Giacomo_S
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Ich wollte vor allem auf dieses Phänomen aufmerksam machen und wie viel Potential allgemein in Pilzen steckt.
Pilze sind unter vielen Aspekten eine abenteuerliche Angelegenheit.
Bekanntlich können sie fiese und tödliche Gifte enthalten, aber auch sehr wirksame (und interessante) Drogen.
Gerade ist Pilzsaison, und es ist ein gutes Pilzjahr, denn es war relativ warm und feucht. Mein Küchenchef kauft Steinpilze ein ... die sind teuer, da sie sich nach wie vor nicht züchten lassen und nur wild vorkommen. Umso teurer verkaufen wir sie, und auch wenn es nur wenige Gäste sie bestellen (Salat mit gebratenen Steinpilzen), so macht es mir eine Freude, solche Gäste überhaupt zu haben, zumal im Mittagsgeschäft.
Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sind Pilze allerdings so gut wie unbedeutend. Sie enthalten nichts, was man nicht auch anders bekäme, sind schwer verdaulich und wenn man genau hinschaut (mit den heutigen Toiletten kaum noch möglich), dann sieht man: Man kackt sie aus, wie man sie aß, und aha, da sind sie ja wieder, die Pilze.
Pilze sind eine reine Geschmackszutat, eher wie Gewürze, und dennoch gibt es Menschen, die Pilze wirklich lieben.
Ich mag es, solche Waren zu verarbeiten.
Auch kulturhistorisch sind Pilze spannend.
Für die Römer galten Pilze als Teufelswerk: Mal kann man sie problemlos essen, mal krepiert man elendiglich an ihnen. Sogar einzelne Cäsaren verstarben an Pilzmahlzeiten. In der (spärlichen) mittelalterlichen Kochbuchliteratur fehlen Pilze gänzlich. Das Wissen über ihre Genießbarkeit und Unbedenklichkeit war noch nicht ausreichend entwickelt, und man ließ lieber die Finger von ihnen - zumal sich die Kochbücher des MA ausschließlich an die gehobensten Kreise (politisch, klerikal) richten.
Das Wissen über die Essbarkeit von Pilzen wurde über Jahrhunderte "von unten" entwickelt und wahrscheinlich auch nur deshalb, weil es für diese Kreise auch sonst nicht viel zu beißen gab. Ansonsten den Hungertod vor Augen, riskiert man eben vllt. auch den Tod durch einen Giftpilz.
Aber selbst heutzutage ist abseits der gängisten Wildpilze nicht immer eindeutig klar, ob ein Pilz essbar ist oder nicht. Manche Pilzbücher stufen einen Wildpilz als "leicht giftig" ein, den ein anderes als "bedingt guter Speisepilz" bezeichnet. Es gibt Pilze, die man einmal essen darf und dann nie wieder und welche, für deren Genuss man vorher wie nachher für ein paar Tage keinen Alkohol trinken darf (weil sie den Alkoholabbau in der Leber blockieren).
So detailliertes Wissen über Wildpilze gibt es überhaupt nur über die Pilze in Europa. Über die Pilze Amerikas, vor allem auch Südamerikas ist weit weniger bekannt - und folgerichtig spielen sie in den Küchen auch keine Rolle. Mal abgesehen davon, dass es in Amerika auch mit den europäischen Bäumen eingeschleppte Wildpilze gibt, den Steinpilz etwa.
Gastronomisch spielt das keine Rolle, kein Gastwirt wird solche Wagnisse eingehen, zumal solche Waren auch normalerweise gar nicht verfügbar sind. Man bleibt auf der sicheren Seite, und daher gibt es praktisch nur zwei Wildpilze im gastronomischen Angebot (Steinpilz, Pfifferling). Um nicht vom Trüffel zu sprechen, aber der Trüffel stammt mittlerweile aus Zuchten (Spanien).