Biblische Grundlagen
Im Neuen Testament (Matthäus 19, 12) wird von Christus eine dreifache Ehelosigkeit unterschieden: „Denn es gibt Ehelose, die vom Mutterleib so geboren sind, und es gibt Ehelose, die von Menschen eheunfähig gemacht wurden, und es gibt Ehelose, die um des Himmelreiches willen sich der Ehe enthalten“. Letztere Form der Ehelosigkeit gilt als Merkmal besonderer Christusnachfolge in der katholischen Kirche. Christus empfiehlt einigen die Ehelosigkeit: „Wer es fassen kann, der fasse es!“ (Matthäus 19, 12). Ferner ist bei Lukas (18, 29) eine Stelle überliefert, in der Christus denjenigen ewiges Leben verheißt, die um des Himmelreiches willen alles verlassen haben (auch die eigene Frau). Paulus stellt im 1. Korintherbrief fest, dass nur der Unverheiratete ganz frei ist für den Dienst Gottes (7, 32-35). Die Apostel waren, bevor sie Christus folgten und alles verließen, mit Ausnahme des Johannes verheiratet. So ist zum Beispiel von der Schwiegermutter des Petrus in den biblischen Texten die Rede. Einige Apostel reisten später auch in Begleitung einer Frau. Paulus berichtet im Ersten Brief an die Korinther (9, 4 – 6): „Haben wir nicht das Recht, eine gläubige Frau mitzunehmen, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?“seelsorgliche Zwecke sind ebenfalls von Bedeutung.
Zölibat und Geschichte
Die Ehelosigkeit war im Alten Testament unbekannt. In kirchlichen Dokumenten taucht die Verpflichtung erstmals im Jahr 306 nach Christus in Texten der Synode von Elvira (bei Granada/Spanien) auf. Ein Synodentext schrieb den im Dienst stehenden Klerikern vor, „sich von ihren Gattinnen zu enthalten und keine Kinder mehr zu zeugen“. Diese Vorschrift wurde von Papst Siricius im Jahr 385 auf die ganz Kirche ausgedehnt. Die Synode von Neucäsare im Jahre 314 beschloss bereits die Absetzung dessen, der als Priester heiratete.
Im vierten Jahrhundert schreibt der Heilige Hieronymus in der bekannten Stelle gegen Vigilantius: "Was tun die Kirchen des Orients, was die von Ägypten oder was tut der Apostolische Stuhl? Diese akzeptieren nur Jungfräuliche oder Enthaltsame als Priester, oder wenn sie Ehefrauen haben, hören sie doch auf, ein eheliches Leben zu führen." (Vgl. Hieronymus, Contra Vigilantium, PL 23.)
Im Mittelalter war der Zölibat bei der Besetzung von Fürstenämtern durch Bischöfe von großer Bedeutung (Ottonisches Reichskirchensystem). Der König sicherte sich durch Besetzung der Fürstentümer mit Zölibatären weitgehende Einflussmöglichkeiten beim Tod des Amtsinhabers. Das Konzil von Trient verteidigt im 16. Jahrhundert den Zölibat gegen die Reformatoren. Martin Luther, zuvor Mönch und Priester, heiratete 41-jährig am 13. Juni 1525 die 26 Jahre alte frühere Zisterzienser-Nonne Katharina von Bora. Hierdurch wurde die Frage der Ehelosigkeit der Priester zu einem Streitpunkt und Unterscheidungsmerkmal der beiden christlichen Konfessionen.
Viele Kirchenfeinde haben wie Adolf Hitler erkannt, dass der Zölibat der Kirche eine innere Stärke und Widerstandskraft gibt, die sie brechen wollten.
Fehlverhalten von zölibatär lebenden Menschen
Der Skandal von Übergriffen auf Minderjährige oder gleichgeschlechtliche Beziehungen von Priestern in den Vereinigten Staaten haben zu der Vermutungen geführt, das Gebot der ehelosen Enthaltsamkeit habe sie auf derartige Abwege gebracht. „In offenen westlichen Gesellschaften, wo Geschlechtlichkeit allgegenwärtig ist, nähren solche Vorkommnisse den Verdacht der unkontrollierbaren Verklemmtheit und den Zweifel über einen Personenkreis, der sich dieser allgemeinen Tendenz des öffentlichen Lebens entziehen, gar verweigern will.“ (Heinz-Joachim Fischer) Dieser Generalverdacht erweist sich aber als ungerechtfertigt angesichts von Zehn- und Hunderttausenden von Männern und Frauen, die trotz oder gerade wegen der Enthaltsamkeit im Pastoraldienst oder der Seelsorge „eine ausgereifte Persönlichkeit entwickelt haben“ (Johannes B. Torello). Zudem steht die öffentliche Diskussion von unzüchtigem Fehlverhalten der Amtsträger der Kirche in einer unguten Tradition, die im Nationalsozialismus als Teil einer Strategie gegen die katholische Kirche in Deutschland geschichtlich bereits einen Höhepunkt gefunden hatte. Angriffe gegen den Zölibat kamen in dieser Zeit auch durch die Überbetonung eugenischer Werte zustande. Dessen ungeachtet sind die Bischöfe aufgefordert, in allen Fällen mit berechtigtem Fehlverhalten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich einer Einschaltung der zivilen Gerichtsbarkeit. Besondere Vorsicht muss in diesen Fragen deshalb walten, weil auch Fälle von ungerechtfertigten Vorwürfen bereits beträchtlichen Schaden angerichtet haben (Kampagne des US-Senders CNN gegen Joseph Kardinal Bernardin, Erzbischof von Chicago, aufgrund einer falschen Zeugenaussage) . Ehe und Ehelosigkeit stehen sich als Lebensstile wegen der dazu erforderlichen Treue zu einer einmal getroffenen Entscheidung im Prinzip näher als unverbindliche oder ausschweifende Lebensformen.