AW: Gibt es den geborenen Verbrecher
Hallo,
ich freue mich, daß Ihr an dieser sicherlich nicht ganz leicht verdaulichen Kost teilnehmt.
Als ich erst deinen Eröffnungsbeitrag sah, lieber Zwetsche, verstand ich ehrlich gesagt nicht wieso du den in meinen Augen längst nicht mehr aktuellen Cesare Lombroso, erwähnst.
Ganz einfacher Grund, liebe Miriam: Lombroso steht am Anfang der Kette der Kriminalitätstheorien. Eine (gar positive Wertung) seiner Theorie war damit natürlich nicht verbunden und es ist auch kein Zufall, daß sich sämtliche Beiträge gegen diese Theorie wenden. Außerdem hast du vollkommen Recht: Die Schienenstränge seiner Theorie führten direkt nach Ausschwitz, auch wenn L. dies sicherlich nicht beabsichtigt hat (ebensowenig wie Nietzsche mit seiner Philosophie, die von den Nazis ausgeschlachtet wurde). Es zeigt aber wie gefährlich gerade die vermeintlich einfachen Lösungsmodelle und Ideologien sein können.
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es gibt Menschen, den sieht man ihre Krankheit an
und manche dieser Menschen sind auch Verbrecher
aber Verbrecher aufgrund ihres Äußeren (ihrer statistischen Merkmale) erkennen zu wollen,
grenzt an Rasterfahnung
(und ist selbst ein Verbrechen)
Schön, daß du teilnimmst, Scilla! Obgleich ich meine, daß sich die Rasterfahndung zumindest auch, wenn nicht sogar vorrangig am sozialen Umfeld orientiert. Aber die Stigmatisierung dadurch ist nicht zu verleugnen.
ich glaube, das, was am liebsten geleugnet wird ist, dass verbrecher sich nicht durch das von uns unterscheiden, was sie sind, sondern nur durch das, was sie getan haben
sie sind nicht von natur aus anders als wir
Stimme ich dir ebenfalls zu, was aber gerade eine nicht wenig bedrohliche Erkenntnis ist, denn wenn "wir" sind wie "sie", wie soll man dann den Verbrecher erkennen. Oder kapitulieren wir vor der Frage und finden uns damit ab?
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Ich glaube aber an eine menschliche Sehnsucht, Verbrecher schnell erkennen zu können
Auch ein interessanter Aspekt. Denn obgleich wir hier alle Lombroso attakieren, ist nicht zu verhehlen, daß sich nicht nur in der Gesellschaft überall diese Vorurteile finden, nein, sowohl in der Literatur, Religion, der Musik und in den Medien finden wir Ansätze lombrososcher Denkweise. Nehmen wir einfach mal einen Winnetou - Film oder z.B. Herr der Ringe. Ich könnte nicht einmal von mir selbst behaupten, daß ich völlig frei von Vorurteilen bin und gelegentlich Menschen kategorisiere.
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einen nachtrag vielleicht noch zu verbrechern.
ich habe schon öfter autopsie angeschaut, auffällig ist da, dass umso brutaler ein mensch aussieht umso simpler und genauso brutal sein mord.
während zb ein gutausehender arzt, doch eher zu feineren mitteln greift - meist langsames vergiften.
oder normal ausehende, die gerne ihre opfer stundenlang quälen, bevor sie sie dann töten.
also interessant ist es schon, dass das aussehen da schon eine rolle zu spielen scheint.
lg binchen
Und Binchen bringt dankenswerter Weise auch gleich ein Beispiel.
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diese frage hab ich mir auch schon oft gestellt, vor allem wenn ich kinder sehe die zb lust am quälen von tieren habe!!
Ja, davon kann ich mich nicht freimachen. Nicht alle Kinder sind "süß" und leider mußte ich in den vergangenen knapp 40 Jahren in einer Vielzahl von Fällen erkennen, daß sich viele "Karrieren" schon in den Startlöchern zeigten. Ich erinnere mich in meiner Kindheit an einen Jungen, der gern Molche aufschlitzte (möglichst vor den Augen kleinerer Kinder, um diese zu schockieren). Es hat mich nicht gewundert, als ich Jahre später erfuhr, daß daraus ein hochgradiger Straftäter geworden ist.
[CODEMit eigenen Anschauungen und Erfahrungen kann ich mangels Begegnung mit Verbrechern leider nicht dienen ][/CODE]
Von meinen Erfahrungen kann ich hier nichts konkretes berichten, das möchte ich in dieser Öffentlichkeit vermeiden. Nur soviel, daß mich dieses Thema aufgrund persönlicher Erfahrungen und auch aktueller Anlässe umtreibt. (Keine Sorge, ich bin kein Verbrecher, kein "Bösmensch" sondern eher "Gutmensch" oder wie man hier im Forum teilweise tituliert wird. Danke auch für Deinen Link-Tip.
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Was ein Verbrechen ist, richtet sich nach den Gestzen eines Staates, sprich nach den Spielregeln einer Gesellschaft.
Da hast Du wieder einmal einen echten Treffer gelandet, liebe Lilith. Aber bevor wir die Diskussion noch mit der "Radbruchschen Formel" belasten (wäre ein prima Thema für einen verwandten thread), schlage ich zur Vereinfachung vor, zunächst einmal einen Konsens dahingehend zu finden, daß es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die zumindest wir hier im Forum gemeinhin als Verbrechen bezeichnen dürfen.
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[Aber ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es geborene Verbrecher gibt, sondern dieser "Schlag" durch äußere Einflüsse entsteht, also durch Familie, Freunde, allgemein die, mit denen man sich umgibt und deren Moral man teilt.
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Schön daß du dabei bist, azmosan, Du bist mir bislang vornhemlich aus dem Satanismus-thread bekannt, so daß mich Deine Meinung zu einem eher weltlichen Thema interessiert. mit Deinem Anstoß gibst du bereits die Richtung zu einer anderen Kriminalitätstheorie vor, auf die ich vorhabe, später noch zu kommen, möglicherweise auch innerhalb eines anderen threads.
Vorerst glaube ich, daß uns die Theorie Lombrosos und auch ihre Auswirkungen noch eine Weile beschäftigen könnte, obgleich sie wissenschaftlich, das kann wohl festgehalten werden, widerlegt ist. L. hat nicht die geringsten Beweise für seine Theorie erbracht. Mit der Methode der exakten anthropometrischen Untersuchungen hat Charles B. Goring, versucht, Lombroso zu widerlegen, was ihm teilweise auch gelungen ist. Trotzdem wurde der Gedanke nie fallengelassen und haben immer wieder Kriminologen und andere Wissenschaftler, versucht, der Kriminalität mit der Erbbiologie auf die Schliche zu kommen (Bs.: Zwillingsforschung und Adoptionsstudien sowie die Suche nach dem Verbrecher-Chromosom).
Allein die Frage, warum die Wissenschaftler darauf so versessen sind/waren, wirft - denke ich - eine Reihe Fragen auf.
Viele Grüße
Zwetsche