sie Platon oder Aristotles vorliegen oder auch bei Hegel usw, ist in der Tat insofern ein Problem, da diese an Gegensätze z.B. glaubt wo keine sind (z.B. gut und böse) oder wo die Annahme eines Gegensatzes problematisch sind. Ich kann wie gesagt nur sagen, dass die problematische Stellung der Metaphysik und die Kritik an derselben dann verständlich wenn man sich auf eine (offene und nicht voreingenommene ) Lektüre dieser Denker -hier besonders Nietzsche und Heidegger- hier einlässt. Dann wird dann auch deutlich was diese Philosophen für ein Metaphysikverständnis haben und wie sie das mitunter auch mit der Rhetorik verbinden. Es gab ja Denker wie Cicero z.B. die für eine Einheit von Philosophie und Rhetorik plädierten (und dabei auch eine philosophische Redekunst vor Augen hatten)...Die Rhetorik steht dann aber im Dienst der Philosophie und nicht umgekehrt. Ohne Philosophie keine echte Redekunst , wie z.B. Cicero meinte (ausgehend von Platon).
Man kann ja fragen ob man von vornherein von einer Unüberwindbarkeit der Metaphysik ausgehen sollte oder nicht..Natürlich ist diese leichter zu postulieren...Philosophen wie Heidegger oder Nietzsche hatten aber eben sowas wie eine Hoffnung auf eine Überwindbarkeit von Metaphysik wie mir scheint und haben versucht mit ihrem Denken dazu beizutragen. Aber die ganze Argumentation diesbezüglich bei Heidegger oder Nietzsche zu diesem Punkt erspare ich mir aus Platzgründen dieser Stelle. Da kann ich nur zur Lektüre dieser Philosophen, die am besten möglich unvoreingenommen sein sollte, aber natürlich auch nicht unkritisch sein sollte. Es gilt hier eine Balance eben zu wahren.
Soweit zu diesen Punkten.