AW: sind die Österreicher Deutsche?
Ich hab aus Langeweile ein wenig gegoogelt und hier bin ich nun gelandet.
Nach Lesen einiger Ansichten hier, lässt sich feststellen, dass es kein Mittelweg gibt, sondern nur entweder/oder.
Es spricht einiges dafür, dass es eine österreichische Nation gibt. Was allerdings dafür spricht, würde wiederum auch dafür sprechen, dass es mehrere Nationen in Deutschland geben könnte. In Österreich z.B. werden Eigenheiten wie Wörter zur Abgrenzung von Deutschland benutzt, doch sagt ein Schwabe zu einem Berliner, er hätte gern ein Wecke, versteht der Berliner nichts. (Semmel)
Worteigenheiten gibt es sehr viele in Deutschland, werden aber dort aufgrund der "erzwungenen" Einheitssprache gar nicht mehr verwendet. Die Medien z.B. verwenden die klassische Hochsprache und über Literatur und Schule wird dies verstärkt. Dass z.B. der Jänner in Bayern durchaus gängig ist, wird man nicht in einer deutschen Zeitung erkennen können.
Die andere Seite ist: Warum sind die Österreicher alles, nur par tout keine Deutschen?
Hier wurde meiner Ansicht nach psychologisch viel manipuliert, denn man müsste sich nicht von etwas abgrenzen, was man von Natur aus nicht wäre.
Es wurden Zentren erfunden. Für Österreich Wien und für Deutschland Hannover/Berlin/Hamburg. Diese Zentren dienen zum direkten Vergleich. An sich ein cleverer Schachzug.
Dann ist da dieser "Piefke". Dieser ist ein Kind dieses Vergleichs.
Nicht beachtet wird dabei aber, dass der "Piefke" eine innerdeutsche Sache ist. Er symbolisiert den Gegensatz zwischen norddeutsch und süddeutsch.
Wer schon mal eine Berliner Familie in Bayern beobachtet hat, wird schnell merken, dass der "Piefke" nichts mit Österreich/Deutschland zu tun hat, sondern mit Nord und Süd.
Es gibt viele weitere Gründe, warum Österreicher sich nicht mehr als Deutsche fühlen wollen.
Die Niederlage von Königgrätz wird oft gerne angeführt und es ist auch etwas dran. Nicht nur der Verlust selbst, sondern die beisspiellose Demütigung Österreichs durch Preußen (gigantische reparationszahlungen, entmündigung) hat sich über Generation weitergetragen.
Die Gründung eines deutschen Nationalstaates, hat ein kleines Österreichbewusstsein erschaffen. Man fühlte sich natürlich noch deutsch, aber eben jetzt als deutscher Österreicher.
Die Abweisung 1919. Deutsch-Österreichs Versuch, Deutschland beizutreten wurde nicht nur verboten, sondern auch von Deutschland nur sehr halbherzig unterstützt und gefördert. Deutschland hat Österreich zwar sehr viel in den Nöten geholfen, aber in einem Staat wollten sie Österreich nicht haben.
Der Anschluss 1938. Von vielen ersehnt, führt doch ein Österreicher die Österreicher "heim ins Reich". Völlig unbeeindruckt vom Treiben der Nazis in Deutschland feierten sie ihren Mann, bis sie merkten, was er für einer war. Dennoch, der Widerstand war nicht unbedingt anti-deutsch, sondern anti-nationalsozialistisch. Weiters zu bemerken, und das ist sehr wichtig, wurden die Österreicher, die es gewohnt war, elitär und besonders zu sein (dominante Minderheit im kuk Reich) nach dem Anschluss als normale Region angeschlossen.
Der Verbot 1945. Dazu ist nicht viel zu sagen, nur dass die Alliierten mit dem Anschlussverbot wohl sichergehen wollten, dass sowas nicht nochmal vorkommt. Grundvoraussetzung dieses Verbots von alliierten Seite muss die Annahme sein, dass Österreicher Deutsche sind, sonst wär es überflüssig.
Karl Renner meinte 1945 selbst dazu abschließend: "Uns bleibt nichts anderes übrig, als nun selbst auf den Gedanken eines Anschlusses zu verzichten."
Was danach folgte, war die österreichische Nation (siehe oben). Diese grenzt sich vorzugsweise von Deutschland ab und verweist auf die Eigenheiten und Gemeinsamkeiten mit anderen Ländern. Klassisch ist auch das Wiener Telefonbuch, was die Schmelztigeltheorie bekräftigen soll. In Wahrheit sieht es aber nicht groß anders aus als ein beliebiges Telefonbuch aus dem Ruhrpott. Man weiß allerdings, dass 95% der Österreicher diesen Vergleich niemals prüfen werden, man nimmt es als gegeben hin.
Abgrenzungen gibt es auf jedem Gebiet des Lebens, wobei im selben Atemzug Gemeinsamkeit nach Osten gesucht und betont werden.
Abschließend:
Viele meiner Ansichten hab ich erlesen, von Historikern wie O. Rathkolb ("die paradoxe republik") bis über psychoanalytiker erwin ringel ("die österreichische seele"). aber auch die ethnogese österreichs ("felix austria") ist lesenswert und regt zum denken an.
Ich persönlich finde es schön, dass Österreich ein Staat ist und auch dass man zu einer Nation findet.
Kritisch seh ich allerdings, dass man eben diese Nationsfindung aufhält, weil man das Offensichtliche verdrängt. Es gibt eben neben kroatischen, slowenischen usw. Österreicher, auch deutsche Österreicher. Solange man damit nicht normal umgehen kann, kann sich eine österreichische Nation nicht vollständig emanzipieren und wird auch weiterhin nur eines sein: "Nichtdeutschland".
In diesem Sinne:
"Je deutscher sich ein Österreicher fühlt, umso mehr schimpft er über die Piefkes."
Dr. Fritz P. Rinnhofer, (*1939), Marketing- und Verkaufsmanager und Publizist