Du bezeichnest psychische Krankheiten wiederholt als Luxusproblem.
Nicht psychische Krankenheiten als solche.
Vielmehr können wir es uns überhaupt leisten, psychische Krankheiten zu haben. Wer in einem Entwicklungs- oder Schwellenland täglich um sein eigenes Überleben und das seiner Familie kämpfen muss, der kann es sich nicht erlauben, psychisch krank zu sein. Das bedeutet nicht, es gäbe sie dort nicht. Arme Länder haben niedrige Quoten an psychischer Erkrankung, weil sie nicht erfasst werden, weil sie nicht behandelt werden, weil sie nicht unterstützt werden, weil die Menschen es sich nicht leisten können, psychisch krank zu sein.
Daraus aber den Schluss zu ziehen, Armut mache glücklich und Reichtum (die Begriffe jeweils im Vergleich Industrieländer vs. Entwicklungsländer gesehen) unglücklich, ist ein Trugschluss.
Vielleicht solltest du mal ehrenamtlich in einer Psychiatrie arbeiten für ein paar Wochen, ich garantiere dir, danach würdest du das nicht mehr als Luxusproblem bezeichnen. Oder: Du müsstest dann konsequent sein und auch andere Zivilisationskrankheiten wie Krebs und Diabetes als Luxusproblem bezeichnen. Würdest du das tun?
Ich war schon selbst in der Psychiatrie, freiwillig, wenn auch nur kurz.
Der Aufenthalt hat auch etwas gebracht, viel sogar, ich kam "ausgewuchtet" und mit viel Zuversicht nach nur wenigen Tagen auf eigenen Wunsch wieder heraus.
Ich habe mich selbst lange Jahre in einem psychischen und sozialen Tief befunden und es hat lange gedauert, Jahre, und viel Energie gekostet, mich daraus zu befreien. Im Grunde bin ich erst jetzt einigermaßen diesem Tief entronnen und selbst jetzt arbeite ich noch an den letzten Hürden.
Es ist schwer, sich aus solchen Lebensphasen zu befreien und allein und ohne Anstoß hätte ich das mutmaßlich nicht geschafft.
Andererseits bin ich mir auch darüber klar geworden, dass Hilfe von Außen nur die eine Hälfte eines solchen Prozesses ist. Die andere (umso wichtigere) Hälfte besteht darin, den Kampf mit dem inneren Schweinehund auch anzutreten und aufzunehmen - anstatt immer nur zu jammern.
Jammern hat noch nie etwas verbessert, man redet sich vielmehr in einer Art Selbstsuggestion ein, es ginge einem so viel schlechter, als dies der Fall ist.
Des Weiteren muss man sich darüber im Klaren sein, dass die sozialen Helfer durchaus auch ihr eigenes Süppchen kochen. Sie helfen Dir nur bis zu einem gewissen Punkt, den es irgendwann zu überwinden gilt - und oft genug auch gegen deren eigene Interessen. Denn ganz können sie Dich nicht gesunden lassen, denn dann verlören sie ihren Klienten/Patienten.
Das Leben ist kein Ponyhof.
Es liegt mir fern, ein oberflächliches "Think Positive" schön zu reden. Das überlasse ich den Amerikanern, außerdem bin ich dafür ein zu kritischer Mensch. Jedoch bin ich auch ein Pragmatiker, jemand der Lösungen sucht und nicht Probleme. In meinem sozial durchaus komplizierten Arbeitsleben habe ich es jetzt schon öfter erlebt, dass ganz einfache Änderungen von Modi - von mir selbst veranlasst und keineswegs immer "angefragt, diskutiert" und "von oben abgesegnet" so manches zähe Problem einfach mal sang- und klanglos aufgelöst haben.
Manchmal sind es ganz kleine Reibestellen, an denen sich Menschen verbeissen, und wenn man an diesen nur ein kleines Kugellager einbaut, dann läuft es auf einmal wie geschmiert.
Interessant finde ich es dann, wenn solche kleinen Lösungen funktionieren, dabei aber neue Frage- und Problemstellungen aufwerfen. Es gibt im menschlichen Bereich eben keine Patentlösungen.