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Politischer Diskussionsstil

Ich spinne mal den "Sachfaden" weiter

Also, ich denke mal weiter, also, wenn die Wirklichkeit, die uns umgebende Umwelt und das Geschehen in ihr zwar mittels Beschreibung in Sprache „objektiv“ und daher wahr wiedergebbar wäre, wird Sprache – wie wir alle wissen – das nicht leisten können. Zu sehr wird sie von den Sprechern mitgeformt, ihrer Weltsicht, ihren Absichten, die den Sprechakt entscheidend mitformen.
Es gibt aber trotzdem eine Art intersubjektive Wahrheit, denn sonst verstünden wir einander ja nicht. Peter Bichsels „Kindergeschichte“ umformend, möchte ich sagen, dass ein Tisch eben ein Tisch für alle Sprecher ist. Und wenn der kleine Herr Moritz ihn auch Spiegel nennt, den Spiegel Tisch usw, wird e r wissen, wovon er spricht; aber kein anderer.

An diesen intersubjektiven Wirklichkeitsbegriff muss sich natürlich auch ein Politiker halten.
Wenn er Atomkraftwerk sagt, wird er auch faktisch eines meinen müssen.

Wenn er Sicherheit sagt, wird es schon schwieriger.

Ich meine damit, dass es umso schwieriger sein wird, Abstrakta oder hypothetische Konstrukte präzise und genau wieder zu geben, je verschwommener der intersubjektive Wirklichkeitsbegriff ist.

Und wenn ich nun noch – als Politiker eine Pflichtübung – meine Worte persuasiv , als Mittel der Überzeugung- setzen muss, wird die politische Rede an sich ein schwieriges Unterfangen.

Wen will der Politiker überzeugen? Eine möglichst breite Zuhörerschaft! Und jeder soll das hören, was ihm wünschenswert erscheint.

Und deshalb muss der Politiker verschwommen reden, um möglichst viel Spielraum für die vielen subjektiven „Wahrheiten“ der Zuhörer zu lassen. Der Politiker will ja, dass er von vielen verstanden wird.

Und das scheint der Grund zu sein, warum ( mir) das Geschwafel der Politiker aller Coleurs so auf den Geist geht.
Sie dreschen Phrasen, Phrasen, Phrasen.
Der eine tut es, indem er möglichst die Leitlinien für Funktionärsinformationen wiederholt ( ob das wohl unser Gusi ist ?), der andere sagt in aller Klarheit, dass er das, was er gestern gesagt hat, nicht gesagt hat ( Ihr wisst, wen ich meine), der dritte sagt mit tausend Wenn und Aber, dass er und seine Partei ein Glücksfall für Österreich sei.
Und der Herr Professor* setzt gekonnt seinen Intellekt ein, um den politischen Gegner als einen Belächelnswerten darzustellen.
Bla bla bla.... * Alexander van der Bellen / Parteisprecher unserer Grünen

Und alle wollen nur das Beste für unser Land! Was ich auch glauben möchte. Nach persönlicher Einflussnahme strebt keiner- i wo!

Und alle wollen zu allen sprechen. Und da liegt meines Erachtens der Hund in der Pfeffermühle.
Das geht nicht. Das ging, als im Anfang des 20. Jahrhunderts die Interessenskonflikte der Gesellschaftsschichten offen zu Tage traten, alle sozialistischen Politiker zu allen Arbeitern sprechen wollten und alle Politiker der christlichen Zentrumsparteien zu Menschen mit aufrechter christlicher Überzeugung und alle liberalen Politiker zu gewissen Wirtschaftskreisen.

Heute sind diese zentrierten Wählerschichten Schnee von gestern. Heute gewinnt man eher den Eindruck, dass der Wahlkampf für indifferente Wechselwähler geführt wird.

Und deshalb meine ich: unsere Politiker lügen nicht, informieren nicht einmal direkt falsch, sondern folgen den von mir ausgeführten Sachzwängen, um das Ziel – Maximierung der Wählerschichten - zu erreichen.


Marianne
 
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Marianne, im Grundsatz stimme ich dir zu, doch deine Annahme "Der Politiker will ja, dass er von vielen verstanden wird" halte ich doch für mutig oder gar Wunschdenken. Ich glaube, die wollen nicht, daß wir sie verstehen oder jedenfalls nicht, daß wir sie durchschauen. Damit reduziert sich die Anziehungskraft auf allgemeine Äußerlichkeiten und Sprüche. Eine echte Diskussion will doch keiner - oder hast du schon mal einen gefunden?

Gerade jetzt sieht man das bei Angela Merkel: kaum sagt sie mal etwas in klarer Form und ohne den diplomatischen Schwall und schon geht dem Koalitionspartner die Düse. Parteivize Kurt Beck erklärte am Montag vor einer Sitzung des SPD-Präsidiums: "Das eine oder andere, was die Bundeskanzlerin gesagt hat, war zumindest missverständlich." Was sollen uns diese Worte sagen?

Man beachte:

* das eine oder andere
* zumindest
* missverständlich

Das muß man schon studiert haben!

"Der Politiker will ja, dass er von vielen verstanden wird" sollte eher heißen "Der Politiker will ja, dass er von vielen gewählt wird."

Und der Masse muß man es wohl leicht bekömmlich auf dem Tablett liefern, Instinkte ansprechen, Angst machen und sich selbst als den Retter darstellen, der all die Probleme lösen wird, die es ohne ihn garnicht gäbe.
 
louiz30 schrieb:
Marianne, im Grundsatz stimme ich dir zu, doch deine Annahme "Der Politiker will ja, dass er von vielen verstanden wird" halte ich doch für mutig oder gar Wunschdenken. .


Nun gut - ich kann nur das sagen, was ich in meiner politischen Tätigkeit praktiziert habe.
Ich hatte Euch vorgewarnt.

Marianne
 
Sammelantwort

Zunächst bitte ich um Nachsicht, dass ich nicht auf alle einzelnen Beiträge eingehe. Ich bin z.Zt. auch beruflich etwas stärker eingespannt; so fehlt mir schlicht die Zeit dafür.
Zum Zweiten gestatte ich mir, die Intention des Threads dazulegen. Mir ging es um die Gegenüberstellung des sachlichen zum politischen Diskussionsstils, der letztere strebt im Gegensatz zum sachlichen eben nicht - besonders nicht in Wahlkampfzeiten - die Aufklärung an sondern die Verwirrung, Täuschung und persönliche Herabsetzung des Gegners.
Auch hatte ich nicht die Idee - so hochfahrend maße ich mir nicht an, das Terrain zu beherrschen - über das Problem der Sprachvermittlung durch die Black Box vom Abenser zum Empfänger zu räsonieren, noch viel weniger über Wahrheit zu philosophieren, sondern mir schwebte die Entlarvung, die typischen Worthülsen und die rhetorischen Mittel der Politik vor.
Gern werde ich immer konkret, um mich verständlich zu machen. Beispiel: Man spricht von Sozialreform, wenn ganz klar Sozialabbau und Reduzierung von von Sozialleistungen gemeint ist, deren (Nicht-)Notwendigkeit wir aber bitte hier nicht zum Diskussionsgegenstand machen sollten.
Das nachfolgende Zitat kommt meiner Vorstellung am nächsten:
Miriam schrieb:
Den Thread von Ziesemann habe ich schon als einen Vergleich zwischen dem politischen Diskurs (oft personenbezogen - hauptsächlich in Zeiten des Wahlkampfes) und der Diskussion die auf der Sachebene bleibt...
Der Akzent bleibt hier bei diesem Thema natürlich auf der Analyse des politischen Diskurses, aber unter anderem interessiert dieser auch als eine Art Warnung, die oft personenbezogene Pseudoargumente, nicht auch in's Sachgespräch einfließen zu lassen. Denn das wäre das Ende jeder vernünftigen Diskussion.
... - aber ich bezog mich auf die Fälle in denen deutlich die Netiquette verletzt wurde. Und das wurde anscheinend aus den politischen Debatten übernommen.
Zum Beispiel das Anwenden des Titels Professor, das im Kontext natürlich nur als Häme verstanden werden kann.
Der letzte Satz ist ein gutes Muster. Die für sich genommene, scheinbar höfliche - wenngleich juristisch nicht erforderliche - Anrede mit diesem Titel muss im Kontext der Auseinandersetzung gesehen werden - und dann wird sie, die Anrede oder Bennnung, zur Waffe gegen den Menschen. Anders ist es gar nicht zu verstehen, wenn Angela Merkel stets nur von Paul Kirchhof sprach, während Schröder ihn permanent immer den "Professor aus Heidelberg" nannte.



Louiz30 schrieb:
... Annahme "Der Politiker will ja, dass er von vielen verstanden wird" halte ich doch für mutig oder gar Wunschdenken. Ich glaube, die wollen nicht, daß wir sie verstehen oder jedenfalls nicht, daß wir sie durchschauen. Damit reduziert sich die Anziehungskraft auf allgemeine Äußerlichkeiten und Sprüche. Eine echte Diskussion will doch keiner
Das sehe ich auch so: Sie wollen eben nicht richtig verstanden werden, denn dann wüssten die Bürger, was auf sie zukommt. Deshalb bedienen sie sich der vielseitigen Sprachschablonen und Worthülsen, die mit positiven Assoziationen besetzt sind, wie etwa der mehr als nebulöse Begriff der "sozialen Gerechtigkeit", gegen den für sich genommen natürlich nichts einzuwenden ist. Aber er macht es dem Gegner unmöglich, den anderen sachlich zu kritisieren, weil er nicht weiß, was der wirklich gemeint hat. Ich sage vorsichtshalber nicht, auf wen das gemünzt war, aber Wolfgang Schäuble hat in einem früheren Wahlkampf mal gesagt: "Versuchen Sie mal, einen Pudding an die Wand zu nageln." Ein schönes Bild.

Louiz30 schrieb:
Gerade jetzt sieht man das bei Angela Merkel: kaum sagt sie mal etwas in klarer Form und ohne den diplomatischen Schwall und schon geht dem Koalitionspartner die Düse. Parteivize Kurt Beck erklärte am Montag vor einer Sitzung des SPD-Präsidiums: "Das eine oder andere, was die Bundeskanzlerin gesagt hat, war zumindest missverständlich." Was sollen uns diese Worte sagen?
Man beachte:
* das eine oder andere
* zumindest
* missverständlich
Das muß man schon studiert haben!

Herrlich! Ein prächtiges Beispiel.

Louiz30 schrieb:
"Der Politiker will ja, dass er von vielen verstanden wird" sollte eher heißen "Der Politiker will ja, dass er von vielen gewählt wird."

Nach Wahlen sagen die Vertreter unterlegener Parteien gern: "Die Wähler haben uns nicht richtig verstanden" oder "Es ist uns nicht gelungen, unsere politische Botschaft zu vermitteln" - Wie wäre es mal mit der umgekehrten Deutung: Trotz aller Nebelwerferaktionen hat der Wahlbürger die Botschaft nur zu gut verstanden - und abgelehnt. Es müsste also heißen: Es ist uns leider nicht gelungen, unsere politischen Absichten so zu verpacken und zu umkleiden, dass der Wähler gar nicht merkt, was wir eigentlich wollen.

Miriam hat es zurecht angedeutet, vertiefen möchte ich es nicht, aber so viel sei gesagt: Ich gehe mit Louiz30 kürzlich geäußerter Meinung einig, dass eine große Zahl von Beiträgen - ich habe z.B. aus der von ihm begonnen Diskussion über Evolution und Kreation enorm viel gelernt - hier im Forum auf einer sachlichen Ebene bleiben (sonst wäre ich schon längst nicht mehr hier). Aber es gibt leider auch zur Verunglimpfung der Person (nicht des Arguments) die Bedienung mit den schäbigen Mitteln aus dem Arsenal des politischen Kampfes.
Nur noch als abschließende Randbemerkung - to whom it may concern: Das Altersargument ist in der aristotelischen Logik nicht vorgesehen. - In einem Wahlkampf in B-W sagte die Herausforderin (es war eine "Sie") des Ministerpräsidenten einmal wörtlich: Mir gegenüber sieht er ziemlich alt aus.
Zur Ehrenrettung iher Partei sei gesagt: Viele daraus distanzierten sich. Aber es war ein Muster, wie und auf welcher Ebene politische Auseinandersetzungen geführt werden (können). - Aber doch bitte nicht hier im Forum.

Gruß - Ziesemann
 
Es ist doch sehr merkwürdig, Ziesemann, dass Dir zu meinen Posts keine direkte Replik eingefallen ist. Ich bin mir keiner _wie Du sonst meine Posts immer bezeichnest _ Frechheit bewusst.
Könnte es sein, dass ich zu wenig auf das Forenleben und zu viel auf die sprachphilosophische Sicht Deiner Fragestellung eingegangen bin.

In diesem Sinne: stammtischelt weiter ....

Marianne -
 
Ich habe jetzt - post drüber - mit voller Absicht eine verbale Aktionsfigur aus dem politischen Sprachspiel ( Lyotard - auf Wittgenstein basierend) angewendet.
Wer lesen kann, der lese.
Nicht, um jemanden Bestimmten der Stammtischmentalität zu bezichtigen, sondern - um einmal praktisch vorzuführen, wie zwei Regeln in diesem Spiel angewendet werden können:
a)anscheinende Sachreplik
b)Lächerlichmahung des politisch anderen durch Ironie und Verdächtigung, die allgemein formuliert wird.


Ich hoffe, ich habe wenigstens so sachbezogen reagiert.


Marianne
 
Marianne schrieb:
Es ist doch sehr merkwürdig, Ziesemann, dass Dir zu meinen Posts keine direkte Replik eingefallen ist. Ich bin mir keiner _wie Du sonst meine Posts immer bezeichnest _ Frechheit bewusst.
Marianne -
Niemals, noch nie habe ich den Beitrag irgendeines Forumsteilnehmers oder gar sein Verhalten als "Frechheit" bezeichnet. So etwas läge gänzlich außerhalb meines Sprach- und Schreibstils.

Im Übrigen bitte ich um Information, ob es im Forum eine rechtlich-moralische Verpflichtung gibt, auf "Posts" zu antworten.

Ziesemann
 
Ziesemann schrieb:
Niemals, noch nie habe ich den Beitrag irgendeines Forumsteilnhmers als "Frechheit" bezeichnet. So etwas läge gänzlich außerhalb meines Sprach- und Schreibstils.

Im Übrigen bitte ich um Information, ob es im Forum eine rechtlich-moralische Verpflichtung gibt, auf "Posts" zu antworten.

Ziesemann

Zitat Marianne:

Es ist doch sehr merkwürdig, Ziesemann, dass Dir zu meinen Posts keine direkte Replik eingefallen ist. Ich bin mir keiner _wie Du sonst meine Posts immer bezeichnest _ Frechheit bewusst.

Man muss ja nicht öffentlich einen Beitrag als Frechheit bezeichnen, gell:clown2:
 
Danke, Ziesemann - Du gehst voll auf mein Experiment ein.


Sprachspielmethoden - einige weitere:

Den Gegner ablenken
Unwesentliches aufbauschen
Im Namen der Sache persönlich werden]
Das ist der Passus, in dem Du die rethorsiche Frage stellst, ob es hier eine moralisch/rechtliche Verpflichtung zur Beantwortung von Posts stellst.



Ziesemann, Du weißt, wo Du meine Beiträge als Frechheit - oder so ähnlich halt- bezeichnet hast.
Ich bin neugierig, ob ich weitere Sprachspielbausteinchen in Deinen Repliken entdecken und so unseren jüngeren Usern ein Beispiel politischer Rethorik vorführen kann. .Aber eigentlich habe ich keine Lust mehr dazu, denn die Wiederholung ist nicht immer die Mutter der Porzellankiste, sonder führt zur Langeweile.


Marianne


Mensch, lachen Se doch mal, Herr Professor!
 
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baerliner schrieb:
Man muss ja nicht öffentlich einen Beitrag als Frechheit bezeichnen, gell:clown2:
Muss man nicht - aber auch privat nicht.

Marianne schrieb:
Ziesemann, Du weißt, wo Du meine Beiträge als Frechheit - oder so ähnlich halt- bezeichnet hast.

nein, auch "oder so ähnlich halt" (ach, jetzt ist es nur noch "ähnlich?) habe ich das nie getan - auf persönliche Angriffe entgegne ich grundsätzlich nicht. Auch jetzt nicht.

Darf ich daran erinnern: dass es in diesem Thread nicht um Ziesemann geht, was er vielleicht, angeblich so "oder so ähnlich" privat oder öffentlich gesagt haben könnte sondern um die Gegenüberstellung von sachlichem und politischem Dikussionsstil.

Oder sollte dies nur ein Beispiel für unsachlichen Stil werden?
Dann bitte jetzt wieder zurück zur Sachlichkeit.
Ziesemann
 
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