Okay.
Wollte Heidegger denn wirklich die Metaphysik überwinden? Sie selbst gaben an, worum es ihm ging, nämlich die "Verwindung" der Metaphysisk.
Nun Heidegger spricht eigentlich von der Überwindung der Metaphysik.
Beleg:
<Die "Überwindung der Metaphysik" ist für Heidegger der entscheidende geschichtliche Augenblick, in dem die
Metaphysik als Geschichte der Seinsverlassenheit erfahren und
zugleich überwunden wird. Die Seinsverlassenheit offenbart sich in der
letzten und äußersten Steigerung der Metaphysik als "unbedingte Vormacht der Machenschaft".
Machenschaft bedeutet hier die alles beherrschende Machbarkeit des Seienden. Durch sie wird offenbar,
daß das Sein des Seienden in der Metaphysik als Herstellung aus einer obersten Ursache oder einem höchsten Grund begriffen wird. Das Sein selbst bleibt hierbei ungedacht, weil in dieser Begründung das Seiende in seinem Sein nur wieder durch ein anderes höchstes Seiendes erklärt wird. Aus dieser seinsgeschichtlichen Erfahrung heraus übernimmt die vorliegende Abhandlung die Aufgabe, die Wahrheit des Seyns als "Ab-grund" und "Ereignis" aus
der Überwindung der metaphysischen Begründung des Seins zu durchdenken.
An diesen
Grundgedanken der "Überwindung" knüpft, und zwar von seiner seinsgeschichtlichen Bedingung der Machenschaft her, auch die zweite Abhandlung an: "Das Wesen des Nihilismus". In dieser Abhandlung geht es um den Versuch, durch Nietzsches Wort "Gott ist todt" auf das Wesen des Nihilismus hinzuweisen. (...)
In dieser Setzung des Seins als Wert kommt offen zum Vorschein, daß das Sein selbst in der Metaphysik ungedacht geblieben ist. Die Metaphysik ist demnach die Geschichte, in der es mit dem Sein selbst "nichts" ist,
und aus diesem Grund ist die Metaphysik als solche der eigentliche Nihilismus."
Quelle:
http://www.klostermann.de/Heidegger-Metaphund-Nihilismus-Ln
oder auch Band 67 der Gesamtausgabe
Heidegger spricht aber auch von der Verwindung der Metaphysik (er spricht also von beidem: Verwindung und Überwindung):
" Verwindung der Metaphysik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Rückgang in den Grund der Metaphysik
In
Sein und Zeit wollte Heidegger die Ontologie auf ihr
Fundament zurückführen.
Damit blieb er weitestgehend im Bereich der klassischen Metaphysik, verstand er seine Bemühungen ja selbst als
Reform und Weiterführung der Ontologie. Nach der Kehre gab Heidegger die Pläne, einen neuen
Grund der Ontologie zu finden, auf. Stattdessen widmete er sich in
Was ist Metaphysik? der Frage nach dem
Grund der Metaphysik:
[83] Wie kommt es, dass die Metaphysik nur
vom Seienden aus das Sein zu bestimmen versucht und
auf das Seiende zu. indem sie je einen letzten oder höchsten Grund für die Bestimmung alles Seienden ausmacht? Mit dieser Frage versuchte Heidegger also nicht selbst wieder eine Bestimmung des Seienden zu geben (dies ist ja
das Vorgehen der Metaphysik), sondern er untersuchte die
Metaphysik als Metaphysik und die Bedingungen ihres Vorgehens: Wie kamen die verschiedenen Auslegungen des Seins durch die Metaphysik zustande? Diese Frage, welche die
Bedingungen der Metaphysik selbst thematisiert, blieb der Metaphysik
per definitionem verschlossen, die selbst nur das Seiende und dessen Sein zum Gegenstand hat.
Ab-gründiges Denken
Ziel Heideggers war weiterhin eine Überwindung der Metaphysik. Notwendig hierfür ist als erstes ein
Zurückweisen metaphysischer Letztbegründungen. Die Untersuchung darf nicht selbst wieder
paradigmatische Vorannahmen an ihren Gegenstand herantragen. Ein
nicht-metaphysisches Denken hat
ohne letzte Gründe auszukommen. Es muss sich selbst
in den Ab-grund bringen.
Heidegger bezeichnete deshalb sein Denken von da ab als ab-gründig. Vom
Ab-grund aus
kritisierte er nun
seine frühe Philosophie: „Überall noch in
Sein und Zeit bis an die Schwelle der Abhandlung
Vom Wesen des Grundes wird metaphysisch gesprochen und dargestellt und doch anders gedacht. Aber dieses Denken bringt sich nicht ins Freie des eigenen Ab-grundes.“
[84] Erst von diesem Ab-grund aus, von einer Position aus, die keinen letzten Grund kennt, konnte Heidegger die
Geschichte der Metaphysik in den Blick bringen und interpretieren.
Verwindung der Metaphysik als Teil der Seinsgeschichte
Da in der Metaphysik das Sein verschiedenartige Bestimmungen durch den Menschen erfahren hat, kommt Heidegger zu dem Schluss, dass das Sein selbst eine Geschichte hat. Heidegger nennt dies
Seinsgeschichte. Die
Kehre als Verwindung der Metaphysik beschreibt zweierlei:
[86]
- Einerseits markiert die Kehre die Abwendung von Metaphysik hin zur Untersuchung der Geschichte der Metaphysik, der Seinsgeschichte.
- Zugleich ist diese Abwendung selbst ein seinsgeschichtliches Ereignis, also ein neuer Teil der Seinsgeschichte. Nicht weil sie die Geschichte der Metaphysik fortsetzt, sondern weil sie in einer Gesamtrückschau diese in den Blick bringt und sie abzuschließen und zu überwinden sucht. Die Überwindung der Metaphysik bleibt selbst auf das bezogen, was es zu überwinden gilt. Heidegger sprach daher von einer Verwindung.
Im Gespräch mit den großen Denkern, nicht durch ablehnende Feindschaft,
sollte die Metaphysik an ihre Grenzen gebracht werden: „
Darum muss das Denken, um der Verwindung der Metaphysik zu entsprechen, zuvor das Wesen der Metaphysik verdeutlichen.
Einem solchen Versuch erscheint die Verwindung der Metaphysik zunächst wie eine Überwindung, die das ausschließlich metaphysische Vorstellen nur hinter sich bringt. […] Aber in der Verwindung kehrt die bleibende Wahrheit der anscheinend verstoßenen Metaphysik als deren nunmehr angeeignetes Wesen erst eigens zurück.“
[87] Im Rückblick besann sich Heidegger auf die
ersten Anfänge des
abendländischen Philosophierens. In ihrer
Verwindung suchte er einen
anderen Anfang.
Hier vor allem wichtig: "
Darum muss das Denken, um der Verwindung der Metaphysik zu entsprechen, zuvor das Wesen der Metaphysik verdeutlichen.
Einem solchen Versuch erscheint die Verwindung der Metaphysik zunächst wie eine Überwindung, die das ausschließlich metaphysische Vorstellen nur hinter sich bringt. […] Aber in der Verwindung kehrt die bleibende Wahrheit der anscheinend verstoßenen Metaphysik als deren nunmehr angeeignetes Wesen erst eigens zurück.“
Hier wird deutlich warum Heidegger sowohl von der Überwindung als auch der Verwindung der Metaphysik spricht. Für ihn ist aber anscheinend die "Verwindung der Metaphysik" zentraler, wie man anhand des Zitats sehen kann.
Erster und anderer Anfang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Heidegger versuchte
in der Geschichte der Metaphysik verschiedene Epochen auszumachen. In Bezug auf die Philosophie der frühen Griechen sprach er vom
ersten Anfang,
der die Metaphysik begründete. Sein eigenes Denken und das von ihm angestrebte
nach-metaphysische Zeitalter sah er als anderen Anfang.
Verfehlungen des ersten Anfangs
Der
erste Anfang der
alten Griechen teilt sich für Heidegger in zwei Ereignisse, das
vorsokratische Denken und
die von Platon und Aristoteles ausgehende Metaphysik. (...)
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Heidegger#Verwindung_der_Metaphysik
Ich habe das mal ausführlich zitiert, um mal Heideggers Position noch deutlicher zu diesem Punkt kenntlich zu machen. Ich finde diesen wikipedia-Artikel zu Heidegger ziemlich gut strukturiert und nachvollziehbar (beim Lesen).
Um Ihre Frage zu beantworten: ich glaube man kann sagen, dass Heidegger beides wollte bzw. war ihm am Ende die Verwindung der Metaphysik doch wichtiger , denn: "
Einem solchen Versuch erscheint die Verwindung der Metaphysik zunächst wie eine Überwindung, die das ausschließlich metaphysische Vorstellen nur hinter sich bringt. […] Aber in der Verwindung kehrt die bleibende Wahrheit der anscheinend verstoßenen Metaphysik als deren nunmehr angeeignetes Wesen erst eigens zurück.“
Ich hoffe, mal damit hinsichtlich Ihrer Frage weitergeholfen zu haben. In dem Artikel sind die Quellen genannt, wo man die Zitate im Original nachlesen kann.
Es geht also um die Verwindung der Metaphysik, somit letztlich wieder einmal um das Grundlegendere, nämlich die Mathematik. Betrachtet man das Begriffsgebäude der Metaphysik als Rubik's Cube, dann muß in der Tat reichlich gedreht werden, bis die multichromen Flächen in aller Klarheit monochrom erscheinen. Die Überwindung der herkömmlichen Metaphysik bedeutet dann schlicht und einfach die Bündelung metaphysischen Vokabulars zu tauglichen Gruppen, die in rechter Anordnung im Lichte wahrer Erkenntnis einen Monolithen rechten Denkens erstrahlen lassen.
In der Tat spricht Heidegger eher von der
Verwindung der Metaphysik (oder auch von beidem). Aber das ist nicht immer ganz deutlich , ob er mehr zu einer "Überwindung" der Metaphysik neigt oder zu einer "Verwindung". Es kommen
beide Wörter in seinem Sprachgebrauch vor. Siehe oben. Hierbei denkt Heidegger nicht unbedingt an die Mathematik.
Zur Erinnerung Heidegger nochmal im O-Ton :
"Darum muss das Denken, um der Verwindung der Metaphysik zu entsprechen, zuvor das Wesen der Metaphysik verdeutlichen.
Einem solchen Versuch erscheint die Verwindung der Metaphysik zunächst wie eine Überwindung, die das ausschließlich metaphysische Vorstellen nur hinter sich bringt. […] Aber in der Verwindung kehrt die bleibende Wahrheit der anscheinend verstoßenen Metaphysik als deren nunmehr angeeignetes Wesen erst eigens zurück.“
Man sieht wie komplex Heidegger hier über Metaphysik nachdenkt. Aus dem Artikel nochmal zitiert:
"Ziel Heideggers war weiterhin eine Überwindung der Metaphysik. Notwendig hierfür ist als erstes ein
Zurückweisen metaphysischer Letztbegründungen. Die Untersuchung darf nicht selbst wieder
paradigmatische Vorannahmen an ihren Gegenstand herantragen. Ein
nicht-metaphysisches Denken hat
ohne letzte Gründe auszukommen."
Und:
"Heidegger versuchte
in der Geschichte der Metaphysik verschiedene Epochen auszumachen. In Bezug auf die Philosophie der frühen Griechen sprach er vom
ersten Anfang,
der die Metaphysik begründete.
Sein eigenes Denken und
das von ihm angestrebte nach-metaphysische Zeitalter sah er als anderen Anfang."
Die Betonung liegt hier auf "das von ihm angestrebte
nach -metaphysische Zeitalter" und sein Denken, welches er als einen "
anderen Anfang" ansah.
Ich bin der Meinung, dass der Artikel nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig lässt.