AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?
Auf welche Weise kann der Mensch etwas wahrnehmen ohne auf Sensuierbares - schließt außer den Sinnen alle bisher erforschten physiologischen und neurophysiologischen Aktivitäten des Körpers mit ein - zurückzugreifen?
Das ist eine berechtigte Frage. Wahrnehmung beruht selbstverständlich auf der Qualität und Quantität der erhaltenen Sinnesreize, deren korrekte Verarbeitung wiederum auf der Funktionstüchtigkeit der entsprechenden Sinnesorgane. Wir können bloß das wahrnehmen, was wir mit unseren physischen Sinnen sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken können, daher unser Verständnis für die äußere Welt auf der vielfältigen Verarbeitung dieser Informationen beruht .
Was ich vorhin zum Ausdruck bringen wollte, war das Problem der Objektivität nicht bloß im Lichte gewohnt naturwissenschaftlich-reduktionistischer Anschauung zu beleuchten, die den Menschen als rein materielles durch physische und physiologische Gegebenheiten begrenztes Wesen darstellt. Man denke bloß an das, was buddhistische Gelehrte als "Erleuchtung" bezeichnen, einen Zustand, welchen man getrost als "reine Objektivität", als "Verbundenheit des Einzelnen mit dem Ganzen" oder wie auch immer definieren kann.
Welches Kriterium für das Maß der Annäherung nennt Popper? Oder anders gefragt: Bringt die Idee von der Annäherung an die Wahrheit 'Erkenntnis der Wahrheit'?
Karl Popper entwickelte seine Theorien in kritischer Nähe zum Neopositivismus des "Wiener Kreises", welcher die strenge Unterscheidung zwischen sinnvollen, also auf empirisch überprüfbare Gegenstände bezogene, sowie sinnlosen Sätzen (solche ohne empirischen Gehalt) postuliert. Ihm zufolge sei die Verifikation von wissenschaftlichen Hypothesen durch deren Falsifikation zu ersetzen. Seine Überlegungen verlangen, dass nicht nach der Bestätigung einer Theorie gesucht werden solle, sondern dass ein konkreter Fall zu finden sei, der dieser widerspricht. Je schwieriger sich dieses Unterfangen anstellt und je länger diese Falsifikation nicht gelinge, desto größer werde die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Theorie brauchbar sei.
Ob die Idee der Annäherung an die Wahrheit auch deren Erkenntnis involviert, ist fraglich. Sie hilft uns jedenfalls die Gesetze der Natur, durch die wir "sind" und auf Grund deren nicht nur wir sondern der gesamte Kosmos funktioniert, zu erkennen und dadurch zu größeren Möglichkeiten zu gelangen, man denke nur an den technischen Fortschritt, usw.
Mir geht es nur darum glaubensfrei zu philosophieren, indem wir uns gemeinsam das ansehen, was wir gemeinsam ansehen können. Glauben an Ideen, an religiöse Wahrheiten, Weltanschauungen können davon unberührt bleiben, solange es dem einzelnen bewusst ist, dass es sich um Glauben handelt und dieser Glauben dem Miteinander des Philosophierens keinen Abbruch tut.
Glaubensfrei zu philosophieren bedeutet meiner Meinung nach vorurteilslos zu philosophieren, weil alle Glaubenssätze zu denen wir, sei es durch persönliche Reflexion oder unbewusstes und/oder kritikloses Übernehmen gängiger Meinungen, gekommen sind, eben Vorurteile sind. Sie helfen uns jedenfalls, uns ein Bild von unserer Welt zu machen und uns in ihr zu orientieren, auch wenn hier die Subjektivität der Objektivität ohne jede Frage den Rang abläuft.