AW: Heideggers "Wesen"
Ja was denn nun? Beliebigkeit öffnet hin zur Vielfalt. Und du machst daraus Einfalt?
Meine Empfehlung an dich lautete daher:
"... besuch mal dein Inneres und versuch das mal interpretatorisch zu erfassen und ins Seiende zu integrieren"
Will ich einen Philosophen völlig losgelöst von der persönlichen Wahrnehmung meiner Wirklichkeit begreifen, greife ich ins Leere [...] Und wenn sie dann aus einer solchen Didaktik entstanden in einer Form wie du sie präsentierst, also ohne die Rückkopplung zum eigenen Selbst, geäußert werden, wird es Selbstironisch. Darüber mußte ich schmunzeln.
Gruß Windreiter
Hallo Windreiter,
gerne erlaube ich Dir, anhand eines Sprichwortes mein interpretatorisches Verhältnis gegenüber Heideggers Denken zu deuten, ob das aber nun die Gefahr, interpretatorisch dabei letztlich völlig "ins Leere" zu greifen sinnvoll umschifft, halte ich zumindest für fraglich.
Auch bedenklich finde ich Deine Annahme, dass ich meinen Interpretationsansatz ("Didaktik") überhaupt im Rahmen der wenigen bisher abgefassten Beiträge ausreichend deutlich gemacht habe, um dergestalt weitgreifend darüber zu urteilen, wie Du das unternimmst. Auch das ist dann letztlich mehr Selbstdeutung - Du siehst in mir das, was Du selbst anhand weniger Äußerungen sehen möchtest.
Ich denke - falls Dich meine Meinung hierzu, die Du ja offenbar schon zu kennen meinst, überhaupt noch interessiert - dass "ohne die Rückkopplung zum eigenen Selbst" überhaupt kein Gedankengang machbar ist. Ich vermute, dass Du hier Doxa (Meinung) mit dem, was man als Gesamtheit darstellt, vermengst. Immer werde ich - davon gehe ich zumindest aus - etwas, das ich bspw. lese, mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aufnehmen und verarbeiten, wobei sowohl meine bisherigen Erfahrungen (Wissen, Gedächtnis) als auch mein Auffassungsvermögen als solches eine bedeutende Rolle spielen. Die Frage ist doch vielmehr die, ob und wie man das Gelesene selbst kritisch reflektiert - wie man also "zum eigenen Selbst" rückkoppelt, um es in Deinen Worten zu sagen.
Ich muss mich mit Heidegger im Rahmen eines Seminars differenziert auseinandersetzen, würde ich - wie Du offenbar vorschlägst - meine eigenen und unreflektierten Leseerfahrungen/Gefühle zur alleinigen Grundlage der Reflexion machen, so wäre ich nicht in der Lage, den mir gesetzten Vorgaben zu genügen. Letztlich weiß ich nicht genau, was Du dir unter einer sinnvollen Selbstrückkoppelung eigentlich vorstellst, ich jedenfalls stelle meine Meinung vorerst nach bester Möglichkeit zurück und versuche das Gelesene grundlegend zu verstehen. Was stellt sich der Autor vor, in welchem Kontext bewegt er sich gedanklich, was für Absichten verfolgt er? etc.
Natürlich ist das mehr oder minder - so muss ich ehrlich zugeben - ein wahnwitziges Unterfangen, denn stets drängt sich mir die eigene Meinung auf; meist viel zu eindringlich und aufdringlich, als mir selbst das lieb wäre. Wichtig finde ich nun, die dann zwangsläufig folgenden Werturteile bewusst zu fällen, also die Perspektive der Textbetrachtung selbstkritisch zu gestalten, sich als Kritiker/Interpret von einem Metastandpunkt aus zu beobachten. So ist es mir gelegentlich möglich, ein vorschnell begangenes Präjudiz zu erkennen und einen Sachverhalt/Wertung nochmals erneut zu reflektieren.
Mein Problem mit Heidegger - gegenüber anderen Philosophen, die ich bisher kennenlernte - ist, dass schon der erste Schritt - der Verstehensversuch - vor großen Schwierigkeiten steht. So kann es geschehen, dass man - sei es aus Frust oder aus purer Kritiklust - zu schnell eine feste Position bezieht. Gerade das habe ich jedoch lange Zeit bewusst vermieden, indem ich mich - entgegen innerer Triebe - immer wieder zur Offenheit gegenüber Heideggers Denken zwang. Nun bin ich der Ansicht, dass man sich mit der Zeit durchaus einen kritischen Standpunkt bilden sollte - jedenfalls sofern man sich während eines Prozesses der fortwährenden Selbstreflexion davon überzeugt hat, dass der Tatbestand des Vorurteils nicht länger gegeben ist. Trotzdem bleibe ich weiter offen und falls ich guten Argumenten begegne, die mir Heideggers Denken plausibler werden lassen, bin ich jederzeit bereit, meine Position - die ja ohnehin in stetem Fluss begriffen ist - grundlegend zu überdenken.
Es grüßt,
Philipp