Leute, mir ist heute so eklig zumute...lag's an den Kultsofas? Die kannte ich übrigens schon, was Geschmacklosigkeit betrifft, bin ich ja immer ganz vorn dran. Nicht nur, dass die echt eklig sind, sie sind bestimmt auch so mies verarbeitet, dass man sie bei der ersten Beturnerei zusammenbrechen und ansonsten ekligst vor sich hin fusseln.
Apropos eklig: Vorhin erzählte mir jemand an der Kasse der Kantine einen Stierhodenwitz. Ja. Man steht da an der Kasse, nach einem wenig Mut machenden Tausch Geld gegen Essen und bekommt einen Stierhodenwitz erzählt. Nicht besser macht es die Tatsache, dass die Kassiererin, eine ehemalige Profisumoringerin, davon Zeuge wird. Als Entschuldigung für den Stierhodenwitzeerzähler mag vielleicht herhalten, dass er in DDR einige Jahre im Knast saß und seitdem etwas zwanghaft veranlagt ist. Zwanghaft witzerzählend.
Auch war es ja in der DDR grundsätzlich ein wenig eklig. Das konnte man erleben, wenn man kurz nach der Wende in eine der vielen leerstehénden Wohnungen einbrach, so wie ich einst in Halle. Die Zimmer wie fluchtartig verlassen, wichtige und noch gültige Dokumente zwischen Bild und Blitz-Illu-Zeitungen in der Ecke und überall dieses Plaste und Elaste, halb abgerissen von Wänden, verklebt in Schränken, Koffern und elektrischen Geräten, MIEF wörtlich zu nehmen, woran natürlich nicht der DDR-Bürger schuld war, sondern das SYSTEM.
Mit Mief wird man das wohl kaum umscheiben dürfen, was man in Bautzen erleben durfte, daher auch weiterhin größte Toleranz von mir für den Stierhodenwitzeerzähler.
Vom Mief im Osten erzählt auch Sibylle Berg, die nichts dafür kann, dass sie einen Namen hat wie eine Amica-Sex-Kolumnistin ("Sex zu dritt - zwischen Phantasie und bösem Erwachen") und die auch eine Vorliebe für das Eklige an sich hat. Jetzt höre ich Stimmen, die sagen, sie wollen sowas hier nicht lesen - ich sage, ein denkforum ist nunmal keine Krabbelgruppe. Also, ich mag die Sibylle irgendwie, auch wenn sie manchmal ein bisschen polarisiert, aber das Leben ist nun mal keine Thai-Massage. Sie operiert direkt am offenen menschlichen Gefühl und schneidet auch da weiter, wo andere Chirurgen sagen: Stopp, zuu gefährlich. Und dabei schält sie nette Sätze aus der Materie, z.B.: "Paare sind, wenn einzelne Menschen aufhören zu existieren."
Na ja. Klingt so für sich auch nicht nach so viel, aber ist ansonsten gemühtsfördernd.
Sibylle Berg schreibt nicht so dicke Bücher wie die Amerikaner immer, warum eigentlich nicht? Oder warum schreiben die Amis immer so dicke Bücher zur Zeit? Die haben immer mordswas zu stemmen, wie es scheint. Zum Beispiel der Typ, der wie eine James Bond-Parodie klingt, Powers heißt da. hat "Der Klang der Zeit" geschrieben. Und, liest du das schon Jérôme? Ich werde es nicht lesen, nachdem ich neulich 10 Minuten vorgelesen bekam. Ich mag nämlich keine Bücher, wo andauernd so sensibel Kunst beschrieben wird. Und wenn man die Kunst nicht mag? Wie soll man dann das Buch lesen? Wenn andauernd Monteverdi und Dowland vorkommen. Das kann natürlich auch meine Macke sein, als Musiker.
Es gibt ja Leute, die behaupten, ICH hätte ein Buch geschrieben, wo andauernd Musik beschrieben wird. Stimmt aber nicht. Wenn ich darin Musik beschreibe, dann nur so, wie sie ein anderer beschreiben würde. Wenn ich darüber schriebe, wie ich Musik empfinde, wäre das höchst langweilig. Was ich zum Beispiel fühle, wenn ich Brahms Rhapsodien mir zum 2000sten Mal vpn Glenn Gould gesielt anhöre und warum ich sie auch noch 2000 Mal hören werde. Total langweilig, der Typ, der das so oft hört und der keine Plattensammlung mit 40 Gigabyte Musik besitzt.
Ich mag aber auch nicht, wenn verschwülstigt über Malerei geschrieben wird wie in Siri Hulstvedts "Was ich liebte". Dann schon lieber Operationsbilder am offenen Gefühl, auch wenn das manchmalö ein bisschen eklig aussieht, wie Stierhoden, Cultsofas und Kantinenessen.
Ich wünsche allen wunderbare Pfingsten, es soll ja wärmer werden. Céline und Jérôme: Lasst euch doch, egal von wem, eine Kaffeerästerei in den Garten bauen. Das soll stinken! Richtig eklig.