Soviel mir bekannt ist, ist Russland weder in Frankreich noch in Deutschland einmarschiert. Es ist genau anders rum.
Erstens überfällt Russland die Ukraine und nicht Deutschland oder Frankreich und zweitens zeugt es schon von Verzweiflung, derart Tief in den Geschichtsbüchern zu graben um an den Haaren herbei gezogene Rechtfertigungen für heutige Verbrechen zu konstruieren.
Beide Länder stehen - in einem Militärbündnis eingebunden - wieder vor Russlands Grenzen.
Das dürfen sie auch, so wie Freunde deines Grundstücksnachbarn sich mit dessen Erlaubnis auch deiner Grundstücksgrenze annähern dürfen, so lange sie auf seinem Grundstück bleiben. Wenn du ein Problem damit hast, ist es dein Problem, und das berechtigt dich zu nichts - und schon gar nicht zum Überfall eines anderen Grundstücksnachbarn, nur weil er mit dem anderen Nachbarn befreundet ist.
Die sprichwörtlich: "schwere russische Seele" mag das nicht hinnehmen und fühlt sich bedroht.
Dann muss die russische Seele an ihr arbeiten oder auch nicht, steht ihr frei. Wie sie sich auch immer entscheidet, ihre eigenen Probleme führen zu keinerlei Rechten Dritten gegenüber.
Außerdem kann man die geschichtlichen Ereignisse der Römer vor 2.000 Jahren eher als verjährt wissen, als die 80 oder 200 Jahre von Hitler und Napoleon.
"Eher verjähren" ? Eine sehr willkürliche Haltung. Wieso sollte etwas nach 200 Jahren noch nicht verjährt sein, nach 2000 Jahren aber schon ?
Welche Einmarschrechte haben ehemalige Ostblockländer gegenüber Russland ? Die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt wurde ihnen aufgezwungen, und die Zwangsaktionen in Ungarn und der Tschechoslowakei sind sogar weniger lange her als der zweite Weltkrieg.
Ukraine und Georgien sind nah an Russlands Grenzen. Solche Konflikte sollten nicht sein, sind aber manchmal unvermeidbar. Kennst du die Entfernung zwischen Washington und Kiew? Was hat die USA dort zu suchen? Ihre Interessen verteidigen, wenn sie den Russen in Bezug zur Ukraine dieses Recht absprechen wollen, obwohl dieses Land unmittelbar an Russland grenzt?
Was machen denn die USA in Georgien und der Ukraine ? Haben sie dort Truppen stationiert, die gegen die Ukraine oder Georgien kämpfen ?
Das Ende für die gerechtfertigte "Interessensvertretung" liegt an der Grenze des eigenen Territoriums. Egal, ob 1 Meter oder 1000 Kilometer hinter der eigenen Grenze, dort hat ein Land nichts zu bestimmen.
Natürlich hat Russland - wie jedes andere Land auch - Anspruch auf Sicherheit.
Auf Sicherheit IM EIGENEN LAND. Nicht darüber hinaus. Niemand hat Russland im eigenen Land bedroht, und daher hat es auch kein Recht, selbst als Aggressor aufzutreten. Und wohlgemerkt: Selbstverteidigung würde Russland IN Russland ausüben, aber nicht in der Ukraine.
Russland expandiert nicht nach Westen, sondern die Nato nach Osten.
Und was ist mit Weissrussland ? Weiters, die NATO expandiert nicht aggressiv nach Osten, so wie es Russland mit Weissrussland getan hat, sondern die Staaten wollten von sich aus der NATO beitreten. Sie hatten in den Jahrzehnten davor Erfahrung mit Russland gemacht und können wohl selbst am Besten abschätzen, von wo ihnen eventuell Gefahr drohen könnte. Man sieht spätestens jetzt ja auch, dass ihre Einschätzung wohl nicht so falsch war.
Somit kann man diese undefinierbare Vorgehensweise der Nato - ohne Sicherheitsgarantien - als feindlichen Akt ansehen und sich auf präemptive Selbstverteidigung berufen.
Dann dürftest du auf auf Freunde deines Nachbarns schießen, die sich nahe deiner Grundstücksgrenze aufhalten, weil du das als feindlichen Akt sehen willst und dich aus irgendeinem Grund bedroht fühlst. Aber, dieses Recht steht dir nicht zu. Auch ein Vergewaltiger kann seine Tat nicht damit entschuldigen, durch aufreizende Kleidung des Opfers "provoziert" worden zu sein.
In den 2+4 Verhandlungen hat man diesen Aspekt gründlich ausdiskutiert und beschlossen, dass eine Erweiterung der Nato die Sicherheitsinteressen Russlands nicht gefährden darf.
Und welche genau wären das und welche Veträge dazu gibt es ? Wir werden uns ja einig sein, dass hier nur "berechtigte Sicherheitsinteressen" gemeint sein können. Und welche wären das, außerhalb des Territoriums von Russland ?
Ob sich Russland nun bedroht fühlt, hat nicht die Nato oder die USA zu entscheiden.
Niemand entscheidet, ob sich Russland bedroht fühlt oder nicht und auch nicht, ob es sich bedroht fühlen darf oder nicht. Gefühle sind frei. Was allerdings nicht frei ist, sind davon abgeleitete Reaktionen - und da ist es eindeutig, dass Russland kein souveränes Land überfallen darf, nur weil es meint es würde sich "bedroht fühlen".
Der laufende Meter aus dem Kreml würde ein Atomkrieg mit der Nato riskieren, um die eigene Bedrohungslage auf den Westen zu projizieren, also den Spiegel vorhalten wie damals auf Kuba 1962 die USA es taten. Man hätte den ehemaligen Staaten des Ostblocks die EU - Mitgliedschaft anbieten sollen, die hauptsächliche Intention dieser Länder, ohne dafür die Nato als Sprungbrett zu nutzen. Ich glaube nicht, dass sich Russland vor einer Wirtschaftsunion bedroht gefühlt hätte. Folglich wären solche Konflikte auch ausgeblieben.
Die Geopolitische Lage war vor 60 Jahren deutlich anders als heute. Und selbst wenn man davon absieht, die USA sind damals nicht in Jugoslawien einmarschiert. (Jugoslawien, weil dessen gespiegelte geopolitische Position 1962 am Ehesten mit jener der heutigen Ukraine zu vergleichen ist).
Die EU-Mitgliedschaft ist kein Militärbündnis und schon gar keine "NATO light". Ob ein Land in die NATO aufgenommen wird ist Sache der NATO und des Beitrittskandidaten. Drittstaaten haben dabei nichts zu melden. Und auch deine unterstellten Motive bezüglich ihres Beitrittes haben Russland nicht zu kümmern, auch diese sind Sache des Beitrittslandes und seitens der NATO bezüglich Aufnahme zu bewerten.
Russland hat keinen Grund, sich militärisch bedroht zu fühlen, also ist sehr wohl davon auszugehen, dass sich Russland in seiner "Lebensart" bedroht fühlt. Und das auch nicht direkt von außen, sondern von innen durch die Verlockungen des westlichen Lebensstils. Auch Russen müssen sich fragen, warum sich Länder reihenweise von Russland ab- und wem Westen hin zuwenden, wenn sie die freie Wahl haben. Es muss also was "dran" sein, am westlichen Lebensstil, was der russische nicht in gleicher Art bieten kann. Dieser Bedrohung will "der Russe" sodann mit der russischen bzw stalinistischen Art begegnen, nämlich den westlichen Lebensstil durch Zensuir, Propaganda und Unterdrückung auf Distanz halten. Aus diesem Grund hätte Putin gerne wieder diese Pufferzone wie zu Sowjetzeiten, um sein Regime in russischer Manier weiter aufrecht halten zu können. Das Internet und auch sonstige Aspekte der Globalisierung hat der russischen Bevölkerung vor Augen geführt, wie im Westen gelebt wird, und welche individuellen Freiheiten man dort hat. Das lockt natürlich viele (wenn auch nicht alle), und dies ist die eigentliche Bedrohung, die Putin tatsächlich erfährt. Dies zuzugeben ist ihm natürlich unmöglich, denn das wäre ein Eingeständnis, dass es bessere Wege für Russland gäbe als seinen. Also erfindet er irgendwelche hanebüchenen Gründe und betreibt Lügenpropaganda, um sein Volk darauf einzuschwören. Als Kollateralschaden nimmt er auch einzelne Wirrköpfe außerhalb Russlands mit, aber diese nimmt er sicherlich nur allzu gerne in Kauf, denn sie verbreiten seine Propaganda unaufgefordert und kostenlos in der Welt.