Z
zwetsche
Guest
AW: Kultur des Verbots - Absage an die Vernunft?
Hallo Robin,
Du hast aber eine hohe Meinung vom "Einzelnen". Ich würde dir auch gerne zustimmen, denn der Individualismus ist eine gute Sache, die zumindest das Ziel einer aufgeklärten Gesellschaft sein sollte. Nur: Ist der Glaube an den faktischen Individualismus nicht etwas naiv?
So fällt mir immer die FDP ein, die gerne damit wirbt, daß wir endlich die Vorgänge entbürokratisieren müssen, damit die vielen vielen Hemmnisse abgebaut werden, weg von der Verstaatlichung. Ich glaube Rösler, der FDP Mensch aus Niedersachsen war es dann auch, der neulich zB. gefordert hat, die Tempo 30 Zonen abzuschaffen. Ok. ihm ging es seiner eigenen Begründung nach darum, daß bei schneller fließendem Verkehr die Umweltbelastung geringer sei (!!!) (oder war es doch nur plumper Lobbyismus ähnlich dem, der u.a. Grund dafür ist, daß Deutschland eines der wenigen Länder ist, das immer noch keine Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen kennt?).
Aber da liegt der Knackpunkt, denn erzähl das mal den Eltern eines beim Spielen in einer Tempo 30 Zone totgefahrenen Kindes. Und was passiert in Deutschland nicht alles, wenn plötzlich ein Dach eines Eisstadions einbricht und Menschen sterben? Da wird sofort danach gefragt, wer daran Schuld ist, ob die Kontrollen nicht hinreichend waren.
Egal was in unserem Land passiert, für alles muß irgend jemand herhalten, es muß nach Möglichkeit immer ein Schuldiger ausgemacht und vor allem eine Absicherung gefunden werden. Viele sind der Auffassung, wir lebten in einer Vollkaskogesellschaft. Das tun wir nicht, aber unser Netz ist zumindest relativ engmaschig.
Der Preis dafür ist aber eine stark reglementierte Gesellschaft und die damit verbundene Bürokratie. Ich könnte mir aufgrund meiner täglichen Ärgernisse gut vorstellen, daß eine Vielzahl staatlicher Verwaltungsaufgaben privatisiert würden, insbesondere im Bereich der Leistungsverwaltung, zumal dort die Amtshaftung als Regulativ staatlicher Willkür bei weitem nicht so relevant ist wie in der Eingriffsverwaltung. Vieles würde vielleicht effektiver von statten gehen.
Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Beispiel: Rauchen. Mir ist es jedenfalls lieber, es wird im präventiven Bereich etwas getan, als das wir amerikanische Zustände bekommen und uns auf Klagefluten gegen Tabakkonzerne zurückziehen müssen, die Erben diejenigen sind, die profitieren und nicht die Betroffenen selbst. Das ist eine Farce. Und ob wir ein solches Problem im Rahmen einer Privatisierung gebacken kriegen, wage ich zu bezweifeln, denn der Lobbyismus ist da recht stark.
Kurzum, wir müssen uns entscheiden, ob wir auf die Reglementierung verzichten oder auf die gewohnten Sicherheiten.
@Fussel: Es wäre wünschenswert, aber ohne Zwang läuft leider viel zu wenig. Allerdings führt auch staatlicher Zwang nicht automatisch zu gewünschten Verhaltensweisen. Ein Jugendrichter, der dem Knasterfahrenen Delinquenten versucht, damit einzuschüchtern, er komme womöglich zum x ten mal ins Loch, macht sich doch fast lächerlich. Es gibt Menschen, auch immer mehr junge darunter, die man auch mit Ge- oder Verboten überhaupt nicht mehr erreicht. Eine berufliche Perspektive und ein dadurch bedingter "dialektischer Prozeß" z.B. wäre da weitaus effektiver, nur oft in weiter Ferne.
Gruß
Zwetsche
Verbote und Reglementierungen haben Konjunktur.
Killerspiele sollen verboten werden, Rauchen stark eingeschränkt, Geschwindigkeiten gesenkt. Auf Lebensmittel soll ein Aufdruck kommen, der alarmierend über angebliche Gesundheitsschädlichkeit Auskunft gibt. Dann wird man noch gezwungen, fürs Alter vorzusorgen usw. usf.
Darüber mag man im Einzelfall streiten, aber: Ist das nicht eine Absage an den Glauben an die Vernunft? Denn die Freiheit sollte ja einst dazu dienen, es dem Einzelnen zu ermöglichen, selbsttätig zu vernünftigen Einsichten zu kommen.
Steuern wir auf eine neue Kultur der Reglementierung zu - und hat das etwa zu bedeuten, dass die Vernunft nunmehr unter der Bestimmungsgewalt der Obrigkeit liegt und nicht mehr beimn Einzelnen?
Hallo Robin,
Du hast aber eine hohe Meinung vom "Einzelnen". Ich würde dir auch gerne zustimmen, denn der Individualismus ist eine gute Sache, die zumindest das Ziel einer aufgeklärten Gesellschaft sein sollte. Nur: Ist der Glaube an den faktischen Individualismus nicht etwas naiv?
So fällt mir immer die FDP ein, die gerne damit wirbt, daß wir endlich die Vorgänge entbürokratisieren müssen, damit die vielen vielen Hemmnisse abgebaut werden, weg von der Verstaatlichung. Ich glaube Rösler, der FDP Mensch aus Niedersachsen war es dann auch, der neulich zB. gefordert hat, die Tempo 30 Zonen abzuschaffen. Ok. ihm ging es seiner eigenen Begründung nach darum, daß bei schneller fließendem Verkehr die Umweltbelastung geringer sei (!!!) (oder war es doch nur plumper Lobbyismus ähnlich dem, der u.a. Grund dafür ist, daß Deutschland eines der wenigen Länder ist, das immer noch keine Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen kennt?).
Aber da liegt der Knackpunkt, denn erzähl das mal den Eltern eines beim Spielen in einer Tempo 30 Zone totgefahrenen Kindes. Und was passiert in Deutschland nicht alles, wenn plötzlich ein Dach eines Eisstadions einbricht und Menschen sterben? Da wird sofort danach gefragt, wer daran Schuld ist, ob die Kontrollen nicht hinreichend waren.
Egal was in unserem Land passiert, für alles muß irgend jemand herhalten, es muß nach Möglichkeit immer ein Schuldiger ausgemacht und vor allem eine Absicherung gefunden werden. Viele sind der Auffassung, wir lebten in einer Vollkaskogesellschaft. Das tun wir nicht, aber unser Netz ist zumindest relativ engmaschig.
Der Preis dafür ist aber eine stark reglementierte Gesellschaft und die damit verbundene Bürokratie. Ich könnte mir aufgrund meiner täglichen Ärgernisse gut vorstellen, daß eine Vielzahl staatlicher Verwaltungsaufgaben privatisiert würden, insbesondere im Bereich der Leistungsverwaltung, zumal dort die Amtshaftung als Regulativ staatlicher Willkür bei weitem nicht so relevant ist wie in der Eingriffsverwaltung. Vieles würde vielleicht effektiver von statten gehen.
Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Beispiel: Rauchen. Mir ist es jedenfalls lieber, es wird im präventiven Bereich etwas getan, als das wir amerikanische Zustände bekommen und uns auf Klagefluten gegen Tabakkonzerne zurückziehen müssen, die Erben diejenigen sind, die profitieren und nicht die Betroffenen selbst. Das ist eine Farce. Und ob wir ein solches Problem im Rahmen einer Privatisierung gebacken kriegen, wage ich zu bezweifeln, denn der Lobbyismus ist da recht stark.
Kurzum, wir müssen uns entscheiden, ob wir auf die Reglementierung verzichten oder auf die gewohnten Sicherheiten.
@Fussel: Es wäre wünschenswert, aber ohne Zwang läuft leider viel zu wenig. Allerdings führt auch staatlicher Zwang nicht automatisch zu gewünschten Verhaltensweisen. Ein Jugendrichter, der dem Knasterfahrenen Delinquenten versucht, damit einzuschüchtern, er komme womöglich zum x ten mal ins Loch, macht sich doch fast lächerlich. Es gibt Menschen, auch immer mehr junge darunter, die man auch mit Ge- oder Verboten überhaupt nicht mehr erreicht. Eine berufliche Perspektive und ein dadurch bedingter "dialektischer Prozeß" z.B. wäre da weitaus effektiver, nur oft in weiter Ferne.
Gruß
Zwetsche
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