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Lieblingsgedichtssammlung

AW: Lieblingsgedichtssammlung

Die kalte Zone

Unkepunz, der sonst erfahrne Mann,
hub nun auch zu denken an.

Denken ist soweit ganz angenehm.
Unkepunz errichtet ein System.

Kants mit Recht berühmtes Ding an sich
deucht ihn nur ein Punkt im Ich.

Darum sitzt er nun und meditiert,
ob er selber existiert.

Sitzt. Im Winter hinterm Kachelofen.
Denn ihn friert, wie andere Philosopfen.

Moritz Jahn

:verwirrt1.:katze:
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

Der Löwe und die Mücke

Ein junger Held vom muntern Heere,
Das nur der Sonnenschein belebt,
Und das mit saugendem Gewehre
Nach Ruhm gestochner Beulen strebt,
Doch die man noch zum großen Glücke
Durch zwei Paar Strümpfe hindern kann,
Der junge Held war eine Mücke.
Hört meines Helden Taten an!

Auf ihren Kreuz- und Ritterzügen
Fand sie, entfernt von ihrer Schar,
Im Schlummer einen Löwen liegen,
Der von der Jagd entkräftet war.
Seht, Schwestern, dort den Löwen schlafen,
Schrie sie die Schwestern gaukelnd an.
Jetzt will ich hin, und will ihn strafen.
Er soll mir bluten, der Tyrann!

Sie eilt, und mit verwegnem Sprunge
Setzt sie sich auf des Königs Schwanz.
Sie sticht, und flieht mit schnellem Schwunge,
Stolz auf den sauern Lorbeerkranz.
Der Löwe will sich nicht bewegen?
Wie? ist er tot? Das heiß ich Wut!
Zu mördrisch war der Mücke Degen:
Doch sagt, ob er nicht Wunder tut?

»Ich bin es, die den Wald befreiet,
Wo seine Mordsucht sonst getobt.
Seht, Schwestern, den der Tiger scheuet,
Der stirbt! Mein Stachel sei gelobt!«
Die Schwestern jauchzen, voll Vergnügen,
Um ihre laute Siegerin.
Wie? Löwen, Löwen zu besiegen!
Wie, Schwester, kam dir das in Sinn?

»Ja, Schwestern, wagen muß man! wagen!
Ich hätt es selber nicht gedacht.
Auf! lasset uns mehr Feinde schlagen.
Der Anfang ist zu schön gemacht.«
Doch unter diesen Siegesliedern,
Da jede von Triumphen sprach,
Erwacht der matte Löwe wieder,
Und eilt erquickt dem Raube nach.

Gotthold Ephraim Lessing
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Deutsche Frühlingsnacht

Das,
das...das
ist nun...dein...Leben

Der Tisch
die Bücher...und...die Lampe.

Der
kleine Lichtkreis
und
im Hirn:
die Welt...ist...bitter!

Hat das
noch "Sinn"?...Hat das...noch "Zweck"?
"Lohnt" sich
das?

Ich
öffne...müde das
Fenster.

Weiße Wolken
schwimmen am Mond vorbei,
aus dunkelen Gärten
klingt Musik.

Die
Brunnen rauschen.

Ah!
Frühlingsnacht! Frühlingsnacht!

Süße,
deutsche...mildweich...holde
Frühlingsnacht!

Noch immer,
unausschöpfbar, rätseltief,
mit
lauen, linden,
wonnig schmeichlerischen Armen,
trostreich,
umstrickt mich...dein Liebreiz!

Noch immer,
berauschend, berückend,
sinnverwirrend,
betören mich...deine Wunder!

Noch immer,
innigst,
rührt mich...dein ...
Zauber!

......................

ARNO HOLZ
 
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DER UNFALL

Es sprach das Gehirn erschüttert
zur Nase: "Du blutest stark!"
Es sagte der Hut verbittert:
"Ich bin total zerknittert
und war auf Seide gefüttert
und kostete dreißig Mark!"

Es sagte das Auge verschwommen:
"Ich fühle mich wieder frei.
Das Ganze wird uns gut bekommen;
das Herz ist nicht entzwei!"

Das Herz sagte: "So was kommt vor.
Vor allem aber lebt unser Humor,
und deshalb werde ich nun
in eurem Namen Gott innig danken,
wie das die Erschreckten und Kranken -
leider fast nur die - tun!"


Joachim Ringelnatz
 
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Die Zeit

Die Zeit zerstört und baut Paläste,
Streut bunte Blumen auf die Flur:
Verschlingt des Nachruhms Ueberreste,
Und lässt dem Enkel keine Spur:

Mit unersättlichem Behagen
Nagt sie am Denkmal mancher Gruft;
Zwar mildert sie des Unmuths Klagen
Durch sie zerfliesst der Gram in Luft.

Oft nährt, oft löschet sie die Flamme,
Die Leidenschaft im Busen birg't;
Oft untergräbt sie schlau am Damme
Womit Vernunft entgegen wirkt.

Sie kann, was Menschen selten können,
Sie setzet Schranken jedem Schmerz,
Vereint oft, was die Menschen trennen,
Giesst Balsam in das wunde Herz.

Zwar wieget sie die stärksten Triebe
In Schlummer ein, nach Sturm und Braus;
Doch die Erinnrung Erster Liebe
Tilgt selbst die Ewigkeit nicht aus!


Gabriele von Baumberg
http://de.wikipedia.org/wiki/Gabriele_von_Baumberg

 
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Mit der Freude zieht der Schmerz

Mit der Freude zieht der Schmerz
traulich durch die Zeiten.
Schwere Stürme, milde Weste,
bange Sorgen, frohe Feste
wandeln sich zur Seiten.
Wars nicht so im alten Jahr?
Wirds im neuen enden?
Sonnen wallen auf und nieder,
Wolken gehn und kommen wieder,
und kein Wunsch wirds wenden!
Jedem auf dem Lebenspfad
einen Freund zur Seite,
ein zufriedenes Gemüte
und zu stiller Herzensgüte
Hoffnung ins Geleite!


Johann Peter Hebel
(* 10. Mai 1760)
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Peter_Hebel
 
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Eugen Roth

Das Schnitzel
Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet.
Bemerkte, daß ihm dies mißriet.
Doch, da er es sich selbst gebraten,
Tut er, als sei es ihm geraten,
Und, um sich nicht zu strafen Lügen,
Ißt er's mit herzlichem Vergnügen!
:schleck:.:katze3:


:doof:
 
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Janosch

Das Liebesbrief-Ei

Ein Huhn verspürte große Lust
unter den Federn in der Brust,
aus Liebe dem Freund, einem Hahn zu schreiben,
er solle nicht länger in Düsseldorf bleiben.
Er solle doch lieber hier - zu ihr eilen
und mit ihr die einsame Stange teilen,
auf der sie schlief.
Das stand in dem Brief.

Wir müssen noch sagen: Es fehlte ihr an gar nichts.
Außer an Briefpapier.
Da schrieb sie ganz einfach und deutlich mit Blei
den Liebesbrief auf ein Hühnerei.
Jetzt noch mit einer Marke bekleben
und dann auf dem Postamt abgeben.

Da knallte der Postmann den Stempel aufs Ei.
Da war sie vorbei,
die Liebelei.

 
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