Ziesemann schrieb:@ Spielmann
Ich frage mich nur: Sind die Nachrichten nur heute so pessimistisch? Galt nicht schon immer der journalistische Grundsatz, dass nur „bad news good news“ sind? Das Neue ist wohl, dass wir nicht genug optimistische Kraft haben, den Pessimismus zu überwinden. Aber warum?
Einer der Gründe könnte das Fehlen von politisch zugkräftigen Visionen sein. Man merkt das in der Europadebatte sehr gut. Die Schrecken des zweiten Weltkrieges sind schon sehr fern, dadurch lassen sich die Leute von Sätzen wie "Nie wieder Krieg" nicht mehr mitreissen, schließlich ist schon die dritte Genereation da, für die das Wort keine praktische Bedeutung hat. Daurch sieht niemend mehr einen idealistischen Gedanken in der EU, sondern die Leute nehmen nur die Bürokratie wahr (die in den Nationalstaaten genauso arg und ärger ist, aber davon liest man nie was in den Medien) und ärgern sich warum "wir" für die Leute in Osteuropa Beihilfen zahlen sollen (es denkt ja kaum jemand darüber nach, daß die Beihilfen für z.B. Spanien einen Wirtschaftsaufschwung ermöglicht haben, der eine Rückkehr der Faschisten und damit auch eine Kriegsgefahr gebannt hat). Und dank der farblosen Politiker im Moment wird sich da nichts ändern. Und warum sind sie so farblos? Weil ihnen alles egal ist, da sie wissen, daß sowieso niemand eine Alternative zum derzeitigen System in der Hand hat. Vor dem Fall das eisernen Vorhanges hatten die Politiker eben noch Angst, daß, sollten sie z.B. die Bedingungen für Arbeitnehmer zu sehr verschlechtern, die kommunistische Bewegung Fuß fassen könnte. Eben weil es in den Köpfen der Leute noch eine Alternative gab - keine gute zwar, aber eine real existierende.
Und eine Bevölkerung ohne Visionen und ohne bewusstes Wissen darüber wie gut es uns geht lässt sich nicht leicht für "große Ziele" mobilisieren. Da sich die Leute nicht bewusst sind, daß sie ihren Wohlstand, ihre Urlaube, Gehälter, Computer, Autos und Häuser in den stinkfaden 08/15-Suburbs eben diesen 60 Jahren Frieden und Überwindung des Nationalismus zu verdanken haben, leben sie in einem emotionalen Dämmerzustand, nicht positiv, nicht negativ und da reichen die (da hat Du vollkommen recht) schon immer vorhandenen negativen Meldungen aus um sie in diese Resignation (in Österreich "Wurschtigkeit" genannt) zu treiben.
Ziesemann schrieb:Deiner Diagnose ist zuzustimmen. Die private Konsumenthaltung ist Folge dieser Zukunftsverunsicherung. Damit sind wir in eine fatale Rationalitätsfalle geraten: Was für den einzelnen gut und richtig ist, zu sparen für mögliche erwartete Notzeiten, z.B. Arbeitslosigkeit führt makroökomisch genau zu den Folgen, die er abzuwenden versucht.
Der mikro-makro-Gegensatz schafft wirklich große Probleme. Aber woher sollen die selbsternannten "kleinen Leute" (ich hasse diesen Begriff) es besser wissen, wenn die großen Wirtschaftswuzzis es ihnen vormachen und Firmen mit Rekordgewinnen aus panischer Angst vor finanzieller Schwäche und dem Zorn der Anleger massenweise Leute entlassen?