Rundschreiben Nr.: 2
Werte Damen und Herren, die Sie z.Zt. noch unter den Lebenden weilen,
aufgrund der übergroßen Nachfrage an meinen Särgen, sehe ich mich leider gezwungen, Ihren Anfragen mittels Rundschreiben nachzukommen mit der Bitte, mir und meinem Institut (Familienunternehmen seit 1872) diese wenig formvollendete Art der Beantwortung nachzusehen.
Liebe Frau Wurm,
ich weiß nicht, ob ich es bisher schon einmal erwähnte, aber unser Haus kann auf eine Tradition zurück blicken, wie kaum eines dieser Branche. Bereits seit 1872 existiert unser Institut und ich bin stolz darauf behaupten zu dürfen, dass sein Ruf der beste ist. Unsere Produkte sind aus besten, ökologisch unbedenklichen Rohstoffen gefertigt und unsere Bestattungszeremonien sind im gesamten westfälischen Raum, mindestens jedoch in Herford, bekannt, beliebt und werden immer wieder gerne in Anspruch genommen.
Mit Scheintoten und Wiedergängern hatten wir bisher kaum Probleme, da wir die Zustände "Scheintod" und "Wiedergang" prinzipiell leugnen. Sollte sich jedoch wider Erwarten ein Verstorbener als scheintot entpuppen, oder sich wieder auf den Weg zu seiner Familie machen, so sind meine Mitarbeiter willens und fähig, den Scheintoten dahingehend zu "überreden", seine ihm von der Familie und dem Arzt zugedachte Rolle als Toter freiwillig und überaus überzeugend zu spielen.
Wiedergänger verlieren durch unsere fachmännische Behandlung jedwede Lust auf's Gehen, da die Zementmasse, mit der wir den Sargboden bestreichen, zu den schnell trocknenden gehört. Ebenso stellt die schwere Granitplatte, die wir auf das Grab legen, Scheintote und Wiedergänger erfolgreich ruhig.
Falls Sie es jedoch wünschen, statten wir Ihren Sarg natürlich gerne mit einem kleinen Plexiglas-Guckloch und einem Schnorchel aus. Allerdings muss ich zugeben, dass beides herausgeworfenes Geld ist, denn wer will sich schon von unten eine Granitplatte oder viele Kubikmeter Erdreich ansehen. Da der Schnorchel nicht aus dem Sarg herausragt, erfüllt er auch kaum den von Ihnen erhofften Zweck.
Liebe Frau Wurm, bisher waren alle unsere Kunden sehr zufrieden mit uns. Selbst bei nachträglich durchgeführten Exhumierungen, kamen den Pathologen oder Gerichtsmediziner nie irgendwelche Klagen unserer Kunden zu Ohren.
Ich kann sie beruhigen. Wer einmal in einem unserer Särge liegt, kommt dort ganz sicher nicht mehr heraus.
Liebe Frau Schallundrauch,
es freut mich, dass Ihnen mein Angebot zusagt.
Was mein Tanzen angeht, so möchte ich ehrlich zu Ihnen sein. Ich trage bei den Pas de deux, die ich gerne allein am offenen Grab tanze, das Ballett-Trikot meines Großvaters, der für seine tänzerischen Darbietungen berühmt war. Dass sich meine Weichteile in der Hose zu stark abzeichnen, brauchen Sie nicht zu befürchten. Ohne allzu intim zu werden, möchte ich doch andeuten, dass ich leider das Opfer einer Laune der Natur wurde. Und weil das so ist, trage ich, mangels Masse, beim Tanzen eine süße, puschelige, aber dennoch kräftige Hasenpfote für gewöhnlich dort, wo sich bei anderen Tänzern die Weichteile abzeichnen. Sie sehen, ich vermeide bei Bestattungen jede Form von Peinlichkeit.
Was das Probeliegen angeht, so biete ich Ihnen als Termin den nächsten Donnerstag an. 14.30 Uhr würde mir sehr gut passen. Wir werden sicher viel Spaß miteinander haben.
Edler Herr von Hohenholte,
meine Mitarbeiter und auch ich fühlen uns zutiefst geehrt, dass Sie eine Bestattung durch unser Haus in Betracht ziehen.
Angehörige des Adels oder Hochadels erfreuen wir immer wieder gerne mit einem, der Beisetzung vorausgehenden, Singspiel in 3. Akten.
Die Handlung spielt auf einem mittelalterlichen Markt, wobei wir den Verstorbenen aktiv am Geschehen teilnehmen lassen. Sein Sarg, eigentlich eine Eiserne Jungfrau, wird zum zentralen Mittelpunkt der Handlung. Ich übernehme immer sehr gerne die Rollen des Heroldes, die der Prinzessin, sowie die des Scharfrichters. Manchmal tanze und singe ich auch dabei, grad so, wie meine Laune und Stimmung es will.
Nachdem ich meine Darbietungen vor dem Verstorbenen in der Eisenen Jungfrau und den Angehörigen beendet habe, lasse ich den Sarg gerne von meinen Mitarbeitern, die als Raubritter zu Pferde kommen, "stehlen", während ich die Trauergemeinde zu Protestrufen, wütendem Geschrei und der Verfolgung der schnöden Entführer annimiere, die natürlich am geöffneten Grab endet.
Nachdem Feuerschlucker, "Menschen ohne Knochen" und der Tanzbär ihre Vorstellungen beendet haben, wird der Sarg, unter Absingen zotiger Minnelieder, langsam in die Grube hinabgelassen.
Na, Herr von Hohenholte, wäre das eine Beisetzung nach Ihrem Geschmack? Ist sie nicht ausgesprochen stil- und pietätvoll und doch von hohem Unterhaltungswert?
Über einen positiven Bescheid Ihrerseits freut sich
Suitbert Mannteufel (Familienunternehmen seit 1872)