Hallo!
Ich will zunächst auf Lilith eingehen. Bei Lilith hat mir schon immer gefallen, dass sie Dinge persönlich formuliert - und gerade dadurch zu allgmeiner Wertigkeit erhebt. So kann man sich auseinandersetzen, obwohl man von ganz verschiedenen Seiten kommt.
Darauf weise ich auch in meinen Beiträgen immer wieder hin, wenn ich sage, ich muss in der Betrachtung der Welt von MIR aus gehen, ich muss alles ganz persönlich nehmen.
Also ich muss es einfach von mir aus sagen: Mir haben Wissenschaften sehr viel über das Leben und die existientiellen Fragen mitgeteilt. Mehr als alles andere. Zum Großteil die Sozialwissenschaft, mit der ich mich vornehmlich befasse - aber auch die Naturwissenschaften, von der Biologie bis zur Hirnforschung. Natürlich habe ich nicht selbst geforscht. Doch als Beobachter von wissenschaftlicher Forschung bin ich in höchstem Maße beeindruckt - von der Fähigkeit, Erkenntnisse zu erlangen - und diese dann wieder zu verwerfen - oder zu verfeinern.
Wenn ich also sage: Die Wissenschaft sagt mir etwas über Gott - und über die Liebe - und über den Ursprung. Dann bin ich z.B. mit Lilith konform, obwohl die Aussagen über diese Themen sicher sehr unterschiedlich sind - wenn überhaupt.
Damit komme ich zu diethelm.
Ich sehe die Wissenschaft ebenfalls als ein System an - so wie ich Religion als ein System ansehe - so wie ich Kunst als System ansehe.
Alle drei Systeme sind in gewisser Weise der Wahrheit auf der Spur. Für den einzelnen Menschen mag es starke Präferenzen geben, mit welchem System er der Wahrheit zuleibe rückt. Wenn wir jedoch auf den Einfluss, die Veränderungen sehen, müssen wir wohl zugeben, dass die Wissenschaft den erdrückensten Einfluss ausübt. Sie scheint übermächtig, oft undurchsichtig und beängstigend, wie muzumz sagt. Woher kommt das?
Nun, ich denke, das kommt aus der Tatsache, dass die Wissenschaft im Gegensatz zu Kunst oder Religion, in der Lage ist, die Energie aus sich selbst zu schöpfen. Der Zweifel - bei der Religion der traditionelle Killer - ist bei ihr der Antrieb. Die Erkenntnis ist immer nur Zwischenstation. Sie schafft Erkenntnis, um Erkenntnis zu zerstören, um Erkenntnis zu zerstören. Und sie beeindruckt dadurch, dass man sich gerade deswegen auf sie verlassen kann, weil sie so unstetig ist.
Papst Benedikt hat das Ende des Relativismus verkündet. Es soll wieder nur eine Wahrheit geben. Sein Problem: Er ist von Gott verlassen. Denn die Religion, die die Kraft nicht aus sich selbst schöpfen kann, bräuchte Gott. Der aber zeigt sich nicht. Weder darin, Gutes zu tun, noch Kraft irgendwelcher Wunder. So muss die Religion entkräftet auf längst Vergangenes verweisen
Natürlich wenden sich Leute vom Papst ab und suchen die Kraft der Religion im Privaten. Doch auch dann müssen sie zugestehen: Der Glaube fordert, mindestens ebensoviel, wie er gibt.
Die Wissenschaft dagegen ist selbstlos. Sie gibt, ohne zu verlangen. Sie genügt sich Kraft ihrer Eigendynamik. Wissenschaftler sind wie Mönche. Sie wollen forschen und meist genügt ihnen das. Sind Wissenschaftler denn so eitel wie Künstler? So unlauter wie Politiker? So selbstgerecht wie Gurus? Ich behaupte: Sie sind noch nicht einmal so gewissenlos wie Geschäftsleute.
Ist es nicht oft eine Erholung, wenn ein Wissenschaftler die Stimme erhebt, wenn alle anderen ihrer Aufgeregtheiten zu einem Thema in der Medienwelt abgegeben haben? Ich jedenfalls empfinde es oft so.
Noch nicht recht wurde in diesem Thread zwischen angewandter und theoretischer Wissenschaft unterschieden. Viel zu schnell wird die theoretische Wissenschaft, die sich also mit den Grundlagen der beobachtbaren Realität auseinandersetzt, mit der gesamten Wissenschaft gleichgesetzt. Wenn behauptet wird, es gäbe keinen freien Willen oder die DNA sei spontan in der Ursuppe entstanden, ist die Aufmerksamkeit groß. Aber warum dann gleich auf die ganze Wissenschaft schimpfen? Ist das die Stärke der Wissenschaft, solche Fragen zu klären? Oder sind nicht die meisten großen Fragen quasi als Abfall der täglichen wissenschaftlichen Arbeit entstanden? Jener täglichen Arbeit, die uns all die technischen Wunderdinge beschert, die uns allzu selbtverständlich geworden sind und die wiederum die Selbstlosigkeit der Wissenschaft demonstriert. Sie schenkt, ohne etwas zu wollen. Sie will keinen Glauben, keine Dankbarkeit, keine Macht. Sie will nur - weiterforschen...
Mir ist das sympathisch. Mir ist das - unheimlich. Denn natürlich kann diese Selbstgenügsamkeit zur Blindheit führen und natürlich gibt es auch im System Wissenschaft Missbrauch, Betrug und Eitelkeiten.
Das Entscheidende aber ist: Ich glaube tatsächlich, dass die Wissenschaft noch der Bereich der Gesellschaft ist, wo es tatsächlich Fortschritt geben kann. Selbst die Kunst scheint in eine Sackgasse ihrer Entwicklung gekommen zu sein. Politik, Gesellschaft, Philosophie, Religion - alles ist erstarrt oder verweist zirkulär auf Vergangenes, dass dann als Post-, Spät-, oder Neu-Irgendwas wiederverkauft wird. Die Wissenschaft aber bietet wirklich noch Neuheiten. Und könnte dadurch das einziges System sein, dass noch die Kraft besitzt , Probleme zu lösen. Sollten wir uns nicht schon deshalb mit ihr anfreunden, weil wir sie brauchen, weil wir von ihr abhängig sind, weil wir sie nicht mehr los werden - weil sie die Hoffnung ist...?