Majanna:
Ohne Deine in gewohnt eloquenter Weise erfolgte Erwiderung an Walter ...
Danke Majanna, der Beitrag ist mir dieses Mal gut von der Hand gegangen.
Majanna:
Ich würde das ganz anders sehen: Wenn ich für eine gerechte Welt, die ja eben auch und vor allem in der wirtschaftlichen Gleichheit zu finden ist, bin, darf es mir nicht viel ausmachen, wenn in den reicheren Ländern zwischenzeitlich wirtschaftliche Depressionen erfolgen (gesenkte Reallöhne) Wenn sich ein Gleichgewicht zwischen den Löhnen innerhalb der EU eingestellt hat (Kapitalismus hin oder her), sind wir ein Stück weiter in der Gerechtigkeit.
Wenn man für eine "gerechte Welt" (=hehres Ziel) ist, dann sollte man mE zuerst vor der eigenen Tür kehren. Die eine Familie lebt von der Sozialhilfe und das Geld reicht gerade für die billigste Schrottnahrung, während die andere Familie nicht weiß, wohin mit den Milliarden.
Durch die Erweiterung übertragen wir unsere Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft auf teilweise noch bäuerliche Strukturen.
Zwar wird ihnen bald billigst ebenfalls Schrottnahrung zugänglich gemacht, dafür schmeckt die Tomate dann nach nix, die Äpfel triefen vor Chemie und im Brot sind neben Fungiziden auch noch Aflatoxine. Ihre Babys bekommen Neurodermitis und ihre Häuserdächer bekommen Sendemasten für den Mobilfunk.
Sie müssen dann auch nicht mehr bei Wind und Wetter stupide Feldarbeit verrichten, sondern dürfen in klimatisierten Räumen bei Daimler, Volvo und VW täglich Lichtmaschinen an Motoren schrauben, oder bei Kaffeeduft und Zigarettenrauch ihre Tage am Computermonitor verbringen.
In Irland zum Beispiel haben sich in kürzester Zeit die Haus- und Grundstückspreise
verzehnfacht.
Häuser mit Grundstück, die noch vor wenigen Jahren für 25. 000 € zu haben waren, kosten jetzt 250.000 €. Auch hier wurde die Nahrung billiger und schrottiger, dafür müssen jetzt junge Familien den größten Teil ihres Einkommens für die Miete aufwenden.
"Gerechtigkeit" hat hier mE etwas mit Lebens
qualität und weniger mit Lebens
standard zu tun. Ich glaube nicht, daß sich die Lebensqualität durch die EU in Irland entscheidend verbessert hat.
Wenn Du allein an den Konsumsektor denkst, ist der Nachholbedarf in den ehemaligen Ostblockländern enorm.
Wie gesagt, gewachsene bäuerliche Strukturen werden zerstört, dafür hat jeder ein Handy.
Und das gibt dann Chancen für die Wirtschaften in den Alt-EU-Ländern.
Es ist schon wahr, die Unternehmensgewinne der "globalen Spieler" steigen, das ist kalkuliert, und daher haben sie sich auch vehement für die EU eingesetzt. Von diesen steigenden Gewinnen haben die Bürger der Altländer jedoch nichts - sieh Dich doch um, Majanna, die Praxis spricht eine andere Sprache (woher kommen wohl die ständig sinkenden Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigender Steuerbelastung der Bürger?).
Ich halte nicht viel von nationalen Egoismen - unser Egoismus hat sich auf Gesamteuropa zu richten; einzeln werden wir noch schneller ein Opfer größerer Wirtschaftsstaaten.
Der USA? - (sonst gibt es ja keine)
Dieser reine Glaubenssatz wird durch ständiges Herbeten nicht um einen Deut glaubwürdiger. Das sind nämlich genau die (mE haltlosen) Argumente der Großunternehmen vor über 20 Jahren.
Die Behauptung, ohne ein wirtschaftlich und politisch vereintes Europa machen uns die USA platt, ist für mich schwer zu widerlegen, weil es sich dabei um ein "
was-wäre-wenn Szenario" mit den Großkonzernen auf der Vereinigungsseite handelt.
Es ist gute Diskussionskultur, daß derjenige, der eine Behauptung aufstellt, dafür auch Belege und Sachargumente zu liefern hat, in diesem Fall liegt es an Dir, Majanna, Deine These plausibel zu machen.
Lohnt es sich denn für die Gewinnmaximierung einiger Unternehmen den deutschen Sozialstaat zu ruinieren und die Bürger verarmen zu lassen?
(Wer sagt, das stimme nicht, braucht sich nur umzusehen)
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Jetzt zum nächsten Teiltext von Dir, der mich ziemlich gereizt hat.
Bei "@Altsozis" habe ich speziell an Dich gedacht, Majanna, nimm es mir bitte nicht krumm,
aber ich habe Genossen gesehen, die sich mit Leib und Seele für ein vereintes Europa einsetzen, weil der Gedanke daran so "erhebend" und "romantisch" ist, daß sie für dieses Gefühl bereit waren, sämtliche (!) sozialdemokratische Errungenschaften zu opfern
(wie es Herr Schröder momentan gegen die eigene Partei durchsetzt - er hat mE dabei aber andere Motive, als hehre).
Ich halte es für eine Unterstellung von Dir, (uns) EU-befürwortern "hehre Ziele" vorzuhalten.
"hehr" heilig, erhaben
(nach Lexers) her, here : hoch, vornehm, erhaben, herrlich; heilig, stolz, ...
Sind denn Freiheit, Gleichheit, (Brüderlichkeit nur noch in Klammern) nicht Ziele, ...
dafür wäre dann wohl jedes Mittel recht, auch wenn dabei Köpfe in den Sand rollen ...
und diesmal sind es die Bürger die auf den Altären der Europa und des Mammons geopfert werden.
Sind denn Freiheit, Gleichheit, (Brüderlichkeit nur noch in Klammern) nicht Ziele, die auch heute noch in den Menschenrechtserklärungen als letzte Zielsetzungen Gültigkeit haben. Und nennst Du die Erklärung der Menschenrechte auch implizit spöttisch "hehr"?
Ich frage mich nur, was die Erklärung der Menschenrechte mit der EU zu tun hat.
Gibt es in der Tschechei, in der Slowakei, in Polen, Liechtenstein, ... denn keine Menschenrechte?
Gab es in Spanien und Portugal vor der EU auch keine Menschenrechte?
Muß man ein Land in die EU aufnehmen, damit "Menschenrechte" installiert werden können?
Wäre vielleicht bei den USA, bei Ruanda und bei Algerien zu überlegen ...
Die eine Familie muß mit Sozialhilfe auskommen, die immer weiter gekürzt wird, während die andere Familie nicht weiß, wohin mit den Milliarden, die immer weniger besteuert werden - wäre es nicht besser, hier anzufangen, als bäuerlichen Strukturen die Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft aufzudrücken?