Nachträglich zum gestrigen Welttierschutztag
Salut!
'Grüss Sie alle ganz lieb von mir und erzähl Ihnen, wie wir fast nicht abgeflogen wären. Zweimal!', trug mir die Dame auf.
Ich grüsse Euch ganz herzlich, aber erzählen werde ich es nicht, denn wenn es Cel selbst in das Notebook tippt und ich bei Gelegenheit ins Forum transferiere, komme ich auf zwei Beiträge pro Mal und erreiche die 500 vielleicht doch ;-). Wundert Euch also nicht, wenn künftig unter meinem Namen allerlei Ungewohntes geschrieben wird.
Wie unfassbar schön und reich müsste man sein, um nicht mehr protzen zu müssen? Mit sprechenden- und Ersatz-Kaffeemaschinen, Tagen des deutschen Butterbrotes und Einheit, mit Kopftüchern à gogo etc.
Gebe zu, dass ich lieber glücklich in einem gut abgefederten und klimatisierten Auto bin, als in einer Strassenbahn oder Bus -unglücklich wäre ich so erst recht glücklicher. Ist das arrogant?
Leute, Kanada verfügt zwar über Flughäfen, Shuttleservice, Train + Skytrain, Autobusse, Sea-Busse, Greyhoundbusse, U-Bahnen, Fähren, Touristenzüge etc., aber es ist das zweitgrösste Land der Erde. Das wurde nicht für Fussgänger erbaut! In den Städten kann man darauf gut und gerne verzichten, ausserhalb wäre man ohne Auto, dafür mit drei Kindern, kein richtiger Mensch, ohne Geländewagen nur unbedeutend mehr.
An dieser Stelle wollte ich Euch in Gälisch über Cape Breton Island und Golf von St. Lorenz erzählen. 'Bonjour tristesse' sage ich nur. Selbst, hätte ich mir die Schmusewindel unserer Kleinsten -gefärbt mit ökologisch vertretbaren Farben auf Violett- als Turban um den Kopf gewickelt, würde man es hier nicht zu schätzen wissen -grins.
Trotzdem muss ich gedanklich nicht zu sehr vom Ceilidh- und Cabot Trail abweichen.
Meine Damen, Robin, das Tuch des Mannes wird hier noch gepflegt! Wie naiv zu glauben, es ist das Beinkleid. Freunde, wir sind in Nova Scotia! Ob der bevorzugte Tartan der Kilts tatsächlich einem Clan oder dem Militär gehört, weiss ich leider nicht, will man aber modisch mithalten, sollte man die Farben Grün/Gelb mit dezenter Streuung von Grau und Schwarz wählen. Die Highland-Montur tragen nicht nur die Wachposten bei der Zitadelle in Halifax, die zu Dudelsackspiel ihren Waffendrill absolvieren und täglich um Mittagszeit ihre Kanone abfeuern, nein, auch viele der etwa 1400 -allein in Halifax- praktizierenden Real Estate Agents (Makler) tragen das Weichteilverdecktuch des Mannes -Pardon! Das gemeine Kopftuch ist noch lange nicht out!
Das schottische Musikfest haben wir zwar um Monate verpasst, aber man kommt auch sonst genügend in den Genuss -grins. Mit etwas Wehmut denke ich daran, dass es Franzosen waren, die als erste nach den Micmacs das Land besiedelten.
Irgendwie sollte ich aber auf das Tier ausserhalb des Mannes zu sprechen kommen.
So ein Bearwatching z.B., an einem Fluss noch um Bärenlachsballspiele erweitert, sollte vermutlich zum Highlight einer jeder Kanadareise gehören. Ich weiss nicht recht. Wir werden sicher von Québec-City später auch noch steil gegen Norden reisen, aber im Kilt auf Bären-Foto'safari' oder Bärenjagd? Kaum. Was sollten wir auch mit einem erlegten Bären? Ihn zu treffen, traute ich mir zu, aber wozu? Ich nehme auch stark an, dass man nicht nur eine Waffe mit dazugehörendem Waffenschein besitzen muss, sondern ebenfalls eine Jägerlizenz. Lustig ist aber, dass man hier jeden Jäger büssen würde, der das Wild nicht selbst isst, sondern verkaufen wollte. Den Flintentouristen nimmt man Unsummen ab, um ihnen das Abknallen des kanadischen Maskottchens zu ermöglichen, sonst aber werden die Bären regelrecht gehätschelt. An vielen Orten wurden bepflanzte Brücken über die Highways gebaut, von denen sich die Bären nicht mal stürzen können, um ein Auto zu erlegen. Zum Schutze des Bären gebaut, nicht des Autofahrers! Diese Info ist zwar aus zweiter Hand, doch glaubhaft, denn praktisch jeder -auch in Europa- hat eine Schwäche für das zottelige Tier. Ob Brau-, Schwarz- oder Grizzlybär. Kathi sogar für die Bärenmarke im Kaffee, Thomas Gottschalk für die Goldbären und unsere Kinder für ihre Teddys, die sie im Handgepäck mitbrachten, um ja keine Defizite in der Kindheit zu erleiden, die sie später eventuell auf die Jagd trieben.
Aber die Gefahr, hier und jetzt einem Bären zu begegnen, ist relativ klein. Der Elch ist wesentlich besser vertreten und die Vorstellung, von ihm geknutscht zu werden, realistischer. (Natürlich auch nicht gerade jetzt und hier, denn ich sitze in einem Büro wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt.) Keiner weiss genau, wieviele davon es wo gibt, manche Angeber prahlen hier mit einer Million, Bescheidenere geben sich mit 500 000 zufrieden. Einzig auf Prince Edward Island gibt es nichts zu prahlen. Wer weiss, möglicherweise wurde der Elch erst kürzlich auch dorthin eingeschleppt. (Wir werden aber in dieser Richtung nicht mehr forschen, auch dort wurden die französischen Akadier von den Briten fast vollständig vertrieben und im Moment ist mein Bedarf an Kilts gedeckt.) Wird man vor Elchen gewarnt, so heisst es: 'Hör mal, nicht überall sind sie so gross wie am Yukon, aber wenn dich auch nur bescheidene 500 kg angreifen, und das machen die!, genügt es auch dir! Lass dich nicht durch ihr gemütliches Aussehen täuschen und auch auf kein Rennen ein, sie sind verdammt schnell. Nur, wenn 40mile/h schaffst, kannst es mit einem Elch aufnehmen.' Schaff' ich nicht, wäre geprahlt. So habe ich natürlich immer ein paar Golfschläger mit dabei, falls ein Elch das 'green' beträte.
Ihr seht, die Menschen hier sind hilfsbereit, offen, kommunikativ, freundlich, ohne Vorurteile und immer zum Spassen aufgelegt. Auch ohne Alkoholeinfluss. Aber Alkohol in Kanada ist ein trauriges Kapitel und einer eigenen traurigen Geschichte wert. Das unangefochtene Freizeitgetränk Nr. 1 ist selbstverständlich auch hier der Kaffee. Wie in den USA bekommt man -in bisher Gesehenem- praktisch ungefragt eine Kanne Kaffee bis zum Mittag -bottomless, Wasser den ganzen Tag auf den Tisch -selbstverständlich mit dem üblichen 'How are you doing?' gebracht. Die Qualität ist fragwürdig, weshalb man lieber auf Cafés ausweichen sollte, will man tatsächlich auch Kaffee trinken. Dank der Bevölkerungsstruktur braucht man keineswegs auf Espresso oder Ristretto zu verzichten, man muss nur geduldig suchen. Wir haben aber bereits eine kleine italienische Espressomaschine käuflich erworben, welche sogar die crema erzeugt -grins. Sonst wird man nämlich mit den eigenwilligsten Kombinationen konfrontiert, die den europäischen Markt noch nicht eroberten, nicht mal des kaffeeexperimentierfreundlichen Österreichs!
Schwarze Brühe mit Ahornsirup aromatisiert ist die Norm. Die Bohnen werden kanadisch geröstet, d.h. das Aroma wird ihnen dabei eingehämmert und eingebrannt. Das Ganze noch kräftig mit Ahornzucker gesüsst. Es gibt aber auch Varianten mit crème oder gar Likör in der Bohne. Fragt mich nicht, ich bin ein Langweiler, ich verlange nur einen Schluck Kaffee, mehrmals, stark, pur, unverfälscht, höchstens mit etwas angereichert, das ich als ebenfalls flüssig und stark sympathisch riechend identifizieren kann. Maplekaffee ist für mich ungefähr dasselbe als servierte man mir Single Malt on the rocks - stillos, unverzeihlich, nie wieder gutzumachen! -grins
Maple ist überhaupt allgegenwärtig, im Tee, Cookies, Jelly, Senf etc. und natürlich in der Natur. Von gelb über orange bis tiefrot in allen denkbaren Variationen. Die verschiedenen Nuancen von Rot erklären natürlich die Expression Indian summer. Speziell für Kathi liess ich mir sagen, dass es in der Gegend mehr als 20 Ahorn- und ca. 10 Eichenarten gibt.
Jetzt stellt sich mir noch die Frage, warum es im deutschsprachigen Raum Altweibersommer heisst? Die Zeit der seidenen Kopftücher? Pardon!, aber auch da ist der Franzose wesentlich charmanter mit été de la Saint-Martin. Ist das schon wieder prahlerisch? Um es noch schlimmer zu machen, erzähle ich Euch noch schnell, was ich auf dem Flug in einer deutschen Zeitung las. Leider weiss ich nicht mehr, in welchem Bundesland, oder ob es überhaupt in Deutschland geschah. Ein über 80-jähriger Jäger beschoss sehr erfolgreich mit Schrot seinen -auch betagten- Jagdkollegen, weil er ihn für ein Reh oder gar Wildschwein hielt. Ist das die Art, mit der man der Überalterung begegnen will? Traurig fragwürdig.
Am Montag ist Thanksgiving, freundlicherweise wurden wir eingeladen und brauchen den Vogel nicht mal selbst zu jagen. Gans wäre ohnehin der falsche, dafür aber leicht zu fangen -vermute ich mal, es wimmelt nur so von Schneegänsen überall auf dem Land.
Zum Truthahn gibt es Eiswein aus Ontario, versprach der Gastgeber stolz. Andere Länder, andere Sitten. In Frankreich wäre es unvorstellbar, einen Dessertwein zu Fleisch zu trinken, aber ich lasse mir nichts anmerken ;-).
Wenn Ihr wollt, melden wir uns aus Québec-City wieder, aber jetzt ist Schluss und Mittagszeit.
Amitiés/with kind regards
(gesponsert von Johann Jacobs, den Seidenraupen und den Schotten, mit stiller Erlaubnis von trados.ca)