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Robin
Guest
Ziesemann schrieb:Wenn wir über die DDR ernsthaft diskutieren wollen, dann geht das nicht an Hand von Einzelerscheinungen, sondern es bedarf schon eines gewissen Hintergrundwissens, um zu fundierten Urteilen zu kommen.
Ich möchte dem widersprechen, denn der Thread-Titel lautet ja nicht: Welches System war besser? (und das wurde ja schon woanders diskutiert) sondern: Lebt die DDR weiter?
Und da sind persönliche Erinnerungen von Menschen, die das System erlebt haben, ohne ein spezifisches ökonomisches Hintergrundwissen zu besitzen (etwa aufgrund welcher Verschuldung man so lebte, wie man lebte) nicht nur wichtig, sondern eventuell entscheidend.
Denn die so genannte kollektive Erinnerung der DDR-Bürger kann ja nur der Augangspunkt eines Weiterlebens der DDR sein.
Ich persönlich bin zufällig - genau wie wirrlicht - in eine Familie mit DDR-Vergangenheit eingeheiratet. Und in den Erzählungen aus der Zeit spielen ökonomische Fakten nur eine sehr geringe Rolle. Bzw. nur in dem Sinne, dass man verglich, was es hier oder drüben gab. Die materielle Situation meiner Familie war erbärmlich, wahrscheinlich schlimmer als im DDR-Durchschnitt aus Gründen, die ich hier nicht weiter ausbreiten will. Dennoch spielte das Materielle nicht die Hauptrolle, viele andere Faktoren sind entscheidend, die man nur aus der persönlichen Erzählunge begreifen kann.
Ich bin sowohl dagegen, jegliche menschlichen/gesellschaftlichen Attribute aufs ökonomische zu reduzieren. Wie auch aus westlicher Sicht pauschal über ehemalige DDR-Bürger zu urteilen.
Ich denke, die DDR lebt in der kollektiven Erinerung weiter - als Teil einer Ambivalenz, mit der viele Ossis ihre jetzige Realität erleben. Aber auch als Teil einer Ambilvalenz, wie ich die jetzige Realität erlebe. Denn es ist wirklich interessant und bleibt nicht ohne Einfluss, wenn man sich so nahe in eine solche soziale Gemeinschaft einlässt und eventuell kein reiner Zufall, dass man es tut.
Wenn die Diskussion in diese Richtung weitergeht, plädiere ich dahin, endlich auf diese marxistischen Begriffe zu verzichten, denn sie verschleiern die Realität. Die DDR war eine Diktatur, die versuchte alle Gesellschaftsbereiche zu steuern und zu unterdrücken, vor dem Hintergrund der höchst fragwürdigen Annahme, dass sich der Mensch vor allem über seinen ökonomischen Zustand definiert. Die Beobachtung zeigt aber schon seit langem, dass Menschen sich über ihre Teilhabe an den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen (Kunst, Wissenschaft, Erziehung, Wirtschaft, Recht usw.) definieren, die sich jeweils eigendynamisch entwickeln.Ja, die wichtigste Produktivkraft sind die Menschen mit ihren Produktionserfahrungen, Arbeitsfertigkeiten und ihrer Bildung.
Weiter gehören zu den Produktivkräften die Produktionsmittel (Maschinen, Computer, Rohstoffe, Energie etc.), die Leitung, Organisation und Technologie der Produktion und nicht zuletzt die (angewandte) Wissenschaft.
Wenn wir den Menschen weiterhin nur als Opfer seiner ökonomie sehen, wie sollen wir dann theoretisch mit Zuständen umgehen, die in naher Zukunft auf uns zukommen, wenn etwa der Technikfortschritt den Grossteil der Arbeit überflüssig macht?
Die Gesellschaft ist hier (vielleicht noch ohne das es ihr bewusst ist) schon auf dem Weg in eine ganz neue Phase, die man mit dem Gegensatz Sozialismus/Marktwirtschaft nicht mehr angemessen beschreiben können wird!