Robin schrieb:
Ich will doch noch mal nachhaken, denn wenn ich sage, dass der Begriff auf einer semantischen Ebene unausrottbar ist, interessiert mich natürlich, warum es dir "schwer" fällt dich davon zu lösen, trotz deiner schlechten Erfahrungen. --> 1
Gott steht nun mal in der Alltagssprache für den Mann mit Bart oder jenes höhere Wesen, das wir verehren. Zumindest steht der Begriff aber für das Jenseitige, das all das, was wir sehen, erschaffen hat und sein Schicksal bestimmt.
Dies kann ich aber bei deiner Definition nicht wiederfinden, also die "Energie an sich" hat für mich nichts Mystisches, nichts Transzendentes, ja nicht einmal etwas Religiöses. Es klingt fast physikalisch. Wir bestehen alle aus einer Energie, das wird jeder Physikprofessor unterschreiben. --> 2
Was meinen also all die Menschen, die Gott nicht grausam oder mit Bart sehen und trotzdem als etwas Allumfassendes. Und ich wiederhole mich, weil Missverständnisse ja auch ärgerlich sein können: Warum es Gott nennen?
1. es fällt mir nicht schwer, mich von dem begriff "gott" zu lösen. es fiel mir lange zeit schwer, diesen begriff überhaupt zu verwenden, ich hatte ihn aus meinem sprachgebrauch eliminiert.
das hatte mit einer erfahrung mit meinem vater zu tun, der seeeehhhhr katholisch war und mir seine religion wirklich aufzwang. als ich so ca. mit 16 anfing, diverse theologische bücher zu lesen (mein bruder studierte theologie), kam ich erst dahinter, dass das, was mein vater als tatsache dargestellt hatte, nur konstruktion und glaube waren und ich fühlte mich betrogen. ich glaubte NICHTS mehr von all dem, was mir irgendjemand als tatsache weismachen wollte. vor allem, was religion betraf, damit wollte ich gar nichts mehr zu tun haben.
allerdings merkte ich bald, dass ich nicht so einfach davon kam. zu tief war mein kindliches bild von gott eingegraben, ich musste mich damit auseinandersetzen, um die angst vor der ewigen verdammnis wirklich loszuwerden um mich frei fühlen zu können. ich machte mich also auf um die "wahrheit" zu suchen. klingt jetzt sehr pathetisch, aber das tat ich.
ich schaute mich bei den anderen religionen um und entdeckte, dass die grundsätzliche vorstellung, was gott ist, fast überall gleich ist. die unterschiede lagen in den details der interpretation, aber gott war überall "der geist, der alles geschaffen hat, der allmächtige, allwissende, der ewige, der schon immer war und immer sein wird". mit diesem gottesbegriff hatte ich kein problem, aber es war nicht mehr als eine basis, von der aus ich weitersuchen konnte.
den begriff "gott" wieder zu verwenden war eine bewusste entscheidung, weil "energie" in diskussionen eher den physikalischen aspekt in den vordergrund rückte und daurch verwirrung erzeugte.
2. mein begriff von gott ist aber mit dem begriff "energie" vergleichbar. in welcher form energie erscheint, ist egal. das mystische ist nur eine interpretation, ein bild, das wir uns machen wollen, weil es ja
nicht so einfach sein darf, dass dieses große, hehre,
heilige, als das uns "gott" von den religionsgemeinschaften immer verkauft wird, so etwas banales wie energie sein kann.
bei allen theorien von der entstehung des universums kommen die forscher zu einem punkt, der die frage "was war vorher" aufwirft.
und jeder, der sich ernsthaft damit beschäftigt, wird spätestens hier auf sein eigenes unwissenschaftliches (weil ganz subjektives) weltbild zurückverwiesen, wenn er diese frage beantworten bzw. erforschen will.
die einzige für mich klare antwort, die ich bisher gefunden habe, lautet: es ist eben so! punkt!
es hat keinen sinn in sich, außer dass es existiert. jede erklärung ist genau so wahr wie ihr gegenteil.
es gibt keine objektive erfahrung, aber erfahrung ist die einzige wahrnehmungsmöglichkeit all dessen, was ist.
wahrheit ist immer relativ, nur schlüssig in einem bestimmten geschlossenen system. jeder hat in seinem eigenen weltbild die möglichkeit, seine wahrheit mit seinen erfahrungen zu erklären und zu untermauern.
das bedeutet auch, dass meine vorstellung von gott nur für mich richtig ist und alles was ich mit dem begriff "gott" meine, nur für mich stimmt, weil selbst die ausgefeiltesten formulierungen niemals alles so vermitteln können, dass genau das, was ich meine, auch so rüberkommt.
ich versuche es halt immer wieder, deswegen sind meine beiträge auch so lang.
herzlich
lilith
leider hab ich noch lang nicht alle themen in diesem forum durchgelesen, da ist zu diesen themen sicher schon öfter diskutiert worden. ich werd mich demnächst wieder einmal reinlesen, bevor ich meine abhandlungen hier noch länger ausbreite.