Es ist doch nicht so, dass jeder der religiös (egal ob katholisch oder evangelisch), erzogen wurde, sich zu einem seelischen „Krüppel“ entwickelt (hat)! Ich habe viele Freunde, die sehr katholisch, mit allem drum und dran, erzogen wurden – in der Gemeindearbeit damals sehr aktiv waren, bis einschließlich Pfadfinder-Gruppen. Und sie leben heute noch sehr wohl auf, sind immer noch sehr aktiv in verschiedenen Bereichen – bloß nicht mehr in/bei der Kirche und schon lange vom (katholischen) Glauben abgekommen.
In meiner Familie gingen die Erwachsene kaum in die Kirche, ich wurde aber immer zum Kindergottesdienst geschickt, wenn auch nicht dorthin geprügelt. Ich bin (evangelisch) mit dem Zeigefinger erzogen worden, dass Gott alles sieht und alles im großen Buch eingetragen wird. Alles hat einen Sinn und eines Tages wird „abgerechnet“, je nachdem wie man sich im Leben so verhalten hat. Dieser „Zeigefinger“ wurde uns zwar nicht ständig vor den Augen geführt, aber oft genug. Ich denke mal, ich bin dennoch ganz „normal“ groß geworden. Als Erwachsener Mensch kamen mir die Zweifel – und beim aller ersten Zweifel dachte ich noch: nun werde ich sicher vom Blitz und Donner getroffen. Aber ich habe die Zweifel zugelassen, bis heute – und ich lebe noch. Bin weder seelisch noch sonst zu einem „Krüppel“ geworden, die erwartete Strafe blieb aus. Ok, ich habe genug schreckliche und einschneidende Erfahrungen durchlebt, aber die habe ich niemals darauf bezogen, dass mich jemand strafen wollte für meine Zweifel. Und ich bin, „Gott sei Dank“, auch nicht fanatisch geworden.
Ich glaube nicht an einem Gott. Aber ich glaube, dass es zwischen und Himmel und Erde, oder wo auch immer, „etwas“ gibt - eine Energie, eine Kraft, was auch immer. Etwas, das mir aber keinerlei Angst verursacht! Und somit stellt sich für mich auch nicht die Frage, ob etwas Sadistisches oder Be-Urteilendes über uns „schwebt“. Für mich ist es eine „Energie“, eine schöpferische Kraft, die in der ganzen Natur vorhanden ist – also in uns und um uns herum. Ob mit dieser schöpferischen Kraft – oder was immer es ist – alles nach einem Plan abläuft, ob hinter Allem einen „Sinn“ steckt, weiß ich nicht. Das frage ich mich aber auch nicht ständig. Ich gebe aber auch zu: ich gehöre zu den Menschen, die froh sind, dass die Menschheit noch nicht alle Geheimnisse des Universums aufdecken konnte. Ich hoffe sogar, sie wird es nie schaffen. Ein paar Geheimnisse gönne ich dem Universum noch, bzw. der schöpferischen Energie, so es eine gibt. Ich möchte mich weder als so Eine noch so Eine bezeichnen. Ich bleibe vorerst bei „meinem Glauben“, bis sich bei mir, eventuell, andere Gedanken/ Einsichten einstellen. Von mir aus soll/darf es weiterhin noch einige noch unlösbare Fragen geben. Ich denke, es gibt „Dinge“, die wir alle (noch) nicht ausreichend erklären oder belegen können.
Um bei meinem Glauben zu bleiben: wenn es überhaupt einen so genannten „Himmel“ gibt, dann gibt es nur einen für alle – egal ob man vorher evangelisch, katholisch, Muslim, Buddhist oder sonst was war. Deshalb denke ich auch, Toleranz ist gefragt und kein fanatisches Gegeneinander. Aber soweit sind „wir“ wohl immer noch nicht, das zeigt uns die Gegenwart leider immer wieder.